Putin-Rede am 9. Mai in Moskau
Russische Bevölkerung in Angst vor Generalmobilmachung

Russland hat nach ukrainischen Angaben erneut auch nicht-militärische Ziele in der Ukraine mit Raketen angegriffen.  | Foto: Carol Guzy/ZUMA Press Wire/dpa
  • Russland hat nach ukrainischen Angaben erneut auch nicht-militärische Ziele in der Ukraine mit Raketen angegriffen.
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BERLIN (dpa) - In der Ukraine gibt es Sorge vor einer deutlichen Ausweitung russischer Angriffe in den kommenden Wochen. Mehrere ukrainische Medien griffen einen Bericht des US-Senders CNN zu Spekulationen auf, dass Kremlchef Wladimir Putin bereits in wenigen Tagen in Russland den Kriegszustand verhängen und eine Generalmobilmachung anordnen könnte. Auch der Chef der ukrainischen Militäraufklärung, Kyrylo Budanow, sprach von russischen Vorbereitungen auf eine offene Mobilisierung von Soldaten und Reservisten. Belege dafür gibt es nicht. Bislang spricht Russland offiziell nur von einer «Spezial-Operation» in der Ukraine.

Der Kreml reagierte auf die jüngsten Gerüchte zunächst nicht. In den ersten Wochen nach dem Angriff auf das Nachbarland am 24. Februar hatte Moskau entsprechende Sorgen der eigenen Bevölkerung kommentiert und betont, dass eine Generalmobilmachung nicht geplant sei. Selbst für den Fall einer solchen Anordnung wäre das Ausmaß allerdings völlig unklar: Russlands Gesetzgebung sieht etwa auch die Möglichkeit einer Teilmobilmachung vor, von der dann nur einzelne Regionen des Riesenlandes betroffen wären.

Nun blicken viele Menschen mit Spannung auf Putins Rede zur traditionellen Militärparade am 9. Mai in Moskau, mit der Russland jedes Jahr an den Sieg über Hitler-Deutschland 1945 erinnert. Viele Experten gingen ursprünglich davon aus, dass der Kremlchef an dem Tag Erfolge in der Ukraine feiern wollte. Einige Beobachter nun aber eher von einer Intensivierung der Kampfhandlungen aus.

Der Sender CNN zitierte in seinem Bericht unter anderem den Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price: «Es wäre eine große Ironie, wenn Moskau den Tag des Sieges nutzen würde, um einen Krieg zu erklären», sagte Price. «Aber ich bin ziemlich sicher, dass wir im Vorfeld des 9. Mai mehr aus Moskau hören werden.» Der amerikanische Botschafter bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Michael Carpenter, wiederum geht eigenen Aussagen zufolge eher von einer Annexion der ostukrainischen Separatistengebiete Luhansk und Donezk aus. Ähnliche Pläne könnte Moskau auch für das besetzte südukrainische Gebiet Cherson haben, sagte Carpenter.

Scholz lehnt Kiew-Besuch momentan ab

Bundeskanzler Olaf Scholz will die Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland weiter militärisch und wirtschaftlich unterstützen, einen Besuch in Kiew lehnt er momentan aber ab.

Das Ziel seiner Politik sei: «Russland darf nicht gewinnen und die Ukraine darf nicht verlieren», sagte der SPD-Politiker in der ZDF-Sendung «Was nun?». Dass die Regierung in Kiew aber Mitte April Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ausgeladen habe, sei inakzeptabel gewesen.

Merz trifft in Kiew Regierungschef

CDU-Chef Friedrich Merz will bei seinem Besuch in Kiew unter anderem den ukrainischen Regierungschef Denys Schmyhal und Bürgermeister Vitali Klitschko treffen. Außerdem stehen Gespräche mit Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk und Oppositionspolitikern auf seinem Programm, wie die Deutsche Presse-Agentur aus ukrainischen Regierungskreisen erfuhr. Ein Treffen mit Präsident Wolodymyr Selenskyj ist danach zunächst nicht geplant. Die Reisepläne waren am Wochenende bekannt geworden und gestern von Merz bestätigt worden. Der CDU-Chef wird nach dpa-Informationen noch heute in Kiew erwartet.

