NATO-Sondergipfel ++ Droht der große Krieg?
Stoltenberg: ,,Wir sind das stärkste Bündnis der Welt"
BRÜSSEL (dpa) - Russland stellt nach Ansicht von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg derzeit keine akute Gefahr für Alliierte dar. «Wir sind das stärkste Bündnis der Welt», sagte der Norweger am Rande eines Nato-Sondergipfels zum Ukraine-Krieg. «Solange wir zusammenstehen, sind wir sicher.»
Zugleich machte Stoltenberg erneut deutlich, dass die Nato trotz ihrer militärischen Überlegenheit ein militärisches Eingreifen in den Ukraine-Krieg ausschließt. «Das tun wir, weil wir die Verantwortung dafür tragen, dass dieser Konflikt nicht über die Ukraine hinaus eskaliert», erklärte er. Dies würde «noch mehr Leid, noch mehr Tote, noch mehr Zerstörung verursachen».
Selbst das Durchsetzen der von der Ukraine immer wieder geforderten Flugverbotszone über der Ukraine ist demnach zu gefährlich. «Um eine Flugverbotszone zu verhängen, müssen wir die russischen Luftabwehrsysteme in Russland, in Belarus und in der Ukraine massiv angreifen und auch bereit sein, russische Flugzeuge abzuschießen», sagte er. «Und dann wird die Gefahr eines umfassenden Krieges zwischen der Nato und Russland sehr groß sein, und das wird zu mehr Tod und mehr Zerstörung führen.»
Verteidigungsausgaben abermals erhöhen?
Angesichts der Bedrohung durch Russland will Litauen seine Verteidigungsausgaben auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erhöhen. «Wir sind bereit, unsere Hausaufgaben zu machen», sagt Präsident Gitanas Nauseda vor dem Nato-Gipfel. In diesem Jahr will das an Russland grenzende Litauen die Verteidigungsausgaben zunächst auf 2,5 des BIP anheben. In den nächsten Jahren seien dann drei Prozent geplant, sagte Nauseda.
In der letzten offiziellen Nato-Statistik von Juni 2021 lag Litauen noch bei 2,03 Prozent und zählte damit zu zehn von 30 Mitgliedstaaten, die das Zwei-Prozent-Ziel der Nato von 2015 bereits übertreffen. Die deutschen Verteidigungsausgaben lagen nach den Nato-Zahlen 2021 bei 1,53 Prozent. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat allerdings in seiner Regierungserklärung nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs angekündigt, die Ausgaben für die Bundeswehr auf mehr als zwei Prozent des BIP pro Jahr zu erhöhen.
Kontamination durch russische Chemiewaffen?
Stoltenberg warnte Russland vor dem Einsatz von Chemiewaffen in der Ukraine. Die chemischen Kampfstoffe könnten sich dann auch auf Nato-Territorium ausbreiten, sagte der Norweger. Es gebe immer das Risiko der Kontamination, der Ausbreitung über größere Gebiete.
Wie die Nato auf einen solchen Fall reagieren würde, sagte Stoltenberg nicht. Zugleich machte er deutlich, dass Russland eine entschiedene Reaktion fürchten müsste. «Die Nato ist immer bereit (...), auf jegliche Art von Angriff zu reagieren», sagte er. Jeder Einsatz chemischer Waffen würde die Art des Konflikts grundlegend verändern. Er wäre eine «eklatante Verletzung des Völkerrechts» und würde «weitreichende und schwerwiegende Folgen» haben, sagte er.
Nato: China soll russischen Krieg verurteilen
Die Nato fordert von China ein klare Positionierung gegen Russlands Angriff auf die Ukraine. «Wir fordern China auf, sich dem Rest der Welt anzuschließen und den russischen Einmarsch in die Ukraine klar zu verurteilen und keine politische Unterstützung zu leisten», sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Donnerstag am Rande des Nato-Sondergipfels zum Ukraine-Krieg. Dies schließe natürlich auch ein, keinerlei materielle Unterstützung für die Invasion in die Ukraine zu leisten.
Estlands Regierungschefin Kaja Kallas hat mehr Unterstützung der Nato für die Ukraine im Krieg gegen Russland gefordert. «Ich denke, wir müssen unsere Anstrengungen verdoppeln», sagte Kallas am Rande eines Nato-Sondergipfels in Brüssel. Der russische Präsident Wladimir Putin dürfe den Krieg nicht gewinnen. «Das ist für uns alle sehr wichtig, auch für die Sicherheit der Nato.» Dabei solle man mehr darüber sprechen, was man tue - und nicht darüber, was man nicht tue.
Zudem müsse darüber beraten werden, wie man die Verteidigungsausgaben sinnvoll erhöhe und wie die Ostflanke der Nato - insbesondere das Baltikum - verstärkt werden könne, sagte sie.
Lettland: «Am Ende muss Russland scheitern»
Die Nato muss die Ukraine nach Ansicht des lettischen Präsidenten Egils Levits möglichst umfassend unterstützen, damit Russlands Invasion in das Land nicht zum Erfolg wird. «Am Ende muss Russland scheitern», sagte Levits in Brüssel. Neben der Unterstützung für die Ukraine müsse die Nato zudem ihre Ostflanke stärken. «Ich bin sicher, dass wir diese Aufgabe bewältigen werden.»
Kanadas Premierminister Justin Trudeau betonte, Russlands illegale, brutale Invasion in die demokratische Ukraine sei absolut inakzeptabel. Zur Rolle der Nato sagte er: «Die Nato ist nicht nur ein geografisches Bündnis, sondern eine Gruppe von Ländern, die zusammenstehen, weil wir an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, an die Verteidigung der Menschenrechte glauben.»
Bei dem Treffen der Staats- und Regierungschef in Brüssel wird es nach Angaben von Stoltenberg um die Unterstützung der Ukraine zum Beispiel durch Waffenlieferungen gehen. Zudem soll darüber geredet werden, wie die Nato ihre Abschreckung gegen Russland langfristig noch verbessern kann. Kurzfristig werden derzeit zum Beispiel in der Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien neue multinationale Gefechtsverbände aufgebaut. Bislang hatte die Nato nur in den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sowie in Polen dauerhaft sogenannte Battlegroups stationiert.
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