Katastrophenschutz
Vorwurf: Hat Bayern am Hochwasserschutz gespart?

Äcker an der niederbayerischen Donau (Luftaufnahme mit Drohne).  | Foto:  Armin Weigel/dpa/Archivbild
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MÜNCHEN (dpa/lby) - Bayerns Staatsregierung hat mehr als zwei Jahrzehnte nach dem Beschluss zum Bau von sieben großen Flutpoldern zum Schutz vor extremen Hochwassern erst zwei dieser Projekte verwirklicht. Doch nun will Umweltminister Thorsten Glauber Tempo machen. Glaubers Parteichef und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger indes betonte, dass Polder an der Donau in der aktuellen Hochwasserkrise nicht geholfen hätten.

Zum aktuellen Stand des Polderprogramms heißt es aus dem Umweltministerium: «Der Polder Weidachwiesen ist in Betrieb und wurde auch aktuell genutzt. Der Polder Riedensheim ist einsatzbereit.»

Glauber: Flutpolderprogramm wird umgesetzt

Das 2021 auf den Weg gebrachte Programm für neun gesteuerte Flutpolder entlang der Donau werde realisiert, teilte Glauber am Mittwoch in München mit. «Für Extremhochwasser setzt Bayern auf eine Flutpolderkette entlang der Donau. Seit meinem Amtsantritt 2018 werbe ich für die geplante Flutpolderkette», sagte Glauber - und betonte: «Das Flutpolderprogramm wird umgesetzt.» Mit Flutpoldern könne bei einem Katastrophenhochwasser «gezielt die Notbremse gezogen werden».

Flutpolder sind Flächen, die mit Deichen abgegrenzt und bei extremen Hochwasserereignissen geflutet werden können. Derzeit steht insbesondere Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger in der Kritik, der ehedem neben «Monstertrassen» auch «größenwahnsinnige Flutpolder» bekämpfte. In ihrem ersten Koalitionsvertrag 2018 hatten CSU und Freie Wähler deswegen die geplanten großen Donaupolder Bertoldsheim und Eltheim/Wörthhof gestrichen, die vor Ort von etlichen Bürgern bekämpft werden. Aiwanger, Freie Wähler und die Staatsregierung insgesamt sind deswegen mit dem Vorwurf konfrontiert, am Hochwasserschutz gespart zu haben. 2021 machte die CSU/FW-Koalition das wieder rückgängig und erweiterte die Polderpläne auf neun Standorte.

Aiwanger: Polder hätten aktuell nichts gebracht

Am Mittwoch sagte Aiwanger, die Polder hätten in der aktuellen Hochwasserkrise nichts gebracht. Gäbe es jetzt schon mehr Polder an der Donau, wären die aktuell wohl gar nicht eingesetzt worden, sagte er dem Hörfunkprogramm BR24. Die Hauptschäden habe es an kleineren Flüssen vor der Donau gegeben, nicht an der Donau selbst: «Die Schäden sind schon vor dem Einfließen in die Donau entstanden.» Der einsatzbereite Polder Riedensheim sei derzeit gar nicht gebraucht worden.

Glauber erläuterte nun: Die gesteuerten Flutpolder seien für ein Katastrophenszenario konzipiert, das in der aktuellen Lage an der Donau bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht erreicht wurde. Der Flutpolder Riedensheim wurde während des Hochwassers in Einsatzbereitschaft versetzt, aber in der aktuellen Lage nicht geflutet.

Sowohl die Freien Wähler als auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) haben die Vorwürfe, Bayern tue zu wenig in Sachen Hochwasserschutz, zur Falschnachricht erklärt. «Seit 2001 haben wir vier Milliarden Euro investiert, bis 2030 werden weitere zwei Milliarden investiert werden in den Hochwasserschutz, und jährlich geben wir eine Milliarde für den Klimaschutz aus», sagte Söder am Dienstag nach der Kabinettssitzung.

Das von Söder genannte Jahr 2001 bezieht sich auf das «Hochwasser-Aktionsprogramm 2020», verkündet vom damaligen Umweltminister Werner Schnappauf (CSU) vor etwas mehr als 23 Jahren: am 8. Mai 2001. Anlass war das große Pfingsthochwasser 1999. In der Tat hat die Staatsregierung seither nahezu doppelt so viel Geld in den Hochwasserschutz investiert als die damals angekündigten knapp 2,3 Milliarden Euro.

Mit dem vielen Geld wurde der Hochwasserschutz in vielen Kommunen verbessert, Deiche rückverlegt, Ausrüstung für die Feuerwehr beschafft, am Oberlauf der Isar die Staumauer des Sylvensteinspeichers erhöht, um Bad Tölz, München, Freising und andere Städte vor Überflutung zu schützen, und etliches mehr.

Doch der Bau der Flutpolder lahmt - und genau diese Polder sind es, die Bayern vor der befürchteten extremen Hochwasserkatastrophe an der Donau schützen sollen. Grund der Verzögerungen ist der vehemente Widerstand vor Ort. «Regieren ist kein Spaß und deswegen muss man da eben entsprechend sich einsetzen», sagte Söder dazu. Glauber betonte: «Ich setze darauf, gemeinsam mit den Beteiligten in den Regionen die jeweiligen Standorte zu realisieren.»

Dabei ist die Gefahr eines solchen Extremhochwassers in den vergangenen zwei Jahrzehnten offenkundig gestiegen. Der Rückversicherer Munich Re dokumentiert Naturkatastrophen rund um den Globus, demnach nimmt sowohl die Häufigkeit als auch die Intensität großer Überschwemmungen zu. «Es geht um die Sicherheit von 120 000 Menschen entlang der Donau und ein Schadensvolumen von über neun Milliarden Euro», sagt Umweltminister und Polderbefürworter Glauber. Die neun Milliarden sind eine Berechnung aus dem Jahr 2018 für den maximalen Schadenfall.

Gefahr an der Donau wächst

Und die Gefahr an der Donau wächst auch aus einem ganz anderen Grund: Immer mehr Menschen wohnen in der Nähe des Flusses. Allein zwischen 1994 und 2014 wuchs die Bevölkerung dort um knapp 10 Prozent, bis 2034 wird mit weiterem Wachstum gerechnet, wie das Landesamt für Umwelt in seinem Polderbericht festhielt.

Viele Kommunen entlang der Donau und ihrer Zuflüsse haben über Jahrzehnte Baugebiete in überschwemmungsgefährdeten Gebieten ausgewiesen. In diesem Punkt sind sich Naturschützer und Versicherungen einig: Die Besiedlung von Hochwasserzonen ist unsinnig, die Folge sind immense Kosten ebenso wie menschliches Leid, wenn die Überschwemmung eines Tages eintritt. Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) fordert ein - deutschlandweites - Bauverbot in solchen Gebieten. Söder lehnt das ab.

Die Donau hat ihr einstiges natürliches Überschwemmungsgebiet seit dem 19. Jahrhundert weitestgehend verloren. «An der Donau sind allein zwischen Neu-Ulm und Straubing mehr als 300 Millionen Kubikmeter Rückhalteraum in den letzten beiden Jahrhunderten verloren gegangen», heißt es in dem bald sechs Jahre alten Papier. Die Fachleute des Umweltamts verwiesen darauf, dass es - anders als in Bayern - an Rhein und Elbe damals bereits zahlreiche Polder gab. Fazit: «Daher ist es sinnvoll, hier das Flutpolderprogramm so bald wie möglich umzusetzen.»

Von Carsten Hoefer, dpa

Autor:

Nicole Fuchsbauer aus Nürnberg

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