Ampel-Regierung plant Einsparungen
Protest bei Freiwilligendiensten: Kürzt uns nicht weg!
REGION (pm/nf) – Vor geplanten Kürzungen der Bundesregierung bei den Freiwilligendiensten warnt der Caritasverband für die Diözese Eichstätt. Jakob Streller, Caritas-Koordinator im Bistum für diese Dienste, erklärt: „Bei einem ‚Kaputtsparen‘ riskiert die Bundesregierung den Verlust eines erfolgreichen und jahrzehntelang bewährten Formates für Orientierung, Bildung und gesellschaftliches Engagement.
Und man verliert Menschen, die sich über einen Freiwilligendienst für eine spätere berufliche Tätigkeit entwickeln könnten.“ Der Bundestag will am 16. November über Einsparungen entscheiden. Am kommenden Montag findet ein bundesweiter Protesttag unter dem Motto „#Kürzt uns nicht weg“ statt.
Quantitative und qualitative Verschlechterung befürchtet
Mit Veröffentlichung des Haushaltsentwurfs am 5. Juli 2023 wurde eine Streichung der Mittel in den Jugendfreiwilligendiensten, vor allem beim Freiwilligen Sozialen Jahr, und im Bundesfreiwilligendienst (BFD) bekanntgegeben. Im Jahr 2024 sollen danach statt der bisher 329 Millionen Euro für alle Dienste nur noch 251 Millionen zur Verfügung stehen: also 78 Millionen weniger als bisher, was einen Rückgang von rund 25 Prozent bedeuten würde.
Für das Jahr 2025 sind weitere Kürzungen um nochmals 35 Millionen Euro geplant. Damit stünden dann nur noch 216 Millionen Euro zur Verfügung, also insgesamt nur noch 65 Prozent der bisherigen Förderung. „Damit würde vermutlich jeder dritte Freiwilligenplatz wegfallen“, warnt Jakob Streller. Im Bistum Eichstätt gibt es nach seinen Worten derzeit ein Kontingent von 50 Plätzen für den BFD. „Die geplanten Kürzungen bedeuten für uns eine Verringerung von zunächst zwölf und dann 17 Plätzen“, bedauert der Caritas-Koordinator und fügt hinzu: „Neben den wegfallenden Plätzen würde auch unsere Arbeitszeit für Koordination, Qualitätsarbeit und Pädagogische Begleitung reduziert werden müssen.“ Es käme somit zu einer quantitativen wie qualitativen Verschlechterung, so Streller.
Neben vor allem jungen Menschen, die durch die Kürzungen weniger Chancen bekämen, müssten die sozialen Einrichtungen ohne Freiwillige ihre konkreten Angebote stark reduzieren. „Das Fachkraftpersonal verliert Unterstützung bei Tätigkeiten, die keine fachliche Qualifikation, aber Zeit erfordern. Dies hätte mittelbar Auswirkungen auf die Qualität der Arbeit und würde die ohnehin angespannten Arbeitsbedingungen weiter unter Druck geraten lassen“, erklärt Jakob Streller. „Und der soziale Bereich verliert insgesamt den Zugang zu Menschen, die sie über den Freiwilligendienst für eine spätere berufliche Tätigkeit gewinnen könnten. Damit gehen Optionen verloren, dem Fach- und Arbeitskräftemangel zu begegnen, aber auch um für zukünftiges freiwilliges Engagement zu motivieren.“ Streller versteht nicht, warum immer wieder über die Einführung eines sozialen Pflichtdienstes diskutiert wird, „der jährlich 14 bis 17 Milliarden Euro kosten würde, wogegen doch die derzeit 329 Millionen Euro für die bewährten Freiwilligendienste im Vergleich sehr niedrig anmuten“. Für diese fordert er eine „langfristige Verstetigung der Haushaltsmittel“.
