Seelsorger aus der Stadt Fürth und dem Landkreis berichten
Einsames Sterben und verzweifelte Angehörige

Sterbebegleitung, Beisetzung, Trauer. In Zeiten der Corona-Krise kommt es zu sehr belastenden Situationen. | Foto: Deutsche Friedhofsgesellschaft
  • Sterbebegleitung, Beisetzung, Trauer. In Zeiten der Corona-Krise kommt es zu sehr belastenden Situationen.
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FÜRTH (pm/ak) - Manche Menschen sind in den vergangenen Wochen aufgrund der Corona-Auflagen einsam gestorben. Zurück bleiben in diesen Fällen verzweifelte und wütende Angehörige. Pfarrer und Pfarrerinnen berichten von teilweise sehr schwierigen Bedingungen in Heimen und Krankenhäusern beim Abschiednehmen aufgrund der Quarantänebestimmungen.

Dr. Benedikt Bruder, Pfarrer in St. Peter und Paul in Poppenreuth hat miterlebt, wie sehr Menschen unter den andauernden Quarantäne-Maßnahmen leiden, wenn sie ihre schwer kranken Angehörigen nicht besuchen dürfen. Dazu komme oft die Sorge, dass für einen an Corona Verstorbenen besondere Richtlinien zur Bestattung nach dem Infektionsschutzgesetz gelten. Ein Abschied am offenen Sarg ist dann u.a. nicht möglich.

Inhuman für die Sterbenden und die Angehörigen sei das restriktiv ausgelegte Besuchsverbot in Pflegeheimen und Krankenhäusern, meint Reiner Redlingshöfer, Pfarrer von der Paul-Gerhardt-Kirche in Stein / Deutenbach. Er erzählt von ihm bekannten Familien, die sich intensiv um ihre pflegebedürftigen Angehörigen gekümmert haben. Ihnen wurde der Kontakt beim etwa 14tägigen Sterbeprozess verwehrt. Eine Sterbende hatte zu Beginn des Sterbeprozesses im Telefongespräch dringend um Besuch gebeten. "Warum kommst Du nicht?", wollte sie wissen. Wegen ihrer Demenz konnte sie nicht verstehen, warum sie nicht mehr besucht werden durfte.

„Neben Aggression gegen die Verantwortlichen - in einem Fall hieß es in der Todesanzeige: Wir durften von ihr nicht Abschied nehmen -, führt dies bei den Angehörigen nicht selten auch zu Schuldgefühlen, die Sterbenden alleine gelassen zu haben“, hält Reiner Redlingshöfer fest.

Von dramatischen Situationen berichtet auch Friedrich Schuster, Dekan der Region Nord/Dekanat Fürth in Langenzenn, wo im örtlichen Seniorenheim aktuell 23 Personen an Corona gestorben sind, davon 16 Evangelische. Trauergespräche werden telefonisch geführt, wenn Hinterbliebene Corona-Kontaktpersonen sind, teilweise im Freien auf der Terrasse und mit ausreichend Abstand. Dabei verstehen die älteren Hinterbliebenen manchmal die Seelsorger gar nicht, weil diese mit Mund-Nasen-Schutzmaske sprechen müssen.
„Wir arbeiten momentan durch um die Beerdigungen halten zu können. Dabei erleben wir nicht nur Trauer über den Verlust, sondern auch große Betroffenheit, weil Hinterbliebene nicht beim Sterben dabei sein durften, weil Schutzkleidung gefehlt hat.“

Urnenbeisetzungen würden verschoben, die Trauer hinge in der Luft, sie habe zunächst keinen Ort (Grab). Der Dekan fragt sich, ob man Wochen später als Seelsorger noch anknüpfen könne an der Trauer der Hinterbliebenen.

Almut Held, Dekanin in der Region Süd/Dekanat Fürth, verweist darauf, dass das Ritual, am Sonntag nach der Trauerfeier im kleinsten Kreis in die Kirche zu gehen und mitzuerleben, dass die verstorbene Person abgekündigt und eine Kerze für sie angesteckt werde, normalerweise von fast allen Angehörigen gerne in Anspruch genommen werde. Die Aussicht auf ein individuelles Gedenken in der Kirche zu einem späteren Zeitpunkt werde als hilfreich und tröstlich erlebt.

Überhaupt kein Verständnis fände weder bei Hinterbliebenen noch bei Geistlichen die Vorschrift, dass Urnen auch bei Beachtung aller Auflagen derzeit nicht beigesetzt werden dürften.

Deutlich erlebt Dekan Friedrich Schuster die Wut über ein kommerzialisiertes Gesundheitssystem, das in erster Linie über Fallzahlen geregelt sei und nicht ausreichend den Menschen sehe: So sei eine betagte Seniorin mit Halswirbelfraktur nach wenigen Tagen nach Hause „entlassen“ worden, eigentlich hinausgeschmissen, so Schuster, weil sie nicht mehr operiert werden konnte und alle Betten für Corona-Patienten freigehalten werden mussten, die dann nicht kamen. Für die Familie sei es ein traumatisches Erlebnis gewesen, hier alleine gelassen zu werden – auch mit der Pflege.

So seien für die Hinterbliebenen viele Fragen weiterhin offen: Warum gibt es so viele Tote in Pflegeheimen? Zu wenig Schutzkleidung? Zu wenig Tests? Zu viele Gemeinschaftsflächen? Zu viel Austausch der Mitarbeitenden?

Die drei evangelischen Dekane im Dekanat Fürth, Almut Held, Friedrich Schuster und Jörg Sichelstiel, sehen und würdigen das Bemühen aller von der Situation betroffenen Einrichtungen. Gerade deshalb fragen sie nach den Rechten der Sterbenden und fordern würdevolle und angemessene Rahmenbedingungen für den Abschied von der eigenen Familie.

Der Fürther Oberbürgermeister Dr. Thomas Jung und Landrat Matthias Dießl unterstützen das Anliegen der Dekane, die darauf hinweisen, dass das Urteil des BVerfG zur geschäftsmäßigen Sterbehilfe das Recht der Sterbenden sehr hoch gehängt habe.

Zu diesem Recht gehöre auch, Angehörige sehen zu dürfen. Der Staat stünde nach diesem Urteil in der Pflicht, das zu ermöglichen und müsse die entsprechenden Bedingungen gewährleisten:

- Schutzkleidung für Angehörige
- Schutzkleidung für das Personal
- Schnelltests für Pflegepersonal mit Priorität bei der Testbearbeitung
- Tests für Angehörige

Die Kirchenvertreterinnen und – vertreter fragen deshalb auch, warum es nicht mehr Tests für Pflegende und Angehörige an der mobilen Teststation in Fürth gibt, da diese doch über freie Kapazitäten verfüge.

Die Sterbenden werden keine Klage mehr einreichen können. Die Angehörigen auch nur mehr im Nachhinein.

Autor:

Arthur Kreklau aus Fürth

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