Bayernweite Befragung zum Hochwasserschutz ++ Die unterschätzte Gefahr
Risiko Überflutung: Schuld an 87 Prozent der Schadensfälle ist Starkregen
NÜRNBERG/REGION (pm/nf) - Hochwasser kann fast alle Menschen in Bayern treffen. Doch viele Bayern fühlen sich davon nicht bedroht. Das ist ein Ergebnis der repräsentativen Umfrage „Hochwasserschutz in Bayern“, die anlässlich des Pfingsthochwassers 1999, das sich 2019 zum 20. Mal jährt, durchgeführt wurde. Befragt wurden im Auftrag der Initiative Hochwasser.Info.Bayern insgesamt 1.400 Personen im Freistaat.
„Ein Ergebnis ist für mich besonders beunruhigend“, bilanziert Ulrich Fitzthum, Leiter des Wasserwirtschaftsamtes Nürnberg. Obwohl sich ein Drittel der Bayern als gut informiert in Sachen Hochwasserschutz bezeichnet, wissen lediglich 13 Prozent, dass Starkregen fast jeden treffen kann. In Mittelfranken sind es sogar nur 11 Prozent, der niedrigste Wert in Bayern. Das ist besonders deshalb verwunderlich, weil die Sturzflut 2007 in Baiersdorf - sozusagen vor unserer Haustür - allen vor Augen geführt hat, welch katastrophale Folgen Starkregen haben können. Dort und an Orten, wo Menschen schon mehrmals persönlich von Hochwasser betroffen waren, weiß man es besser (45 Prozent). 79 Prozent der Befragten, die persönliche Schäden durch Hochwasser erlitten haben, geben an, dass Starkregen die Ursache dafür war. „Von Starkregen können nicht nur die Anwohner in der Nähe von Gewässern betroffen sein, sondern alle Menschen in Bayern“, so Fitzthum.
Jeder dritte von Überflutung Betroffene in Mittelfranken musste zwischen 2016 und 2019 Schäden hinnehmen. Kein Wunder, dass für 44 Prozent der Befragten in der Region Hochwasserschutz ein wichtiges Thema ist. Landesweit sind es 46 Prozent, bei Hauseigentümern 49 Prozent und bei mehrfach von Hochwasser betroffenen Menschen sogar 73 Prozent. Ursache für 87 Prozent der Schadensfälle durch Überflutungen war in Mittelfranken Starkregen. Dieser Wert wird sonst nur noch in der Oberpfalz erreicht und liegt acht Prozentpunkte über dem Landesdurchschnitt.
Wirksamer staatlicher Hochwasserschutz reicht nicht aus„Die Tatsache, dass es im Zuständigkeitsbereich des Wasserwirtschaftsamtes Nürnberg über ein Jahrhundert lang keine großen Flusshochwässer mehr gab, darf uns nicht in Sicherheit wiegen. Auch bei uns kann es jederzeit zu bedrohlichen Hochwasserereignissen kommen“, warnt Fitzthum. Eine hundertprozentige Sicherheit vor Überflutungen gibt es trotz des Ausbaus von technischen Hochwasserschutzmaßnahmen durch die bayerische Wasserwirtschaft nicht.
Die Schäden durch Überflutung zu reduzieren, ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Jeder kann und sollte einen Teil dazu beitragen. Wirksamer Hochwasserschutz beginnt bei der Eigenvorsorge. Diese Aussage teilen allerdings nur 29 Prozent der Befragten. Sie vertrauen lieber auf den Staat. Einzige Ausnahme sind die mehrfach von Hochwasser Betroffenen: 44 Prozent von ihnen wissen, dass sie durch ihr Handeln Hochwasserschäden reduzieren können.
Die eigene Wirksamkeit wird stark unterschätzt
Sich mit der Hochwasservorsorge zu beschäftigen, finden immerhin 42 Prozent der Bayern wichtig. In Mittelfranken ist der Schutz vor Überflutungen für 44 Prozent der Befragten relevant. Damit liegen sie im bayernweiten Vergleich an vorletzter Stelle. „Ich rate jedem, sich darüber zu informieren, wie man sich selbst vor Hochwasser schützen kann. Schon kleine bauliche Maßnahmen am Haus können Folgeschäden stark reduzieren“, so Fitzthum. Wer von Hochwasser betroffen war, weiß das: 79 Prozent dieser Personen haben nach Hochwasser Schutzmaßnahmen umgesetzt, am häufigsten wurde der Keller abgedichtet. Drei Viertel derjenigen, die keine Vorsorgemaßnahmen getroffen haben, nennen als Grund dafür, dass sie noch nie von Hochwasser betroffen waren. Offenbar wird Vorsorge erst zum Thema, nachdem Schäden durch Hochwasser entstanden sind.
Von denjenigen in Mittelfranken, die keine Vorsorgemaßnahmen ergriffen haben, wissen 18 Prozent nicht, dass sie sich zum Beispiel durch Pumpvorrichtungen, Sandsäcke oder durch eine Abdichtung des Kellers schützen können. Und nur drei von zehn Befragten in Bayern sind davon überzeugt, dass sie durch ihr eigenes Handeln die persönlichen Schäden durch Überflutungen reduzieren können. Dabei drängt die Zeit. Das ist den Bürgerinnen und Bürgern durchaus bewusst: Dass der Klimawandel das Risiko von Hochwasser erhöht, glauben bayernweit 73 Prozent, in Mittelfranken 76 Prozent.
Vorsicht: Lebensgefahr bei Hochwasser
Das Verhalten der Bürgerinnen und Bürger im Hochwasserfall wäre teilweise sehr riskant. Die Mehrheit der Bayern würde sich im Falle einer Überflutung in Lebensgefahr begeben, um ihr Hab und Gut im Keller oder in der Tiefgarage zu retten. Das ist fatal, denn sobald das Wasser auch nur ein paar Zentimeter steigt, kann es sein, dass sich die Türen nicht mehr öffnen lassen. Erschreckend ist zudem, dass Menschen, die bereits öfter von Überflutungen betroffen waren, überdurchschnittlich häufiger in den Keller oder die Tiefgarage gehen als bisher nicht Betroffene.
60 Prozent der Bayern haben keine Elementarschadenversicherung
Wer sich entsprechend versichert, kann sich während eines Hochwassers um sich selbst kümmern und muss sich um sein Eigentum weniger Sorgen machen. Rund die Hälfte der Bayern glaubt, ihre Hausrat- oder Wohngebäudeversicherung versichere sie gegen Schäden durch Überflutungen. Den zusätzlichen Baustein einer Elementarschadenversicherung, der als einziger bei Hochwasser versichert, haben aber nur zirka 40 Prozent der Bayern. 73 Prozent der Nicht-Versicherten glauben, sich nicht versichern zu müssen, da man nicht von Hochwasser betroffen sei. Hingegen haben über 90 Prozent derjenigen, die versichert sind und schon von Hochwasser betroffen waren, auch eine Elementarschadenversicherung ab- geschlossen. Sie möchten den erlittenen Verlust nicht noch einmal erleben.
Zur Umfrage
Die bayernweite, repräsentative Befragung „Hochwasserschutz in Bayern“ wurde von der Initiative der bayerischen Wasserwirtschaft im Frühjahr 2019 in Auftrag gegeben. Befragt wurden insgesamt 1.400 Menschen in Bayern. Die telefonische Befragung wurde von Kantar Emnid durchgeführt.
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