Um gegen die geplanten Einsparungen zu protestieren, haben Bundesfreiwilligendienstleistende im Bistum Eichstätt am 11. Oktober dieses Jahres eine Postkartenaktion gestartet. Jeder BFDler konnte hierbei kurz aufzeigen, wer er ist, was er macht und was er von den Kürzungsplänen hält. Die Postkarten wurden an das Büro des Bundestagsabgeordneten Dr. Reinhard Brandl geschickt.
Beim bundesweiten Protesttag am 6. November sind Freiwillige dazu aufgerufen, Flashmobs, die Verteilung von Postkarten an Politiker und andere Aktionen zu organisieren. Es kam zudem die Idee auf, dass sich an diesem Tag Freiwillige ein Drittel ihres Tages nicht ihren regulären Aufgaben widmen, um sichtbar zu machen, was passieren würde, wenn die Kürzungen so umgesetzt würden, wie sie derzeit geplant sind. Zu dieser Maßnahme ist im Bistum Eichstätt aber nicht aufgerufen worden.
Eine große Bedeutung hat der Bundesfreiwilligendienst zum Beispiel im Caritas-Kinderdorf Marienstein. Dort leisten die BFDler nach Mitteilung von dessen Verwaltungsleiter Florian Fischer einen ganz wichtigen Beitrag in verschiedensten Bereichen: „von der Mitarbeit in den Wohngruppen über Fahrdienste bis hin zu Hausmeistertätigkeiten“, beschreibt er die breiten Einsatzmöglichkeiten. Und er stellt klar: „Wenn diese Dienste wegfallen, können wir manche Dinge so nicht mehr aufrechterhalten.“ Bedauerlich wäre es für ihn vor allem auch, dass in diesem Fall personelle Perspektiven im Kinderdorf verloren gingen: In den letzten Jahren konnten Fischer zufolge zwei Mitarbeitende fest eingestellt werden, die früher in der Einrichtung einen Bundesfreiwilligendienst leisteten und danach Soziale Arbeit studierten. Drei weitere ehemalige BFDler aus dem Kinderdorf studieren derzeit und wollen danach auch in der heilpädagogischen Einrichtung auf dem Blumenberg tätig werden. Insofern erfährt Fischer den Bundesfreiwilligendienst in Zeiten des Personalmangels als ganz wichtigen Ausgangspunkt für die Gewinnung von Mitarbeitenden.
Zwei junge Menschen, die derzeit im Kinderdorf ihren Bundesfreiwilligendienst leisten, sind Johanna Rinnagl (18) und Simon Münzer (19). Johanna Rinnagl ist vor allem in der heilpädagogischen Tagessstätte Ammonit engagiert. Dort hilft sie zum Beispiel im Haushalt, unterstützt die Kinder bei den Hausaufgaben, spielt mit ihnen und betreibt mit ihnen Sport. „Ich will im Berufsalltag Erfahrungen sammeln“, nennt sie eines ihrer Ziele. Sie hat vor, Sport zu studieren und könnte sich gut vorstellen, später einmal als Sportlehrerin im Kinderdorf zu arbeiten. Von den geplanten Einsparungen bei den Freiwilligendiensten hält sie „gar nichts“. Sie fände es schade, wenn nicht mehr so viele junge Menschen dieselbe Chance bekämen wie sie.
„Kürzt uns nicht weg“, meint auch ihr Kollege Simon Münzer. Er geht in seinem BFD vormittags dem Hausmeister des Kinderdorfes zur Hand, trägt zum Beispiel Müll weg, repariert Dinge und baut Spielgeräte auf. Ab dem Mittag ist er in der heilpädagogischen Wohngruppe Morgenrot, hilft etwa den Kindern beim Lernen und macht ihnen Freizeitangebote. „Ich wollte schon immer etwas Soziales machen und der Gesellschaft etwas zurückgeben“, erklärt Simon Münzer. Doch auch ihm geht es ebenso darum, selbst Erfahrungen zu sammeln, den eigenen Horizont zu erweitern und Berufsorientierung zu finden. Und genau das wünscht er auch noch vielen anderen jungen Menschen.
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