Vogelspinne statt Streichel-Alpaka
Exotische Therapie-Tiere im Seniorenheim
Von Stephanie Lettgen, dpa
Barsbüttel (dpa) - Ganz langsam krabbelt Vogelspinne Thekla mit ihren haarigen Beinen über die Hand der 93-jährigen Anne Hauerwaas. Die Seniorin hat all ihren Mut zusammengenommen. «Früher bin ich nicht ins Bett gegangen, wenn da eine Spinne war, aber die ist süß», sagt sie lächelnd, bevor ihr die Vogelspinne wieder vorsichtig abnimmt. Der 42-Jährige bietet tiergestützte Therapie regelmäßig in Senioreneinrichtungen in Norddeutschland an. Dieses Mal ist er mit exotischen Tieren zu Gast im Senioren- und Therapiezentrum im schleswig-holsteinischen Barsbüttel vor den Toren Hamburgs.
Auch Dieter Berg zeigt keine Angst und willigt ein, dass die Vogelspinne auf seinem Kopf Platz nehmen darf. «Da war doch nichts dabei», sagt der 81-Jährige anschließend gelassen. In einem Stuhlkreis sitzen mehr als 20 Bewohnerinnen und Bewohner zusammen und lauschen, was Weseloh ihnen Interessantes über die Tiere erzählt. «Vogelspinnen haben einen schlechten Ruf abbekommen», erklärt der Tiertrainer aus dem niedersächsischen Drochtersen. Sie seien aber nicht giftiger als eine Wespe.
Für Heiterkeit sorgt Weißhauben-Kakadu Sammy, der auf mehreren Schultern Platz nimmt und «Hallo» ruft. Gerda Hachmann lässt sich mutig Boa Constrictor Lilly um den Hals legen. Die mehr als zwei Meter lange Würgeschlange zeigt ihre Zunge und gleitet langsam an den Armen der 95-Jährigen herab. Hachmann berührt das respekteinflößende Tier mit den Fingern und stellt fest: «Die fühlt sich gut an, warm und glatt.»
Exotische Tiere: «Aha-Effekt ist viel größer»
Kontakt zu Streicheltieren wie Hasen und Katzen, die die Bewohner früher zum Teil selbst einmal als Haustiere besaßen, gebe es öfters, sagt Thomas Wessel, Leitung der Therapie in der Einrichtung. Doch die Begegnung mit den exotischen Tieren sei etwas anderes. «Der Aha-Effekt ist viel größer.» Die Begegnung bringe Abwechslung in den manchmal grauen Alltag - gerade für Menschen, die keine Angehörigen mehr hätten.
Alpakas, Kaninchen oder Hühner - deutschlandweit gibt es inzwischen in Senioren-Einrichtungen vielerorts Angebote, weiterhin Kontakt mit Tieren zu haben. Es seien aber immer noch zu wenige, teilte der BIVA-Pflegeschutzbund, eine bundesweite Interessenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen in Bonn, auf Anfrage mit. «Zu oft scheitern solche Angebote an Bedenken bezüglich der Hygiene.» Den Bedenken gegenüber stünden aber die positiven therapeutischen Zwecke.
Tiertrainer Weseloh besitzt Hunderte Tiere. Es werde genau ausgewählt, welches bei solch einem Termin dabei sein könne, sagt Weseloh. Zeige ein Tier kein Interesse, brauche es nicht mitzufahren. Bei den Papageien gebe es manchmal Streitereien, wer zuerst in der Transportbox sei. «Sie haben im Laufe der Zeit mitbekommen, dass es eigentlich ganz cool ist mitzukommen.» Man werde gekrault, gestreichelt und bekomme auch ein Leckerli.
Türöffner, um ins Gespräch zu kommen
Für großes Staunen sorgt Stinktier Emma. Bei der 90-jährigen Gisela Schneider darf das Tier - sicherheitshalber auf einer kleinen Decke - Platz nehmen, die Sitznachbarin hatte zuvor skeptisch abgewunken. «Ich liebe Tiere», sagt Schneider und streichelt über das schwarz-weiße Fell. «Schmuser» nennt sie das erst ein halbes Jahr alte Stinktier und sagt scherzend zum Tiertrainer: «Den kriegen sie nicht wieder.»
Nach dem Sitzkreis besucht Weseloh mit einem tierischen Begleiter Bewohner, die ihr Zimmer nicht verlassen können oder wollen. «Wir hören dann viel zu», berichtet Weseloh. Denn oftmals sei so ein Tier ein Türöffner, um ins Gespräch zu kommen. «Hübsches Tier», sagt Petra Delfs, als sie in ihrem Zimmer Bartagame Horst anfasst. Die Bewohner sind schon jetzt gespannt, welche Tiere Weseloh beim nächsten Mal dabei hat.
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.