Ermittlungen gegen zehn Beschuldigte
UPDATE 2: Augsburger JVA-Leiterin freigestellt!

Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) verweist angesichts von Vorwürfen zu möglichen Häftlingsmisshandlungen in der JVA Augsburg-Gablingen auf das Grundgesetz.  | Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
3Bilder
  • Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) verweist angesichts von Vorwürfen zu möglichen Häftlingsmisshandlungen in der JVA Augsburg-Gablingen auf das Grundgesetz.
  • Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
  • hochgeladen von Nicole Fuchsbauer
  • Nach den Vorwürfen wegen möglicher Häftlingsmisshandlung in einer JVA in Augsburg gerät nun das Justizministerium in Bayern unter Druck - auch durch einen Brief an Söder.
  • Die Vorwürfe wegen möglicher Häftlingsmisshandlung in einer JVA in Augsburg haben weitere Konsequenzen: Die Leiterin wurde vorläufig suspendiert - und das ist noch nicht alles.

UPDATE 2

Augsburg/München (dpa) - Nach Vorwürfen wegen möglicher Häftlingsmisshandlungen in der JVA Augsburg-Gablingen hat das bayerische Justizministerium personelle Konsequenzen gezogen: Die Anstaltsleiterin ist seit Donnerstag vom Dienst freigestellt, teilte Minister Georg Eisenreich (CSU) mit.

Sie sei aber weder Beschuldigte in einem Ermittlungsverfahren, noch laufe gegen sie ein Disziplinarverfahren, betonte er. Es gehe darum, die Aufklärung zu erleichtern, so der Minister. Eine neue stellvertretende Leiterin sei kommissarisch im Amt, diese leite vorerst die Anstalt.

Blick aus einer Gablinger Einzelzelle. | Foto: picture alliance / dpa
  • Blick aus einer Gablinger Einzelzelle.
  • Foto: picture alliance / dpa
  • hochgeladen von Nicole Fuchsbauer

Task-Force eingesetzt

Eisenreich hat in seinem Ministerium eine Task-Force eingesetzt, die für die interne Aufarbeitung im Ministerium und in der JVA zuständig sein soll. Auch die Berichtspflichten an das Ministerium wurden seinen Angaben zufolge verschärft. Außerdem sollen Statistiken erstellt werden.

Das Justizministerium war in die Kritik geraten, nachdem öffentlich geworden war, dass Vorwürfe gegen Mitarbeiter der JVA schon seit einem Jahr im Ministerium bekannt waren. Eisenreich bestätigte, dass die Anstaltsärztin, die den Fall nun ins Rollen brachte, am 18. Oktober 2023 schon in einer E-Mail auf «schwere Missstände» in besonders gesicherten Hafträumen (sogenannten BgH) in Augsburg-Gablingen hingewiesen hatte.

Eisenreich: Nicht darüber informiert worden

Die zuständige Abteilung habe daraufhin einen Bericht der JVA angefordert und das Schreiben der Ärztin an die Staatsanwaltschaft Augsburg weitergeleitet. «Das hat die Abteilung gemacht. Was sie nicht gemacht hat, war mich zu informieren», sagte der Minister. «Ich bin im letzten Jahr, wie diese E-Mail kam, nicht darüber informiert worden.» Es sei aber nichts vertuscht worden, mögliche Straftaten würden konsequent verfolgt. Die Abteilung habe die Aufklärung der Vorwürfe primär bei der Staatsanwaltschaft gesehen.

Es sei allerdings richtig, sagte Eisenreich, dass sich in jüngerer Zeit Beschwerden über die JVA gehäuft hätten. Er sprach von einer «deutlichen Steigerung». Auch sei die Zahl verhängter disziplinarischer Maßnahmen in dem Gefängnis gestiegen. 2023 habe es eine Visitation gegeben und im August dieses Jahres einen unangekündigten Besuch der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter. Der Bericht liege noch nicht vor. Allerdings sei nach dem Besuch dort ein anonymer Hinweis darauf eingegangen, dass die Prüfer von der Anstalt getäuscht worden seien.

Eisenreich räumt ein, dass mehr hätte passieren müssen

Eisenreich räumte ein, dass die Dimension der Vorfälle in seinem Ministerium möglicherweise unterschätzt worden sei. «Rückblickend muss man sagen, dass bei der Kontrolle von Gablingen noch mehr hätte passieren müssen», sagte der Minister.

