Zu viele Nichtschwimmer und zu wenig Retter
DLRG mahnt zu besonderer Vorsicht in Schwimmbädern und an Badestränden
REGION (dpa/vs) - Das ist der Stoff, aus dem Tragödien gemacht werden: Immer weniger Menschen können richtig schwimmen und es gibt viel zu wenig Retterinnen und Retter, die im Notfall professionell helfen können.
Von Britta Körber und Ulli Brünger, dpa
BAD NENNDORF (dpa) - Die neue Präsidentin der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG), Ute Vogt, schlägt Alarm. «Wir gehen davon aus, dass wir nun quasi zwei Schuljahrgänge haben, die nicht schwimmen können», sagte die 57-Jährige vor dem Hintergrund des wegen der Corona-Pandemie ausgefallenen Unterrichts.
Bei der Anfänger-Schwimmausbildung gebe es einen riesigen Nachholbedarf. «Die Kinder sind jetzt in der 3. Klasse und haben oft noch kein Schwimmbad von innen gesehen, wenn es die Eltern nicht organisiert haben.»
Rund 80 Bäder machen jedes Jahr dicht
Es dürfe keine Schule mehr geben, die in erreichbarer Nähe kein Bad zur Verfügung hat. «Wir müssen unbedingt einen flächendeckenden Bäderbedarfsplan aufstellen. Dann müssen Bund, Länder und Gemeinden an einen Tisch und diese Lücken füllen. Die Gemeinden alleine schaffen das nicht», sagt die 57-Jährige. Etwa 80 Bäder machten bundesweit in jedem Jahr dicht - da müsse gegengesteuert werden. Das große Problem: Der Beruf des Schwimm- oder umgangssprachlich Bademeisters ist für junge Leute wenig attraktiv.
«Der Markt ist leer. Alle suchen», sagt Dirk Günther, Geschäftsführer der Kurmittel GmbH Lüneburg. Viele wüssten zudem gar nicht, was das Berufsbild umfasse. Der lockere Typ am Beckenrand mit der Trillerpfeife habe schon lange ausgedient, so umfassend sei die Ausbildung. Junge Leute wollten auch nicht unbedingt in Randzeiten arbeiten, wenn ihre Freunde feiern. Zudem sei eine hohe Konzentration über Stunden gefordert, falls ein Menschenleben zu retten sei.
Schwimmkurse sind rar
Die Crashkurse in den Sommerferien waren in und um Lüneburg in zehn Minuten ausverkauft. «Die Grundschulen haben das Schwimmen massiv zurückgefahren», berichtet Günther. Aber die Schwimmbäder könnten wegen fehlenden Personals auch nicht alles auffangen, was besonders im Corona-Lockdown nicht möglich war.
Hamburgs Bäderland-Sprecher Michel Dietel berichtet von derzeit 30 Prozent geschlossenen Freibädern: «Wir brauchen Personal, das ist bundesweit überall gleich.» In der Hansestadt hat Bäderland seit 2006 den Schulunterricht übernommen und bietet auch in den Ferien Nachholtermine an. Seit Sommer 2021 gibt es wegen Corona eine Schwimmlernoffensive, dazu gehören auch Intensivkurse. «Es ist eine ungewohnt diffizile Situation», sagt Dietel.
Rettungsschwimmer dringend gesucht
Die Arbeitszeiten des Schwimmpersonals seien denen in der Gastronomie ähnlich, ansonsten sei es ein sehr schöner Beruf mit vielen Menschen, findet Eric Voss, Bereichsleiter Fortbildung bei der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen. Viele wüssten auch gar nicht, dass der Ausbildungsberuf sowohl eine Gesellen- als auch eine Meisterprüfung zu bieten habe. «Wir sind froh, wenn wir die Bäder überhaupt noch aufmachen können», sagt Voss. Viele seien auf dem Land, da reiche der Ausfall eines Beschäftigten für die Schließung.
2018/19 habe es einen großen Zuwachs in der Ausbildung von Schwimmmeistern gegeben, durch Corona seien viele in andere Branchen abgewandert. Auch die studentischen Aushilfskräfte seien durch die verschulten Studiengänge rar geworden. Eigentlich reiche für den Sommerferienjob schon der Rettungsschwimmer. «Viele Bäder wären bereit, die Rettungsschwimmausweise zu bezahlen», betont Voss.
«Das Sparen, Sparen, Sparen holt uns jetzt ein», meint Rüdiger Hinerasky von der Bädergesellschaft Böhmetal in Niedersachsen. Es sei in den vergangenen Jahren zu wenig ausgebildet und beim Personal gespart worden. Zudem schrecke junge Leute der Schichtbetrieb ab. «Wenige Auszubildende wissen, worauf sie sich einlassen», erklärt Hinerasky, der seit 40 Jahren die Bäderlandschaft kennt.
«Im Sommer müssen die Freunde manchmal zurückstehen», räumt Florian Herbst aus dem Waldschwimmbad bei Walsrode ein. Aber der Spaß im Freibad und die unterschiedlichen Erlebnisse wiegen den Wochenendverzicht während der dreimonatigen Saison auf, sagt der 42 Jahre alte Schwimmmeister.
Auch an der Küste fehlen Rettungsschwimmer
Weil nicht genügend Rettungsschwimmer zur Verfügung stehen, kann die DLRG zeitweise nicht alle Strandabschnitte an der Nord- und Ostsee überwachen. Nur rund 50 Prozent der benötigten Freiwilligen seien verfügbar, so der Sprecher des DLRG-Bundesverbands, Martin Holzhause.
Wegen der Pandemie fehle ein kompletter Jahrgang ausgebildeter Rettungsschwimmer und Rettungsschwimmerinnen. Mittlerweile laufe die Ausbildung wieder. Einige DLRG-Schwimmer würden zudem ausfallen, weil sie Studieninhalte oder Fernreisen nachholten. Die Küsten von Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern seien ähnlich stark vom Fehlen der Freiwilligen betroffen. Die Situation werde sich voraussichtlich mit dem Beginn der Ferien entspannen.
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.