China-Einstieg am Hambuger Hafen
Kritische Infrastruktur: Ministerien lehnten ab - Scholz drängt auf den Deal!
HAMBURG/BERLIN (dpa) - Der bereits vereinbarte China-Einstieg bei einem Containerterminal im Hamburger Hafen sorgt für heftigen Zwist in der Bundesregierung. «Nach Informationen von NDR und WDR haben alle sechs Ministerien, die an der Investitionsprüfung fachlich beteiligt sind, das Geschäft abgelehnt», berichteten die Sender am Donnerstag. «Das Kanzleramt drängt der Recherche zufolge jedoch darauf, dass der Einstieg zustande kommen soll.» Der Bericht wurde der dpa im Kern in Regierungskreisen bestätigt.
Hintergrund ist eine im September 2021 geschlossene Vereinbarung zwischen dem Hamburger Hafenlogistiker HHLA und dem chinesischen Terminalbetreiber Cosco Shipping Ports Limited (CSPL) über eine 35-Prozent-Beteiligung der Chinesen am Hamburger HHLA-Terminal Tollerort (CTT). Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums wollte den Bericht nicht kommentieren. Auch das Bundesverkehrsministerium wollte sich auf Anfrage nicht äußern. Ein HHLA-Sprecher sagte der dpa zu dem Bericht: «Kein Kommentar».
Bericht: «Erpressungspotenzial» durch geplante Beteiligung
Den Informationen von NDR und WDR zufolge soll das federführende Wirtschaftsministerium das Thema bereits zur endgültigen Ablehnung im Bundeskabinett angemeldet haben, weil es sich um kritische Infrastruktur handele. Das Kanzleramt habe das Prüfverfahren dann allerdings nicht auf die Tagesordnung genommen, sondern stattdessen die beteiligten Fachressorts beauftragt, nach einem Kompromiss zu suchen, damit das Geschäft doch noch genehmigt werden kann.
Für Besorgnis sorgt dem Bericht zufolge, dass durch die geplante Beteiligung ein «Erpressungspotenzial» entstehen könne. Neben dem von dem Grünen Robert Habeck geführten Wirtschaftsressort hätten sich auch die Ministerien des Innern für Verteidigung, für Verkehr und Finanzen sowie das Auswärtige Amt gegen den chinesischen Einstieg positioniert, so NDR und WDR. Der Widerstand gegen die Linie von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der bald nach China reist, zieht sich demnach durch alle drei Parteien der Ampelkoalition. Scholz war zwischen 2011 und 2018 Erster Bürgermeister der Hansestadt.
Kritik aus Opposition und Ampel-Koalition
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte der dpa: «Die KP Chinas darf keinen Zugang zur kritischen Infrastruktur unseres Landes haben.» Er warnte davor, naiv gegenüber den chinesischen Machthabern zu sein. «Die knallharten Machtinteressen, die sie verfolgen, sind nicht in unserem Interesse. Es bleibt dabei: China ist ein wichtiger Handelspartner, aber auch systemischer Rivale. Danach sollten wir handeln.»
«China sollte nicht die Möglichkeit bekommen, Einfluss auf unsere kritische Infrastruktur zu nehmen». sagte die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katharina Dröge, der dpa. «Wir dürfen die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen und uns erneut so abhängig von einem Land machen, dass wir erpressbar werden.» Der Obmann der Grünen im Innenausschuss des Bundestages, Marcel Emmerich, bezeichnete die Häfen als besonders schützenswerte Einrichtungen und sagte: «Unsere kritische Infrastruktur darf nicht zum Spielball geopolitischer Interessen anderer werden.» Offenbar habe der Kanzler nicht aus der Vergangenheit gelernt. «Wie Sigmar Gabriel damals Gasspeicher an Russland vertickte, will Olaf Scholz jetzt unbedingt Teile des Hamburger Hafen an China verhökern.»
Auch Unionsfraktionsvize Jens Spahn stellt sich gegen den Einstieg. «Eine Lehre aus Pandemie und Energiekrise ist: Wir müssen unabhängiger von China werden», sagte er der dpa. «Deutsche Häfen gehören nicht in chinesische Hand. Zumal Europäer sich in China nicht an Häfen beteiligen können.» Der Obmann der Linken im Wirtschaftsausschuss des Bundestages, Pascal Meiser, verlangte ebenfalls, kritische Infrastruktur gehöre «nicht in die Hände fragwürdiger internationaler Konzerne, sondern im besten Fall gänzlich in die öffentliche Hand».
Bürgermeister Tschentscher für das Vorhaben
Scholz' Nachfolger als Hamburger Regierungschef, Peter Tschentscher (SPD), setzt sich derweil weiter für die Cosco-Beteiligung am CTT ein. «In der Sache hat sich nichts verändert», sagte Senatssprecher Marcel Schweitzer mit Blick auf den Streit in Berlin. Die Befürchtungen, dass China Zugriff auf die kritische Infrastruktur erhalten könnte, teile der Bürgermeister nicht. Er weist stets darauf hin, dass Grund und Boden im Hamburger Hafen vollständig in öffentlicher Hand sind und bleiben. Auch der Betrieb des Hafens insgesamt liege weiterhin zu 100 Prozent bei der städtischen Hamburg Port Authority.
In der Vergangenheit waren immer wieder chinesische Unternehmen bei deutschen Firmen eingestiegen. Mehrfach wurde dies aber auch untersagt. Die Außenwirtschaftsverordnung erlaubt es, unter bestimmten Umständen nach einer Prüfung den Einstieg eines Investors aus einem Nicht-EU-Staat bei einem deutschen Unternehmen zu untersagen, das etwa kritische Infrastruktur betreibt - um die «öffentliche Ordnung oder Sicherheit» der Bundesrepublik zu gewährleisten. 2018 etwa hatte die Bundesregierung den Einstieg eines chinesischen Konzerns beim Stromnetzbetreiber 50Hertz verhindert. Die Hürden für Übernahmeversuche in sensiblen Bereichen wurden erhöht.
Cosco-Konzern hält schon etliche Beteiligungen in Europa
China ist der mit Abstand wichtigste Handelspartner im drittgrößten europäischen Seehafen. Der Cosco-Konzern, der auch die weltweit viertgrößte Containerreederei betreibt, lässt seine Schiffe seit Jahrzehnten am CTT festmachen. Cosco hält in Europa bereits etliche Beteiligungen an Hafenterminals.
CTT mit vier Liegeplätzen und 14 Containerbrücken ist eines von drei Containerterminals, die die HHLA im Hamburger Hafen betreibt. Cosco will im Gegenzug zum Einstieg dort seine Ladungsströme in der Hansestadt konzentrieren, CTT soll zu einem bevorzugten Umschlagpunkt in Europa werden. Ein chinesischer Einstieg beim Hamburger Hafen könne daher wirtschaftlich durchaus Sinn machen, hieß es in Berlin hinter den Kulissen. Das könnte bedeuten, dass mehr Containerschiffe nach Hamburg fahren. Europas drittgrößter Hafen hat in den vergangenen Jahren gegenüber den größeren Konkurrenten Rotterdam und Antwerpen an Boden verloren.
Dem Bericht zufolge drängt die Zeit: «Wenn das Bundeskabinett keinen Beschluss fasst und keine Fristverlängerung mehr vereinbart wird, würde das Geschäft laut Gesetz automatisch zustande kommen», schreiben NDR und WDR. «Das wäre nach aktuellem Stand Ende Oktober der Fall.»
Von Thomas Kaufner und Andreas Hoenig, dpa
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