Bayern leht Gesetzentwurf im Bundesrat ab
Herrmann warnt: Entstehung von Parallelgesellschaften wird regelrecht gefördert
REGION/BERLIN (dpa/nf) - Der Bundesrat hat zwei weitere Bausteine der neuen Migrationspolitik der Ampel-Koalition gebilligt. Während die von Anfang an umstrittene Reform des Staatsangehörigkeitsrechts auch in der Länderkammer noch zu einem Schlagabtausch führte, wurden gegen die Verfahrenserleichterungen für Abschiebungen lediglich Bedenken geäußert, was die Praxistauglichkeit der neuen Bestimmungen angeht.
"Die Einbürgerung kann nicht am Beginn, sondern sollte erst am erfolgreichen Abschluss der Integration in die deutsche Gesellschaft stehen. Dazu gehören eine ausreichend lange rechtmäßige Aufenthaltsdauer ebenso wie die notwendigen Sprachkenntnisse und die Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse. Das Ampel"-Gesetz zur „Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts“ kehrt diese Prinzipen ins Gegenteil und ist deshalb ein großer Fehler, ein Rückschritt anstelle einer Modernisierung.“ Mit dieser Kritik hat Bayerns Innenminister Joachim Herrmann begründet, warum die Staatsregierung den Gesetzentwurf ablehnt.
Die wesentlich vereinfachten Möglichkeiten, eine doppelte Staatsbürgerschaft zu erlangen, passten überhaupt nicht zu den aktuellen Entwicklungen: „Wenn künftig deutlich mehr türkische Staatsangehörige zusätzlich die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen, um dann in Deutschland die Erdogan-Partei DAVA wählen zu können, wird diese Reform eher zum integrationspolitischen Rohrkrepierer.“ Die neuen Einbürgerungsregeln belohnten dann sogar eine fehlende Bereitschaft, sich zu Deutschland zu bekennen. „Die Entstehung von Parallelgesellschaften wird so nicht nur bewusst in Kauf genommen, sondern regelrecht gefördert.“ Herrmann weiter: „Neben ausreichenden Deutschkenntnissen und dem Bestreiten des eigenen Lebensunterhalts müssen sich Migranten aber auch eindeutig zu Deutschland und seinen Werten bekennen. Wenn die Ampelkoalition mit ihrer Reform auf diese wichtigen Einbürgerungsvoraussetzungen verzichtet, stellt sie integrationspolitisch die Weichen falsch und das mit schwerwiegenden Folgen für die Gesellschaft."
Die Neuerungen
Der Bundesrat verzichtete zum Staatsbürgerschaftsrecht auf die Anrufung des Vermittlungsausschusses. Das neue Gesetz sieht vor, dass Zuwanderer bereits nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland Staatsbürger werden können, vorausgesetzt sie können ihren Lebensunterhalt ohne staatliche Hilfe bestreiten.
Bisher müssen sie mindestens acht Jahre im Land leben. Bei guten Leistungen in Schule oder im Job, guten Sprachkenntnissen oder ehrenamtlichem Engagement soll die Einbürgerung schon nach drei Jahren möglich sein. Wer einen deutschen Pass haben möchte, soll seinen alten dafür nicht mehr aufgeben müssen.
Das gilt jetzt schon für EU-Bürger und einige Sonderfälle, aber beispielsweise nicht für Menschen aus der Türkei. Die Reform betrifft auch Deutsche, die Bürger eines weiteren Staats werden möchten. Sie benötigen dafür keine spezielle Genehmigung der deutschen Behörden mehr. Ohne diese Erlaubnis verlor man bisher die deutsche Staatsbürgerschaft beim Erwerb einer weiteren.
Auch das sogenannte Rückführungsverbesserungsgesetz fand die nötige Unterstützung. Das vom Bundestag im Januar beschlossene Gesetz hat zum Ziel, dass insbesondere Straftäter, Gefährder und Schleuser schneller abgeschoben werden.
Es enthält eine Reihe von Maßnahmen, um den Vollzug der Abschiebung effektiver zu machen und die Ausreisepflicht von Menschen ohne Bleiberecht besser durchsetzen zu können. So erhalten Behörden mehr Möglichkeiten, Ausreisepflichtige aufzufinden, ihre Identität anhand von Dokumenten zu klären und ein Untertauchen zu verhindern.
Beispielsweise wird die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams von bislang 10 Tagen auf 28 Tage verlängert. Außerdem sollen Behördenvertreter in Gemeinschaftsunterkünften auch andere Räume als das Zimmer des Abzuschiebenden betreten dürfen.
Eine dringende Bitte gab die Länderkammer der Bundesregierung zu dem Gesetz mit auf den Weg. Sie wünscht sich eine Klarstellung dazu, wann genau die Berufung eines Anwalts für Menschen vorgesehen ist, die von einer Rückführungsmaßnahme betroffen sind.
Denn eine Mehrheit der Länder befürchtet, dass - wenn dies noch vor der richterlichen Anordnung von Abschiebungshaft oder Ausreisegewahrsam passieren sollte - die Rückführung nicht vereinfacht, sondern sogar erschwert oder verhindert werden könnte, weil die Betroffenen dadurch praktisch gewarnt würden. Das Gesetz sieht vor, dass bei Abschiebungshaft oder Ausreisegewahrsam dann, wenn es im betreffenden Fall noch keinen Rechtsbeistand gab, ein Anwalt beigeordnet werden kann.
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