Wird Bayern zum Antisemitismus-Hotspot?
Erschreckender Anstieg von judenfeindlichen Straftaten

Ein Polizeiauto steht vor einer Synagoge. | Foto: Gregor Bauernfeind/dpa/Symbolbild
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MÜNCHEN (dpa/lby) - Trotz zahlreicher Aufklärungskampagnen ist die Zahl der antisemitischen Straftaten in Bayern im vergangenen Jahr erneut stark gestiegen. Lag die Zahl der polizeilich erfassten judenfeindlichen Taten 2020 noch bei 353 - und damit bereits auf einem Höchststand - kletterte die Zahl binnen eines Jahres um mehr als 44 Prozent auf 510.

Das geht aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine Landtagsanfrage von Markus Rinderspacher (SPD) hervor, die der Deutschen Presse-Agentur in München vorliegt. Die Zahl der antisemitischen Straftaten im Freistaat steigt damit seit Jahren stark an. 2019 hatte sie bei 307 gelegen, 2018 bei 219. Den Angaben des Innenministeriums zufolge waren im vergangenen Jahr von den 510 Straftaten 472 rechtsextremistisch motiviert. Das entspricht einem Anteil von mehr als 92 Prozent.

Erschreckende Entwicklung

«Die Wahrheit ist: Viele in der jüdischen Gemeinschaft sind längst nicht mehr schockiert», sagte Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, der Deutschen Presse-Agentur. «Sie spüren seit Jahren, dass das gesellschaftliche Klima sich an vielen Stellen in die falsche Richtung entwickelt, und sie sehen seit langem Anzeichen für eine wachsende Bedrohung.» Auch der bayerische Antisemitismus-Beauftragte Ludwig Spaenle (CSU) äußerte sich besorgt.

Knobloch betonte, politische Tabubrüche, verbale und auch körperliche Übergriffe gegen jüdische Menschen seien inzwischen traurige Normalität. «Es passt ins Bild, dass die überwältigende Mehrheit der Straftaten aus dem rechten Spektrum kommt: Diese Gruppierungen haben in den vergangenen Jahren durch das Aufkommen der rechtsextremen AfD massiven Auftrieb erhalten.» All diese Trends würden durch die Pandemie noch einmal verstärkt, die über Online-Messenger und Soziale Medien wilde Verschwörungstheorien mit antijüdischen Inhalten bis in die Mitte der Gesellschaft transportiert habe.

Für Knobloch ist der Staat daher als Sicherheitsgarant für seine jüdischen Bürger gefordert: «Das Problem ist zwar inzwischen erkannt, der Kampf gegen Judenhass kann aber nur als gemeinschaftliche Anstrengung von Politik, Gesellschaft und Justiz gelingen. Damit jüdische Menschen sich in ihrer Heimat wieder sicher fühlen können, muss die Zahl judenfeindlicher Straftaten spürbar sinken.»

Was kann die Politik tun?

Rinderspacher forderte eine konsequente strafrechtliche Verfolgung von judenfeindlichen Straftaten und die Stärkung von Prävention und politischer Bildung: «Fast alle Verbrechen sind rechtsextremistisch motiviert. Hass und Hetze und die hohe Zahl von antisemitischen Straftaten in Bayern sind alarmierend», betonte er. Judenfeindliche Straftäter dürften nicht davonkommen, sondern müssen schnell und konsequent ermittelt und bestraft werden.

In der Auswertung des Innenministeriums werden ferner 198 Straftaten im Internet verortet, die Dunkelziffer dürfte auch hier weit höher sein. «Das Internet darf nicht länger ein Tummelplatz von judenfeindlichen Hetzern sein, sondern muss Regeln haben, die wie im öffentlichen Raum kontrolliert werden können», sagte Rinderspacher.

Rinderspacher begrüßte die seit Februar geltende Pflicht sozialer Netzwerke, Hass- und Hetzbeiträge an die Behörden zu melden und forderte eine konsequente Umsetzung. Meldepflichtig sind etwa Nachrichten, die Straftaten androhen, gegen Bevölkerungsgruppen hetzen, Gewalt darstellen und das Leben, die sexuelle Selbstbestimmung und die persönliche Freiheit anderer bedrohen.

Die Staatsregierung hatte in der Vergangenheit wiederholt jeder Form von Antisemitismus den Kampf angesagt. Erst am vergangenen Freitag hatten bayerische Behörden wegen Hass und Hetze im Internet Durchsuchungen durchgeführt.

Negativtrend nicht auf Bayern beschränkt

«Diese dramatische Entwicklung mit ihren Parallelen auf Bundesebene und in vielen Ländern in Deutschland bereitet mir größte Sorgen und verlangt danach, die Arbeit gegen den Judenhass weiter zu verstärken», sagte Antisemitismus-Beauftragter Spaenle. Nach Einschätzung des früheren Kultusministers ist der Anstieg antisemitischer Straftaten durch mehreren Faktoren bedingt, zu denen Spaenle neben rechtsextremer Internet-Propaganda auch die Vorstellungen von Gegnern der Coronapolitik zählte. Weitere Quellen des Antisemitismus seien islamistische Ideologien sowie fundamentale Israel-Kritik. «Wir dürfen das nicht dulden», sagte Spaenle.

Autor:

Victor Schlampp aus Schwabach

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