Top-Ökonom Otmar Issing hält Festrede
Verleihung des Fürther Ludwig-Erhard-Preises 2023

Prof. Stefan Hähnel, Dr. Benjamin Arold, Evi Kurz, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Otmar Issing (v.l.). | Foto: Ludwig Erhard Zentrum
12Bilder
  • Prof. Stefan Hähnel, Dr. Benjamin Arold, Evi Kurz, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Otmar Issing (v.l.).
  • Foto: Ludwig Erhard Zentrum
  • hochgeladen von Arthur Kreklau

FÜRTH (pm/ak) - Am 18. September 2023 hat der Ludwig-Erhard-Initiativkreis Fürth e.V. zum 20. Mal den Fürther Ludwig-Erhard-Preis an Nachwuchswissenschaftler verliehen. Die mit 5.000 Euro dotierte Auszeichnung geht in diesem Jahr an Dr. Benjamin Arold. Mit seiner Dissertation an der Ludwig-Maximilians-Universität München über den Einfluss von Lehrplänen auf Bildungs- und Lebenswege hat er die Jury überzeugt.

Der Fürther Ludwig-Erhard-Preis wird seit 2003 als Anerkennung für praxisnahe wissenschaftliche Leistungen verliehen und soll den Dialog zwischen Universitäten und Anwendern von wissenschaftlichen Ergebnissen fördern. Um den Preis können sich frisch promovierte Wissenschaftler mit Dissertationen bewerben, deren Ergebnisse innovativ und für die Praxis relevant sind sowie bedeutenden Nutzen für Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt versprechen.

Für die Ausschreibungsrunde 2023 haben sich 14 Wissenschaftler von 11 verschiedenen Hochschulen beworben. Alle Arbeiten wurden von den Doktorvätern und -müttern mit magna oder summa cum laude bewertet. Bei der Preisverleihung im Fürther Stadttheater wurden jene drei Wissenschaftler mit ihren Dissertationen ausgezeichnet, die nach Auffassung der Jury die Kriterien des Preises am besten erfüllen.

Die Dissertation des diesjährigen Preisträgers Dr. Benjamin Arold analysiert die Auswirkungen von Lehrplänen auf die weitere Entwicklung von Schülerinnen und Schülern. „Die Arbeit zeigt in beindruckender Weise, welchen Einfluss Lehrpläne auf die Bildungs- und Lebenswege von Schülerinnen und Schülern haben. Die Curricula entscheiden letztlich, welche Kompetenzen in den Schulen vermittelt werden. Kompetenzen, die uns auch als Gesellschaft helfen können, anstehende Herausforderungen zu bewältigen“, sagte Evi Kurz, Vorsitzende des Ludwig-Erhard-Initiativkreises, bei der Preisverleihung im Fürther Stadttheater. Nach seiner Auszeichnung betonte Arold noch einmal die Wichtigkeit von Bildung für die Lösung der Probleme unserer Zeit wie den Fachkräftemangel oder die Digitalisierung. Insbesondere beim Thema KI sieht der Preisträger große Defizite und appellierte an die Verantwortlichen, dieses Thema möglichst schnell in die Lehrpläne aufzunehmen.

Neben dem Preisträger wurden Dr. Alexander Daminger (Über die Auswirkungen von Wohneigentumsförderung auf die räumliche Verteilung von Bevölkerung, Wohnraum und Wohnungspreisen in deutschen Städten und Regionen, Universität Regensburg) und Dr. Martin Friedrich (Der Niedriglohnsektor in Deutschland – Ursachen, Auswirkungen und Politik, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) von der Jury nominiert. Für die Nominierung gibt es ein Preisgeld in Höhe von 1.000 Euro.

Bei der Preisverleihung in Fürth halten regelmäßig namhafte Politiker und einflussreiche Ökonomen, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel oder die Ökonomen Veronika Grimm und Lars Feld, die Festreden.
Die diesjährige Festrede hielt Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Otmar Issing, Präsident des Center for Financial Studies, Frankfurt und ehemaliges Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Direktoriums der Deutschen Bundesbank, zum Thema „75 Jahre Wirtschafts- und Währungsreform“.

Zusammenfassung der Festrede von Otmar Issing:

Der Markt braucht wieder mehr Selbstregulierung

Den Markt wieder mehr der Selbstregulierung zu überlassen – dazu forderte der renommierte Ökonom Otmar Issing anlässlich der Verleihung des Fürther Ludwig-Erhard-Preises am 18. September auf. Die von Ludwig Erhard 1948 eingeleitete Freigabe der Preise sei die Grundlage des heutigen Wohlstands der Bundesrepublik. Dieser dürfe nicht leichtfertig durch uneinlösbare Versprechen der Politik aufs Spiel gesetzt werden, mahnte der Präsident des Center for Financial Studies (Frankfurt) bei seiner Festrede in Fürth an. Der Preis wurde in diesem Jahr zum 20. Mal verliehen. Er richtet sich an junge Wirtschaftswissenschaftler, die sich in ihren Dissertationen im Sinne Ludwig Erhards mit neuen Lösungen zur Marktwirtschaft auseinandersetzen, die innovativ und praxisnah zugleich sind.
Der Blick in die Vergangenheit ist manches Mal unabdingbar, um gute Entscheidungen für die Zukunft zu treffen. Für den Top-Ökonomen Otmar Issing sind es im Kern zwei Ereignisse, die die wirtschaftliche Stärke Deutschlands nach dem zweiten Weltkrieg begründeten: zum einen die von den Alliierten eingeleitete Währungsreform, die am 20. Juni 1948 in Kraft trat. Der zweite, wichtige Schritt, der in seiner Bedeutung nicht genug gewürdigt werden könne, ist für Issing die von Ludwig Erhard eingeleitete Wirtschaftsreform.
Durch die Währungsreform konnten alle Bürgerinnen 40 Reichsmark gegen 40 Deutsche Mark eintauschen. So eng bemessen dieser Betrag scheint – er beseitigte ein großes Inflationspotenzial und begünstigte damit eine stabile Geldwertentwicklung. Parallel dazu initiierte der aus Fürth stammende Ludwig Erhard eine Wirtschaftsreform. Als Direktor der Verwaltung für Wirtschaft hob Erhard eigenmächtig das Bezugsscheinsystem auf und sorgte so für eine freie Preisbildung – ohne Zustimmung der Militärregierung. „Erhard stand damit so gut wie allein da. Es war eine sehr mutige Entscheidung“, konstatiert Issing, ehemaliger Chefvolkswirt von EZB und Bundesbank.
Die Folgen der Währungs- und Wirtschaftsreform wirkten unmittelbar und führten zum sogenannten Wirtschaftswunder, „das keines war, sondern eine Folge dieser vorausschauenden Entscheidungen“. Damit sei auch die Grundlage geschaffen worden, die rund zwölf Millionen Flüchtlinge der Nachkriegszeit in Deutschland zu integrieren.
Ein Thema, das für den renommierten Wirtschaftswissenschaftler heute so aktuell ist wie damals: Stabilität zu schaffen, um Menschen zu integrieren – nicht nur in das Land, sondern auch und vor allem in den Arbeitsmarkt. „Marktwirtschaft ist immer sozial, weil sie Arbeitsplätze schafft. Nur wer sich aus eigener Kraft seinen Lebensunterhalt nicht verdienen kann, muss unterstützt werden.“
Den Aufruf Erhards zum „Maßhalten“ 1965, als das stetige Wirtschaftswachstum eine Delle erfuhr, möchte Issing dieser Tage noch einmal erneuern – und richtet ihn vor allem an die Politik. Er macht einen leichtfertigen Umgang mit Errungenschaften der vergangenen Jahre aus wie den unter Bundeskanzler Gerhard Schröder angestoßenen Reformen.
So sei das vor knapp einem Jahrzehnt eingeführte Gesetz zur Rente mit 63 „eines der schlimmsten Gesetze, die in Deutschland je erlassen wurden“, so der Top-Ökonom. „Es veranlasst jedes Jahr rund 200.000 arbeitswillige und weitgehend arbeitsfähige Menschen, den Arbeitsmarkt vorzeitig zu verlassen.“ So aber erhielten sie ein Angebot, dass man nicht ausschlagen könne. „Die Politik hält weiter an dem Gesetz fest, obwohl es den Fachkräftemangel befördert.“ Und das zudem höchst ungerecht sei. Es belastet die klamme Rentenkasse in zweifacher Hinsicht: durch immense Mehrkosten und den Wegfall an Einnahmen. Getragen werden müssen dies von der jüngeren Generation, die selbst keine Chance haben, ähnliche Bedingungen vorzufinden. „Die Folgen dieses Gesetzes hätte man kommen sehen können.“
Eine Entwicklung in die falsche Richtung sieht er auch durch das neue Heizungsgesetz gegeben, das am grünen Tisch entworfen wurde. Dieses nach dem Willen der Politik bis ins Einzelne zu gestalten, hält er für beunruhigend. „Warum lässt man die Ergebnisse nicht offen? Warum lässt man nicht den Markt nach Lösungen suchen, eingebettet in eine staatliche Rahmenordnung verbunden mit Anreizen?“
Wirtschaftliche Stabilität und Maßhalten – für Issing zwei wichtige Grundpfeiler der Demokratie. So hält er die in der Pandemie sowie in der Ukraine-Krise getätigten Aussagen der großen Koalition, „niemanden zurückzulassen“, für nicht einlösbare Versprechen. Es suggeriere, dass alle Nachteile durch öffentliche Hilfen ausgeglichen werden und „schafft bei den Menschen eine Erwartung, die die Politik nicht erfüllen kann.“ Durch die Pandemie und den Verlust günstigen Gases habe Deutschland einen Wohlstandsverlust erlitten, der auf vier bis fünf Prozent des Bruttosozialproduktes geschätzt wird. „Enttäuschte Politik hat wesentlich zum Verfall der Weimarer Republik beigetragen.“
Zu völligem Pessimismus sieht Otmar Issing dennoch keinen Anlass. „Die Politik muss handeln und klar machen, dass wir jetzt erst einmal durch ein Tal hindurchmüssen. Vor allem aber muss das Verständnis für eine soziale Marktwirtschaft in Deutschland wieder befördert werden.“

Autor:

Arthur Kreklau aus Fürth

Webseite von Arthur Kreklau
Arthur Kreklau auf Facebook
Arthur Kreklau auf Instagram
Arthur Kreklau auf X (vormals Twitter)
following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

24 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.