Schäuble nur noch Alterspräsident ++ 1. Grüne Bundespräsidentin?
Bärbel Bas (SPD) wird Bundestagspräsidentin - das ist jetzt schon sicher
BERLIN (dpa) - Der neue Bundestag kommt 30 Tage nach der Wahl heute erstmals zusammen und nimmt seine Arbeit auf. Er wird in der konstituierenden Sitzung seine Geschäftsordnung - also die Regeln für seine Arbeit - beschließen und vor allem ein neues Präsidium wählen.
Der Tag begann mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Berliner St. Marienkirche. Ihn leiteten der Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Martin Dutzmann, und der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Prälat Karl Jüsten.
Schäuble eröffnet Sitzung
Um 11.00 Uhr wird Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble die erste Sitzung des neu gewählten Bundestags eröffnen. Damit beginnt die 20. Wahlperiode. Schäuble dürfte in seiner Rede den Abgeordneten für die kommenden vier Jahre einiges ins Stammbuch schreiben. Der 79 Jahre alte CDU-Politiker sitzt seit 1972 im Bundestag und ist damit dessen Alterspräsident. Schäuble wäre gern Bundestagspräsident geblieben - doch dieses Amt geht traditionell an die stärkste Fraktion und damit jetzt an die SPD. So muss er sich nun damit begnügen, die Sitzung bis zur Wahl des neuen Bundestagspräsidenten zu leiten - und dann Platz für den Nachfolger machen.
Wahl des neuen Bundestagspräsidenten
Das wird diesmal eine Frau werden - erst die dritte in der Geschichte des Bundestags nach Annemarie Renger (SPD) und Rita Süssmuth (CDU). Die SPD hat ihre Abgeordnete Bärbel Bas nominiert. Ihre Wahl gilt als sicher, da üblicherweise die anderen Fraktionen diese Personalentscheidung mittragen. Bas wird nach ihrer Wahl die Sitzungsleitung übernehmen und in ihrer ersten Rede die Akzente für ihre Amtsführung setzen.
Auch bei den Vizepräsidenten des Bundestags wird es neue Gesichter geben. Die Unionsfraktion hat dafür die CDU-Politikerin Yvonne Magwas nominiert, die SPD-Fraktion die frühere Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoğuz. Daneben wird es bei drei bekannten Vizepräsidenten bleiben: Claudia Roth von den Grünen, Petra Pau von der Linken und Wolfgang Kubicki von der FDP. Auch sie wurden von ihren Fraktionen wieder aufgestellt und werden voraussichtlich jeweils mit großer Mehrheit gewählt werden.
Beschluss der Geschäftsordnung
Geschäftsordnung - klingt bürokratisch, ist aber für das Funktionieren des Bundestages enorm wichtig. Sie regelt den Parlamentsbetrieb. Das reicht von den Befugnissen des Präsidenten bis hin zur Verhängung von Sanktionen wie Ordnungsrufen und einem Ordnungsgeld oder dem Ausschluss von Abgeordneten von Sitzungen. Zu Beginn jeder Wahlperiode beschließt der Bundestag neu über die Geschäftsordnung.
Die Regierungsbank wird ein ungewohntes Bild bieten - sie bleibt leer. Denn Artikel 69 des Grundgesetzes legt eindeutig fest: «Das Amt des Bundeskanzlers oder eines Bundesministers endigt in jedem Fall mit dem Zusammentritt eines neuen Bundestags (...)»
Bundespräsident spielt wichtige Rolle
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier will an der konstituierenden Sitzung des neuen Bundestags teilnehmen. Er wird aber im Anschluss noch eine tragende Rolle spielen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Kabinett werden nach der Sitzung ins Schloss Bellevue fahren und dort ihre Entlassungsurkunden ausgehändigt bekommen. Da die neue Regierung noch nicht steht, wird Steinmeier anschließend Merkel damit beauftragen, die Amtsgeschäfte bis zur Ernennung eines Nachfolgers weiter zu führen. Die Regierung bleibt damit geschäftsführend weiter im Amt.
Die Sitzung des Bundestags findet unter 3G-Bedingungen statt. Nur Abgeordnete, die geimpft, genesen oder frisch getestet sind, bekommen Zugang zum eigentlichen Plenarsaal. Wer dies nicht nachweisen kann oder will, kann allenfalls auf einer dafür vorgesehenen Zuschauertribüne Platz nehmen.