Die Anwälte der beschuldigten und vorläufig suspendierten stellvertretenden Gefängnisleiterin hatten zwischenzeitlich in einem Brief an Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gefordert, dem Ministerium «die Befugnis zu entziehen, sich weiterhin als Aufsichtsbehörde mit der Prüfung von Vorwürfen in Zusammenhang mit der Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen zu befassen». Sie befürchten Verdunklungsgefahr - eine Angst, die man in der Staatskanzlei allerdings nicht teilt. «Zuständig für die Aufarbeitung und Aufklärung sind das Justizministerium und die Staatsanwaltschaft Augsburg», sagt ein Sprecher. «Beide haben das volle Vertrauen, dass dies nach Recht und Gesetz geschieht.»

Opposition: Ministerium reagierte nicht schnell genug

Grünen und SPD im bayerischen Landtag reicht die Stellungnahme des Justizministers nicht aus. Die Oppositionsparteien kritisieren insbesondere, dass das Ministerium nach den ersten Informationen über angebliche Misshandlungen von Häftlingen nicht konsequent und schnell genug reagiert habe. Horst Arnold, rechtspolitischer Sprecher der SPD, zufolge sind die Probleme im Strafvollzug im Hause Eisenreich offenkundig bislang nicht sehr ernst genommen worden.

Grünen-Rechtssprecher Toni Schuberl forderte zudem Ministerpräsident Markus Söder (CSU) auf, sich einzuschalten. «Ich frage mich heute wirklich: Wo ist Markus Söder? Wenn eines seiner Ministerien möglicherweise Teil eines solchen Skandals ist, dann ist es allerhöchste Zeit, dass die Aufklärung eine Ebene höher stattfindet», sagte Schuberl.

Der Ministerpräsident müsse die Sache in die Hand nehmen. Schließlich stünden Vorwürfe zu einer gravierenden Verletzung der Menschenwürde im Raum. Dies müsste in unserem Land eigentlich unvorstellbar sein. Das erschüttert die Grundfesten unseres Rechtsstaats und unserer Demokratie.» Es müsse zudem geprüft werden, ob es ähnliche Vorgänge in anderen bayerischen Gefängnissen gab oder gibt.

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen zehn Beschuldigte

Die suspendierte Stellvertreterin ist eine von insgesamt zehn beschuldigten Mitarbeitern des Gefängnisses, gegen die die Staatsanwaltschaft Augsburg ermittelt. Wie die Behörde mitteilte, geht es unter anderem um mögliche Körperverletzungsdelikte im Amt sowie um tätliche Übergriffe von Beschäftigten auf Gefangene. Laut dem Justizministerium wurden Disziplinarmaßnahmen gegen die Beschuldigten eingeleitet und Betretungsverbote für die JVA verhängt.

Es besteht nach Angaben der Staatsanwaltschaft der Anfangsverdacht, dass Gefangene möglicherweise unbekleidet in sogenannten besonders gesicherten Hafträumen ohne gefährdende Gegenstände untergebracht worden sein sollen, ohne dass die besonderen Voraussetzungen für diese Maßnahme vorlagen.

Im Zuge des Ermittlungsverfahrens seien am 24. und am 30. Oktober in der JVA umfangreiche Unterlagen, elektronische Daten sowie Mobiltelefone sichergestellt worden, die nun ausgewertet würden. Daneben solle eine Vielzahl von Zeugen vernommen werden. Die Staatsanwaltschaft hat eine Ermittlungsgruppe eingerichtet.

Eisenreich schloss sein Statement, bei dem er keinerlei Nachfragen zuließ, mit den Worten: «Die Menschenwürde ist unantastbar - auch im Justizvollzug und das ist unsere Verantwortung, der wir uns stellen.»

++

Augsburg/München (dpa) - Nach Vorwürfen wegen möglicher Häftlingsmisshandlungen in einer JVA in Augsburg gerät das bayerische Justizministerium unter Druck. Die Anwälte der beschuldigten und inzwischen vorläufig suspendierten stellvertretenden Gefängnisleiterin, die die Vorwürfe gegen sie zurückweist, richteten sich in einem Brief an Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Sie fordern darin von ihm, dem Ministerium «die Befugnis zu entziehen, sich weiterhin als Aufsichtsbehörde mit der Prüfung von Vorwürfen im Zusammenhang mit der Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen zu befassen».

