Drogen, Lügen, Nötigung
Ex-Polizisten zu Bewährung verurteilt!

Das Polizeipräsidium in der Innenstadt der bayerischen Landeshauptstadt.
Foto: Peter Kneffel/dpa
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MÜNCHEN (dpa/mue) - Sie habe in Abgründe geblickt, die sie nicht für möglich gehalten hätte, sagte Richterin Cornelia Amtage, nachdem sie ihr Urteil verkündet hatte. Die Chats zwischen den Angeklagten und weiteren Polizeikollegen seien menschenverachtend und abscheulich gewesen.


Das Amtsgericht München hat zwei suspendierte Polizisten zu Bewährungsstrafen verurteilt. Es verhängte jeweils ein Jahr und acht Monate Haft für die beiden Männer – unter anderem wegen Verfolgung Unschuldiger. Der Jüngere wurde auch wegen Überlassung und Besitz von Betäubungsmitteln (Kokain) verurteilt sowie wegen Nötigung, weil er einem 2019 in Gewahrsam genommenen Mann gedroht haben soll. 


Die Ermittlungen gegen die 1984 und 1993 geborenen Ex-Polizisten hatte die so genannte «Soko Nightlife» im Rahmen des Anfang 2020 bekannt gewordenen Drogenskandals im Münchner Polizeipräsidium geführt. Dabei wurden die Ermittler auf Chatnachrichten aufmerksam, die nahelegten, dass die beiden Beamten über einen Einsatz im Münchner Nachtleben nicht die Wahrheit gesagt und die Attacke eines Mannes auf sie erfunden hatten. Eine Geldauflage von 300 Euro hatte der Mann, den die beiden Polizisten nach Ansicht des Amtsgerichts zu Unrecht beschuldigten, nach einem Gerichtsprozess, in dem die Polizisten gegen ihn aussagten, zahlen müssen.
 Zuvor war eine Polizeikontrolle im Münchner Nachtleben im November 2016 so sehr eskaliert, dass der ältere der beiden Angeklagten einem Mann die Nase brach. «Der Einsatz ist ein wenig aus dem Ruder gelaufen, am Ende gab es eine gebrochene Nase, es gab viel Blut», fasst Richterin Amtage jene Nacht zusammen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die beiden Polizisten sich nach diesem Einsatz darauf verständigten, zu behaupten, der Freund des Mannes mit der gebrochenen Nase sei aggressiv gewesen und habe einen der Polizisten geschubst.
 Ein «typischer Fall von Verfolgung Unschuldiger», sagt die Richterin. Die beiden hätten den «Vertrauensvorschuss», den sie als Polizeibeamte bei einer Zeugenaussage genießen, «ausgenutzt und missbraucht».

In den Chatnachrichten der Beamten, die einen Ordner füllen, habe sie «übermäßige Anwendung von Polizeigewalt» entdeckt, «Freude, Spaß an der Ausübung der Gewalt». «Geil, wie Du eskaliert bist», zitiert sie daraus und: «Ich hab’s echt mal wieder gebraucht, so’ne Eskalation» – wie ein «Schäferhund», der monatelang an der Leine gehalten und dann endlich losgelassen wurde.


Dealer brachte Ermittlungen ins Rollen


Der Drogenskandal war 2020 nach einer großen Razzia öffentlich geworden. Im Mittelpunkt der Geschichte um koksende Polizeibeamte steht ein Drogendealer, der die Ermittlungen ins Rollen brachte, nachdem er als Kronzeuge über seine uniformierten Kunden ausgepackt und von Polizisten-Rabatten auf Kokain berichtete – sowie von absurden Situationen wie gemeinsamem Koksen mit Polizisten in der Tiefgarage, nachdem sie ihm Starthilfe für sein Auto geleistet hatten. Jahrelang hatte die so genannte «Soko Nightlife» in der Sache ermittelt; die Staatsanwaltschaft führte Ermittlungsverfahren gegen 37 Polizeibeamte und erhob acht Anklagen. 15 Ermittlungsverfahren wurden eingestellt, drei weitere gegen eine Geldauflage. In zwölf Fällen wurde ein Strafbefehl beantragt, in acht Fällen Anklage erhoben.


Das letzte Wort noch nicht gesprochen?


Das jetzt gesprochene Urteil eingeschlossen sind inzwischen in vier Verfahren, in denen Anklage erhoben wurde, Urteile ergangen. Einer der Polizisten wurde zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen verurteilt, zwei weitere zu Freiheitsstrafen von zweieinhalb beziehungsweise drei Jahren. Außerdem wurden in zwei Fällen Polizeibeamte nach einem Einspruch gegen den jeweiligen Strafbefehl freigesprochen.
 Die Anklagen gegen drei weitere Polizisten sind nach Angaben der Staatsanwaltschaft vom Amtsgericht erhoben worden, zwei davon werden vor dem Schöffengericht verhandelt. 


Auch in dem jetzt erstinstanzlich abgeurteilten Fall scheint das letzte Wort wohl noch nicht gesprochen: Der Anwalt des älteren Angeklagten kündigte bereits an, das Urteil, das auch Zahlungen an eine Obdachlosenorganisation und den zu Unrecht Beschuldigten als Geldauflage vorsieht, anfechten und in Berufung gehen zu wollen. Der Verteidiger des Jüngeren wollte es sich noch überlegen.


Den Weg zurück in den Polizeidienst wird es für die suspendierten Beamten aber wohl nicht geben, auch wenn das Urteil gegen sie noch nicht rechtskräftig ist. Der Jüngere hat sich inzwischen als Bauleiter selbstständig gemacht, der Ältere hat ein Jura-Studium aufgenommen.

Autor:

Uwe Müller aus Nürnberg

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