Noch mehr Abgeordnete
Ohnehin wird es eng werden im Reichstagsgebäude. Denn der Bundestag ist bei der Wahl nochmals gewachsen - von 709 auf 736 Abgeordnete. Im Plenarsaal wurden daher 40 zusätzliche Stühle montiert. Der Bund der Steuerzahler protestierte am Abend vor der Sitzung mit einer Lichtprojektion gegen die Größe des Parlaments und forderte eine Wahlrechtsreform. «XXL-Bundestag stoppen! 500 Abgeordnete sind genug!», war am Abend für rund 15 Minuten am Paul-Löbe-Haus im Berliner Regierungsviertel zu lesen.
Wer ist Bärbel Bas?
Die SPD-Gesundheitspolitikerin Bärbel Bas soll künftig an der Spitze des Bundestags stehen. Die SPD-Fraktionsspitze schlägt die 53-Jährige für das Amt der Bundestagspräsidentin vor, eines der ranghöchsten im deutschen Staat. Um die Personalie war in den vergangenen Tagen hart gerungen worden - weil sie ein «Frauenproblem» der SPD offenbarte und sich sogar bis hin zum Bundespräsidenten hätte auswirken können.
Unter den Frauen in der Fraktion drängte sich zunächst keine Kandidatin mit genügend Parlamentserfahrung für das prestigeträchtige Amt auf. Zwar hat die SPD-Fraktion mit 42 Prozent eine vergleichsweise hohe Frauenquote - viele von ihnen sind aber noch jung oder gar gerade erst in den Bundestag eingezogen. Auch die Fraktionsvizes Bas und Katja Mast galten zunächst als wenig geeignet. Eher traute man das Amt Fraktionschef Mützenich zu, der mit seiner besonnenen und vermittelnden Art auch bei den anderen Fraktionen geschätzt wird. Doch offenkundig hatte Mützenichs Umfeld den Gegenwind unterschätzt - Frauen in der SPD und darüber hinaus übten Druck aus, das Amt unbedingt mit einer Frau zu besetzen. Bisher gab es seit 1949 lediglich zwei Bundestagspräsidentinnen: die Sozialdemokratin Annemarie Renger (1972-1976) und die Unionspolitikerin Rita Süssmuth (1988-1998).
Bislang ist Bas stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten und als solche zuständig für die Themen Gesundheit, Bildung und Forschung. 2019 hatte sie den SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach in dem Amt abgelöst, als dieser für den Parteivorsitz kandidierte. Nach außen hin trat die gelernte Personalmanagerin seitdem eher ruhig auf, profilierte sich aber in der Corona-Krise und warb immer wieder für konsequente Maßnahmen. Bei der Bundestagswahl verteidigte die SPD-Linke ihr Direktmandat im Wahlkreis Duisburg I. Mit 40,35 Prozent holte Bas fast doppelt so viele Stimmen wie ihr Konkurrent von der CDU. Fraktionschef Rolf Mützenich brachte schließlich Bas für das Amt ins Spiel. Bundestagspräsident ist nach dem Bundespräsidenten und noch vor dem Kanzler eines der höchsten Ämter im deutschen Staat. Gewählt wird die Präsidentin oder der Präsident vom Bundestag, die wichtigste Aufgabe ist die Leitung der Plenarsitzungen. Das Amt wird für gewöhnlich von der größten Fraktion besetzt, fällt nach der Bundestagswahl also der SPD zu.
Mit Bas soll nicht nur eine Frau an der Spitze stehen, auch unter den Vizepräsidenten, die jede Fraktion stellt, werden mehrere Frauen sein. Die SPD will die frühere Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoğuz, nominieren. Bei den Grünen bewirbt sich erneut Claudia Roth.
Erste grüne Bundespräsidentin?
Die Wahl des Bundespräsidenten steht im Februar 2022 an. Der von der SPD vorgeschlagene und bisher von CDU/CSU wie FDP unterstützte Steinmeier hat bereits gesagt, dass er noch einmal antreten will. Als weibliche Alternative wurde immer wieder Katrin Göring-Eckardt genannt, Fraktionschefin der Grünen und früher Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Sie wäre nicht nur die erste Frau, sondern auch die erste Grüne im höchsten Staatsamt.
So ganz vom Tisch ist die Option weiterhin nicht, denn drei ranghohe Staatsämter in SPD-Hand könnten für eine 25-Prozent-Partei recht viel sein. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass das Amt in den Koalitionsverhandlungen von SPD, Grünen und FDP noch zur Verhandlungsmasse wird. Mützenich sprach sich jedoch dagegen aus. «Sie wissen, wie groß die Hochschätzung in der Bevölkerung für den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier ist», sagte er. «Deswegen kann ich nur empfehlen, in den Gesprächen dieses höchste Staatsamt mit einer so hohen Anerkennung für den jetzigen Bundespräsidenten nicht zum Gegenstand noch von weiteren politischen Debatten zu machen.»
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