Geiselnahme auf Hamburger Airport beendet
Bildergalerie: 35-jähriger Türke schoss um sich und warf Brandsätze
HAMBURG (dpa/nf) - Glückliches Ende einer mehr als 18-stündigen Nervenschlacht am Hamburger Flughafen: Eine Geiselnahme ist am Sonntagnachmittag auf dem Rollfeld unblutig zu Ende gegangen. «Der Mann hat mit seiner Tochter (4) das Auto verlassen, ist auf Einsatzkräfte zugegangen, in dem Moment ist der Zugriff geglückt», sagte Polizeisprecherin Sandra Levgrün. Das Kind sei nun sicher und scheine auch unverletzt zu sein.
Geiselnehmer Salman E. verlangte, mit seiner Tochter in die Türkei fliegen zu können
Der Tatverdächtige sei in Obhut der Polizei, sagte Levgrün. «Es wird jetzt noch geguckt, ob er mögliche Sprengkörper noch irgendwie an sich trägt oder bei sich trägt oder ob sie noch im Auto vorhanden sind.» Das sei noch nicht abgeschlossen. Zum Gesundheitszustand des Mannes sagte die Sprecherin: «Wir gehen im Moment davon aus, dass er unverletzt ist, aber er ist noch am Boden liegend in Obhut der Polizeikräfte.»
Passagiere schildern Ängste
«Beängstigend», «gruselig» - so schilderten Passagiere, die aus ihren Maschinen geholt wurden, ihre Eindrücke. Eine junge Frau, die nach Mallorca fliegen wollte, sagte der dpa, sie habe ein Feuer gesehen und erst gedacht, das werde schnell wieder gelöscht. Dann habe sie gehört, es gebe einen Amoklauf, das sei schon gruselig gewesen. Tatsächlich hatte der bewaffnete Mann bei seiner Fahrt auf dem Flughafen heraus Brandflaschen geworfen, die auf dem Vorfeld Feuer auslösten.
Seit Samstagabend hatte der bewaffnete Geiselnehmer die Polizei in Atem gehalten. Der 35-jährige Salman E. durchbrach gegen 20.00 Uhr mit seinem schwarze Audi samt Tochter eine Absperrung am Tor zum Vorfeld des Airports. Er schoss auf dem Gelände in die Luft und warf Brandsätze aus dem Wagen. Mehr als 18 Stunden lang stand sein Auto danach neben einer Maschine der Turkish Airlines. Die Verhandlungen mit dem Geiselnehmer wurden auf türkisch geführt.
Vorausgegangen war laut Polizei wohl ein Sorgerechtsstreit mit der Mutter. Die Nacht hindurch und auch heute stand die Polizei in Verhandlungen mit dem Mann. Der Flugbetrieb ruhte.
Die Ehefrau des Geiselnehmers, die sich in Stade bei Hamburg aufgehalten haben soll, hatte sich nach Angaben eines Sprechers wegen möglicher Kindesentziehung bei der Landespolizei gemeldet. Die Frau hielt sich am Airport auf.
Flugbetrieb am Hamburger Flughafen
Der Flughafen war wegen der Geiselnahme weiträumig gesperrt. Nach Angaben des Flughafens waren seit dem eigentlichen Betriebsbeginn um 6.00 Uhr bis 11.00 Uhr bereits 126 Flüge gestrichen worden. Fünf Ankünfte seien zu anderen Flughäfen umgeleitet worden. Für den gesamten Tag seien eigentlich 286 Flüge - 139 Abflüge und 147 Ankünfte - mit rund 34.500 Passagieren geplant. Wie viele davon tatsächlich stattfinden können, ist laut Flughafen unklar. Bereits am Samstag waren 27 Flüge mit rund 3200 Passagieren betroffen.
Nach dem Ende der Geiselnahme am Hamburger Flughafen plant der Airport ein möglichst rasches Wiederanlaufen des Flugbetriebs. «Die Vorbereitungen für die schnellstmögliche Wiederaufnahme des Flugbetriebes laufen», hieß es auf der Homepage des Flughafens. «Wir sind in enger Abstimmung mit den Sicherheitskräften, wann die Zufahrten und Terminals wieder freigegeben werden.»
Tschentscher dankt Einsatzkräften nach Geiselnahme
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hat sich nach dem glücklichen Ende der Geiselnahme am Flughafen erleichtert gezeigt. «Die Geiselnahme auf dem Hamburg Airport ist nach langen, dramatischen Stunden beendet», schrieb Tschentscher am Sonntag auf X, früher Twitter. Er dankte der Polizei für ihren Einsatz und das besonnene Vorgehen, mit dem das vierjährige Mädchen befreit und der Täter festgenommen werden konnte. «Ich wünsche der Mutter, dem Kind und ihrer Familie viel Kraft, die schrecklichen Erlebnisse zu bewältigen.»
Kritik an Sicherheitsmängeln auf Flughäfen
Gleichwohl gab es aber auch Kritik an den Sicherheitsstandards an deutschen Flughäfen. Der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) etwa reicht das bisherige Vorgehen nicht mehr. «Es ist nur schwer vermittelbar, dass etwa Weihnachtsmärkte mit Betonbarrikaden gesichert werden, und unsere Flughäfen werden als Hochsicherheitsbereiche von Betreibern stiefmütterlich behandelt», sagt DPolG-Bundesvize Heiko Teggatz.
Im «Spiegel» sagte der Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt: «Der Hamburger Flughafen ist nicht sicher - und andere Airports in Deutschland auch nicht.» Flughäfen seien seit Jahrzehnten als bevorzugte Angriffsziele für Terroristen bekannt. Auf den Vorfeldern stünden Maschinen mit Zehntausenden Litern Kerosin im Bauch und Hunderten Passagieren an Bord.» Großbongardt bezeichnete daher die Flughafenbetreiber und Behörden als «unfassbar naiv».
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