Papst weiter bereit für Moskau-Besuch

Papst Franziskus ist nach eigenen Worten weiter bereit, Russlands Präsidenten Wladimir Putin in Moskau zu treffen. Er habe die Nummer zwei im Vatikan, Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, nach 20 Tagen Krieg gebeten, Putin die Nachricht zu überbringen, dass er gewillt sei, nach Moskau zu kommen, sagte das katholische Kirchenoberhaupt im Interview der italienischen Zeitung «Corriere della Sera». «Wir haben noch keine Antwort und wir bestehen noch darauf, auch wenn ich fürchte, dass Putin in diesem Moment das Treffen nicht machen kann und will», erklärte der 85-Jährige weiter. Er beklagte zudem die Brutalität des Krieges: «Vor 25 Jahren haben wir mit Ruanda dasselbe erlebt.»

Einen Besuch in der Ukraine hält Franziskus derzeit nicht für möglich. «Ich kann derzeit nicht nach Kiew. Zuerst muss ich nach Moskau, zuerst muss ich Putin treffen», sagte der Argentinier. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und die Klitschko-Brüder hatten Franziskus bereits eingeladen, nach Kiew zu kommen.

Johnson spricht per Video zum ukrainischen Parlament

Ein anderer Unterstützer der Ukraine, der britische Premierminister Boris Johnson, will heute per Video zum ukrainischen Parlament in Kiew sprechen. Dabei dürfte er laut vorab verbreitetem Redemanuskript weitere Militärhilfe im Wert von 300 Millionen Pfund (357 Millionen Euro) zusagen. Großbritannien will auch Spezialfahrzeuge für den sicheren Transport von Zivilisten schicken. Johnson hatte vor einigen Wochen den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kiew getroffen.

Pentagon: Russlands Truppen kommen in Ostukraine kaum voran

Russische Truppen beschossen am Montag die Stadt Charkiw, das Gebiet Donezk im Osten und andere Regionen, In Odessa sei ein 14-jähriger Junge durch einen Raketentreffer auf ein Wohnhaus getötet worden, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj.

Zur Lage bei den Kämpfen am Boden in der Ostukraine teilte das US-Verteidigungsministerium mit, das russische Militär mache nur minimale Fortschritte. «Die Truppen leiden immer noch unter schlechter Führung und Kontrolle, die Moral in vielen Einheiten ist niedrig, die Logistik ist nicht optimal», sagte ein Vertreter des Pentagons. Das ukrainische Militär habe die Russen zum Beispiel weiter aus Charkiw zurückdrängen können.

London: Stärkung russischer Truppen durch Sanktionen erschwert

Die Stärkung geschwächter russischer Truppen wird nach Einschätzung britischer Geheimdienste durch die geltenden Sanktionen gegen Moskau erschwert. Trotz einer Verdoppelung seiner Militärausgaben zwischen 2005 und 2018 und Investitionen in High-End-Ausrüstung habe Russland die Ukraine bislang nicht unter Kontrolle bringen können, hieß es in einem Update des britischen Verteidigungsministeriums.

Strategische Fehler und Mängel bei der Umsetzung hätten dazu geführt, dass die Russen ihre Kampfstärke nicht in einen entscheidenden Vorteil hätten umwandeln können. Das Militär sei nun deutlich schwächer, sowohl von der Ausrüstung her als auch konzeptionell. Dies werde einen langfristigen Effekt auf Moskaus Kampfstärke in Bezug auf konventionelle Waffen sowie Truppen haben.

Das wird wichtig

In der seit Wochen umkämpften Stadt Mariupol kündigte der Stadtrat für heute einen weiteren Versuch an, Zivilisten aus dem letzten ukrainischen Stützpunkt im Stahlwerk Azovstal zu evakuieren. Am Montag war die Rettung gescheitert. «Heute haben uns die russischen Besatzer keine Möglichkeit gegeben, Leute aus Azovstal herauszuholen», sagte der Gouverneur des Gebiets Donezk, Pawlo Kyrylenko, am Montag im ukrainischen Fernsehen.

Zuvor hatte es Berichte über schwere Bombardierungen und den Beschuss des Werksgeländes aus Schiffskanonen und mit Artillerie gegeben. Am Wochenende waren über 120 Zivilisten aus dem belagerten Werksgelände herausgelangt. Etwa 200 sollen nach ukrainischen Angaben noch dort ausharren zusammen mit Soldaten der Ukraine.

Autor:

Nicole Fuchsbauer aus Nürnberg

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