20 Jahre Streit um 2-Sekunden-Rhythmus
Branche verfolgt mögliches Letzt-Urteil mit Spannung
KARLSRUHE (dpa/vs) - In gefühlt millionenfacher Wiederholung oder nur geringer Abwandlung begegnen Musikfans Rhythmen in Schlagern und sonstigen Songs. Doch Vorsicht: Markante Ausprägungen können durchaus einen Urheberrechtsschutz haben. Und um den geht es bei einem skurrilen Prozess zwischen zwei Musikern. Bald könnte nach rund 20 Jahren ein endgültiges Urteil fallen.
Fast 20 Jahre nach dem ersten Urteil im Streit zwischen Musikproduzent Moses Pelham und den Elektropop-Pionieren von Kraftwerk um einen Rhythmus von zwei Sekunden befasst sich der Bundesgerichtshof (BGH) erneut mit dem Fall. In Karlsruhe geht es am Donnerstag um die inzwischen dritte Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Hamburg aus dem vergangenen Jahr.
Kern des Ganzen ist, dass Pelham die Tonfolge - im Wesentlichen «Bäng-dänge-däng-däng» - 20 Jahre später leicht verlangsamt in Endlosschleife unter den Song «Nur mir» mit der Rapperin Sabrina Setlur legte. So eine musikalische Interpretation in neuem Kontext nennt man Sampling. Im Rap und Hip-Hop ist sie gängig.
Beat aus einem Klangarchiv
Um Erlaubnis hatte der heute 52-jährige Pelham nicht gefragt. Der Frankfurter war in einem Klangarchiv auf den Beat gestoßen und fasziniert von der «musikalischen Kälte». Kraftwerk-Mitbegründer Ralf Hütter, heute 76 Jahre alt, fühlte sich bestohlen und klagte.
Das war der Beginn eines schier unendlichen Rechtsstreits durch alle Instanzen, den die gesamte Branche mit Spannung verfolgt. Denn das Verfahren wirft sehr grundsätzliche Fragen auf zum Verhältnis von Kunstfreiheit und Urheberschutz. Auch das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof (EuGH) haben schon entschieden. Allein der BGH steht nun vor seinem fünften Urteil zu dem Fall.
Das OLG hatte den Klägern zuletzt unter anderem dahingehend Recht gegeben, dass sie für eine Spanne von rund 18,5 Jahren Schadenersatz geltend machen können. Für den Zeitraum nach dem 7. Juni 2021 wies das Gericht die Klage ab, ließ aber Revision zu.
Pastiche oder nicht?
Damals war eine Umsetzung von EU-Gesetzgebung ins deutsche Recht in Kraft getreten, nach der veröffentlichte Werke zum Zweck der Karikatur, der Parodie und des Pastiches vervielfältigt, verbreitet und öffentlich wiedergegeben werden dürfen. Als Pastiche werden Nachahmungen des Stiles oder der Ideen von Künstlern bezeichnet.
Das OLG ging davon aus, dass die Vervielfältigung der Tonsequenz aus «Metall auf Metall» und ihre Überführung in ein eigenständiges neues Werk im Wege des Samplings nach dieser Vorschrift als Pastiche zulässig seien. Am BGH geht es nun um die Zeit nach dem 7. Juni 2021.
Hintergrund ist, dass das Urheberrecht seit Dezember 2002 in der Europäischen Union vereinheitlicht ist. In der Zeit davor, als noch die deutschen Vorschriften maßgeblich waren, dürfte Pelham laut einem früheren BGH-Urteil das sogenannte Recht auf freie Benutzung zugestanden haben. Voraussetzung wäre, dass er ein «selbstständiges Werk» geschaffen hat. Für diesen Zeitraum wies das OLG die Klage im folgenden Prozess zurück und ließ auch keine Revision zum BGH zu.
Für die Zeit nach der Vereinheitlichung hatte der EuGH entschieden, dass eine fremde Tonsequenz nur ohne Erlaubnis verwendet werden darf, wenn sie für Hörer in dem neuen Werk nicht mehr wiedererkennbar ist.
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