Bürokratie-Burn-Out
Überblick: Diese lästigen Auflagen könnten bald wegfallen!
MESEBERG (dpa) - Bürger und Unternehmen sollen sich nach dem Willen der Bundesregierung weniger mit bürokratischen Auflagen herumschlagen müssen. Eckpunkte für ein entsprechendes Gesetz beschloss das Kabinett bei seiner Klausur im brandenburgischen Meseberg.
«Wir sind überzeugt, viele Betriebe in Deutschland leiden unter einem bürokratischen Burn-Out», sagte Justizminister Marco Buschmann (FDP) bei der Vorstellung seiner Pläne. Nach Angaben Buschmanns werden durch die geplanten Maßnahmen 2,3 Milliarden Euro im Jahr eingespart. «In den Betrieben wird schneller künftig Papier auch mal weggeworfen werden können», sagte er.
Generell soll an vielen Stellen die Pflicht zur Unterschrift auf Papier entfallen, stattdessen würde dann etwa eine E-Mail reichen.
Ein Überblick:
- - Aufbewahrung: Die handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege sollen von zehn auf acht Jahre verkürzt werden.
- Hotels: Für Gäste mit deutscher Staatsangehörigkeit sollen Hotels keinen Meldeschein mehr vorweisen müssen
- Lebensmittel: Die vorgeschriebenen Aufzeichnungen über Allergene, Zusatzstoffe und Aromen in lose verkauften Lebensmitteln sollen beim Verkäufer nicht mehr schriftlich vorliegen müssen. Eine Aufzeichnung in digitaler Form soll dann genügen.
- Flughafenkontrolle: Reisende sollen Fluggesellschaften künftig erlauben können, die Daten im Chip des Reisepass auszulesen. Das soll Kontrollen beschleunigen.
- Eltern: Wer als Vater oder Mutter die Arbeitszeit verringern oder Elternzeit nehmen möchte, soll das unkomplizierter tun können. Statt einer Unterschrift auf Papier wäre dann zum Beispiel eine E-Mail ausreichend.
- Arbeitsplatz: Statt wie bisher per Aushang sollen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ihre Mitarbeiter künftig grundsätzlich zum Beispiel über das Intranet informieren können - das gilt für gesetzlich vorgeschriebene Infopflichten für bestimmte Arbeitszeitregelungen. Arbeitszeugnisse sollen in Zukunft auch elektronisch ausgestellt werden können, aber mit elektronischer Signatur.
- Artenschutz: Die bei Bauprojekten vorgeschriebenen Prüfungen zu Auswirkungen auf den Artenschutz sollen insbesondere bei Bahn-Projekten vereinfacht werden. Die Vorgaben sollen konkreter formuliert werden.
- Schifffahrt: Seeschiffe aus Nicht-EU-Ländern sollen keine Genehmigung für innerdeutsche Transporte in Küstengewässern mehr benötigen. Zu mehr als 90 Prozent würden solche Anträge ohnehin bewilligt, hieß es.
Die Pläne beruhen auf Vorschlägen der Bundesministerien zu ihren jeweiligen Bereichen, aber auch auf einer Online-Befragung von Verbänden, die 442 Vorschläge zum Bürokratieabbau eingereicht haben.
Buschmann sagte, dass es mit dem geplanten Gesetz nicht getan sei. «Bürokratieabbau ist eine Daueraufgabe.» So werde Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) das Vergaberecht angehen und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eine ganze Reihe von Maßnahmen im Gesundheitswesen vorlegen. Außerdem solle eine europäische Entbürokratisierungsinitiative gestartet werden, denn der Großteil der bürokratischen Belastungen stammte aus der Umsetzung von Europarecht. Ein entsprechendes Impulspapier beschloss das Kabinett.
Wirtschaftsvertretern reagieren verhalten
Die Reaktionen bei Wirtschaftsvertretern fielen verhalten aus. Der Generalsekretär des Zentralverband des Deutschen Handwerks, Holger Schwannecke, begrüßte den Vorstoß zwar grundsätzlich, bemängelte aber, das Eckpunktepapier bleibe hinter den Möglichkeiten zurück. «Die nun im beschlossenen Eckpunktepapier vorgesehene Verkürzung von Aufbewahrungspflichten sowie die Überprüfung von Informations- und Dokumentationspflichten sind wichtige, aber auch seit Jahren bekannte Maßnahmen: Das hätte deutlich schneller gehen müssen.»
Verband spricht von Lippenbekenntnis
Die Präsidentin des Verbands Die Familienunternehmer, Marie-Christine Ostermann, sprach von einem Lippenbekenntnis. Sie verwies auf das Lieferkettengesetz, das Unternehmen ab einer bestimmten Größe verpflichtet, Kinderarbeit oder gravierende Umweltverstöße bei der Herstellung ihrer Produkte auszuschließen. Sie müssen dazu Berichte erstellen.
Wirtschaftsverbände klagen seit langem über zu viel Bürokratie. Zugleich wächst die Sorge, deutsche Unternehmen könnten international an Wettbewerbsfähigkeit verlieren, wegen im internationalen Vergleich hoher Energiepreise sowie eines milliardenschweren Subventionsprogramms in den USA.
Von Martina Herzog, dpa
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