Was wusste das Ministerium?

Anwälte befürchten Verdunklungsgefahr

Sie begründen das in dem Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, damit, dass das Ministerium eingeräumt hat, schon seit einem Jahr von Vorwürfen das Gefängnis betreffend gewusst zu haben. «Wer aber von möglichen Missständen bei der Unterbringung in besonders gesicherten Hafträumen weiß und darüber informiert ist, dass weiterhin Unterbringungen in solchen Hafträumen stattfinden, gleichzeitig aber keine Maßnahmen
ergreift, die etwaige Missstände sicher ausschließen, bei dem steht eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung im Amt durch Unterlassen im Raum», schreiben die Anwälte Alexander Stevens und Holm Putzke. «Solange insoweit ein dringender Tatverdacht nicht zweifelsfrei ausgeräumt ist, darf eine selbst betroffene Behörde nicht weiter in die Ermittlungen involviert werden.» Es bestehe sonst Verdunklungsgefahr.

Die Anwälte haben nach eigenen Angaben außerdem eine Anzeige gegen Unbekannt «wegen des dringenden Tatverdachts einer Strafbarkeit wegen Körperverletzung im Amt
durch Unterlassen» bei der Münchner Staatsanwaltschaft erstattet, wie sie der dpa sagten.

Eine Sprecherin des Justizministeriums teilte am Abend mit, das Justizministerium sei Rechts- und Fachaufsichtsbehörde gegenüber den Justizvollzugsanstalten und damit im Rahmen der Dienstaufsicht zuständig für die Überprüfung der Vorwürfe im Zusammenhang mit der JVA Augsburg-Gablingen. «Diese Aufgabe nimmt das Justizministerium wahr.»

Justizminister Eisenreich hat Stellungnahme angekündigt

Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) hat inzwischen angekündigt, die Öffentlichkeit am Donnerstagvormittag über den Stand der Ermittlungen informieren zu wollen. Zudem will er am 7. November im Landtagsausschuss für Verfassung und Recht Bericht erstatten, wie das Ministerium mitteilte. Die im Raum stehenden Vorwürfe seien gravierend und müssten rückhaltlos aufgeklärt werden, so Eisenreich. «Straftaten im Justizdienst sind inakzeptabel.»

Zuvor hatten Oppositionsparteien Kritik am Vorgehen des CSU-geleiteten Ministeriums geäußert. Die Grünen-Fraktion im Landtag richtete einen langen Fragenkatalog an die Staatsregierung.«Wenn man sich alles ansieht, was bisher bekannt ist, ist es schon schwer irritierend, dass nicht viel früher eine intensive Kontrolle in der betreffenden JVA stattgefunden hat», sagte Toni Schuberl, Sprecher für Recht. Sollten sich die Vorwürfe erhärten, hätten «nicht nur einzelne Menschen, sondern das ganze System versagt».

Die Sprecherin für Recht und Justiz der SPD-Landesgruppe Bayern im Bundestag, Carmen Wegge, sprach von einem Skandal: «Warum wurde nicht schneller eingegriffen? Was haben er und sein Ministerium getan, als es von den Misshandlungen Kenntnis hatte?»

Vorwürfe schon länger bekannt

Am Wochenende waren Ermittlungen zu Vorwürfen wegen möglicher Häftlingsmisshandlung gegen mehrere Mitarbeiter der JVA Augsburg-Gablingen bekanntgeworden. Wie viele Beschuldigte es sind, sagten weder die Staatsanwaltschaft Augsburg noch das Justizministerium. Das bestätigte allerdings, dass Disziplinarmaßnahmen gegen die Beschuldigten eingeleitet und Betretungsverbote für die JVA verhängt wurden. Zudem räumte das Ministerium ein, bereits seit einem Jahr Kenntnis von den Vorwürfen zu haben.

Bei den Ermittlungen geht es um den Anfangsverdacht der Körperverletzung im Amt. Zu den Beschuldigten gehört auch die stellvertretende Leiterin des Gefängnisses, die die Vorwürfe über ihre Anwälte entschieden zurückwies.

Autor:

Nicole Fuchsbauer aus Nürnberg

Webseite von Nicole Fuchsbauer
Nicole Fuchsbauer auf Facebook
Nicole Fuchsbauer auf Instagram
Nicole Fuchsbauer auf X (vormals Twitter)
following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

27 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.