Terror-Anschlag in Brüssel
EM-Quali abgebrochen: Abgelehnter Asylbewerber tötet zwei Fußball-Fans
BRÜSSEL (dpa) - Die ganze Nacht ist nach ihm gefahndet worden. Am Morgen dann wurde er von der Polizei in einem Café in die Enge getrieben und erschossen. Der mutmaßliche Verantwortliche für die tödlichen Schüsse auf zwei schwedische Fußballfans in Brüssel ist nun selbst tot. Es handle sich um einen 45-jährigen abgelehnten Asylbewerber aus Tunesien (seit 2019 im Land), sagte Justizminister Vincent van Quickenborne am frühen Morgen noch vor der Festnahme. Für die belgische Hauptstadt gehen Stunden voller Angst und Ungewissheit zu Ende.
Am Montagabend war der bewaffnete Mann laut der belgischen Nachrichtenagentur Belga im Norden der Innenstadt von einem Roller abgestiegen und hatte auf der Straße Schüsse abgegeben. Als mehrere Menschen in einen Hauseingang flohen, soll er sie verfolgt und auf sie geschossen haben. Die Polizei bestätigte diese Angaben zunächst nicht. Ein drittes Opfer ist laut Staatsanwaltschaft inzwischen außer Lebensgefahr. Die ganze Stadt war in Alarmbereitschaft, Menschen wurden aufgefordert, sich sofort in Sicherheit zu bringen.
EM-Quali abgebrochen - Menschen saßen im Stadion fest
Die beiden Schweden starben durch die Kugeln rund fünf Kilometer entfernt vom Brüsseler Fußballstadion, wo die Nationalmannschaften Belgiens und Schwedens in einem EM-Qualifikationsspiel gegeneinander spielten. Die Nachricht vom Tod der beiden Fußballfans verbreitete sich in der Halbzeitpause. Nach Angaben des schwedischen TV-Senders SVT wollten die Spieler beider Mannschaften das Match nicht fortsetzen. Mehrere Tausend Menschen mussten aus Sicherheitsgründen zunächst im Brüsseler Fußballstadion ausharren, bis sie evakuiert werden konnten. Ein schwedischer Fußballfan berichtete auf X, die Polizei habe dazu geraten, sich nicht als solcher zu zeigen.
Terrororganisation Islamischer Staat
Die genauen Motive für die Tat liegen noch im Dunkeln, auch wenn Regierung und Staatsanwaltschaft sehr klar von Terror sprechen. In sozialen Netzwerken wurde nach Angaben der Bundesanwaltschaft ein Beitrag einer Person geteilt, die sich als der Angreifer ausgegeben habe und behauptete, von der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) inspiriert zu sein. Zudem kursierte im Internet vielfach ein Video, das die Tat zeigen soll.
Ein Zusammenhang mit dem Krieg zwischen Israel und der islamistischen Hamas wurde am Tag zuvor noch ausgeschlossen, am Dienstag sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft dem Sender VRT: «Aber wir haben inzwischen festgestellt, dass er in seinen sozialen Medien eine Reihe von Unterstützungsbekundungen für das palästinensische Volk geteilt hat.» Das könnte also doch eine Rolle gespielt haben.
Auch die schwedische Staatsangehörigkeit der Opfer könnte nach Angaben der Bundesstaatsanwaltschaft eine Motivation für die Tat gewesen sein. In diesem Jahr hatten Menschen in Schweden und später auch in Dänemark mehrmals Koran-Exemplare verbrannt und damit wütende Reaktionen unter Muslimen ausgelöst. Für die skandinavischen Länder hatte all das diplomatischen Ärger nach sich gezogen. Der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson forderte am Tag nach dem Anschlag bessere Grenzkontrollen in der EU. Der mutmaßliche Täter habe sich vor dem Anschlag zeitweise in Schweden aufgehalten.
Wie es nun weiter geht
Am Tag nach dem Anschlag galt in Brüssel immer noch die höchste Terrorstufe. Schulen und Behörden blieben teilweise geschlossen, die Polizeipräsenz war deutlich erhöht. Auch für das restliche Land wurde die Bedrohungsstufe hochgesetzt - auf die zweithöchste. In den nächsten Tagen wird die Aufarbeitung in dem politisch tief gespaltenen Land beginnen. Im Fokus dürfte die Frage stehen: Hätte das Attentat verhindert werden können? Gerade der mögliche Zusammenhang mit dem radikalen Islamismus weckt bei vielen Brüsselern düstere Erinnerungen.
Erst vor rund vier Wochen endete der Prozess zu den Brüsseler Terroranschlägen von 2016. Drei Selbstmordattentäter des IS hatten damals Bomben am Brüsseler Flughafen Zaventem sowie in einer U-Bahn-Station im Herzen der belgischen Hauptstadt gezündet. Sie töteten über 30 Menschen, 340 wurden verletzt. Für Fassungslosigkeit bei den Hinterbliebenen sorgten damals auch Medienberichte, wonach mehrere der Angeklagten vor den Anschlägen von den belgischen Sicherheitsbehörden überwacht worden waren - und später dennoch ihre Morde begehen konnten.
Auch bei der aktuellen Bluttat war der Täter polizeibekannt - etwa im Zusammenhang mit Menschenhandel, illegalem Aufenthalt und Gefährdung der Staatssicherheit. Im Juli 2016 wurden von einer ausländischen Polizeibehörde unbestätigte Informationen übermittelt, wonach der Mann ein islamistisches Profil habe und in ein Konfliktgebiet in den Dschihad ziehen wolle, sagte der Justizminister. Solche Informationen gebe es allerdings zuhauf. Sie seien ohne Ergebnis überprüft worden. «Darüber hinaus gab es, soweit unseren Diensten bekannt, keine konkreten Hinweise auf eine Radikalisierung», hieß es.
Von Katharina Redanz, Regina Wank und Marek Majewsky, dpa
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