Zahl der Straftaten in Deutschland nimmt zu
Polizei und Politik suchen nach Rezepten für bessere Prävention
BERLIN (dpa) - Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) stellt die Polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2023 vor. Die bietet wenig Anlass zur Freude: Die Zahl registrierter Straftaten ist im vergangenen Jahr einem Medienbericht zufolge bundesweit um 5,5 Prozent auf fast sechs Millionen gestiegen.
Insgesamt seien der Polizei 5,94 Millionen Delikte gemeldet worden, zitierte die «Welt am Sonntag» vorab aus der Kriminalstatistik. So viele Fälle hatte es zuletzt im Jahr 2016 gegeben. Schon die von einigen Bundesländern zuvor veröffentlichten Daten zur Entwicklung im vergangenen Jahr ließen wenig Gutes erwarten. So wuchs die Kriminalität in Nordrhein-Westfalen 2023 um 3,4 Prozent.
Im bevölkerungsreichsten Bundesland wurden im vergangenen Jahr 1,4 Millionen Straftaten verübt. Im Vergleich zu vielen anderen Bundesländern sei der Anstieg der Straftaten hier noch moderat ausgefallen, hatte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) bei der Vorstellung der Zahlen gesagt.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nannte als Hauptgrund für die gestiegene Zahl an Straftaten im Freistaat die Zuwanderung. Die Kriminalitätsbelastung in Bayern stieg 2023 seinen Angaben zufolge auf 4361 Straftaten pro 100.000 Einwohner. Das ist im Vergleich zum Jahr 2022 ein Anstieg um 2,4 Prozent.
Bundesweite Zunahme
Dies sei ein «bundesweiter Trend, für den besonders Ausländer und Zuwanderer verantwortlich sind», gab Herrmann an. Die SPD-Fraktion im bayerischen Landtag kritisierte Herrmann daraufhin scharf für eine «Verquickung von CSU-Migrationspolitik und Kriminalitätsbekämpfung».
Die Kriminalität hatte 2022 nach Jahren des Rückgangs bundesweit wieder zugenommen - und zwar um 11,5 Prozent auf rund 5,63 Millionen Straftaten. Damals war jedoch ein Teil des Anstiegs auf den Wegfall der Corona-Maßnahmen zurückzuführen gewesen. Durch die staatlichen Beschränkungen hatte es in den Jahren 2020 und 2021 weniger Tatgelegenheiten gegeben - etwa weil Geschäfte geschlossen waren und sich weniger Menschen begegneten.
Neben der Bundesinnenministerin werden auf dem Podium in Berlin auch der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch, und der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Michael Stübgen (CDU), erwartet.
Die steigende Zahl von Gewalt- und Eigentumsdelikten muss aus Sicht der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Konsequenzen haben. «Die angespannte Sicherheitslage und die Kriminalitätsentwicklung zeigen, dass unverzüglich in mehr Personal, mehr Befugnisse und schnellere digitale Abläufe investiert werden muss», sagte der GdP-Bundesvorsitzende, Jochen Kopelke, der Deutschen Presse-Agentur.
«Wir brauchen mehr Geld für Prävention, eine schnellere Strafverfolgung und moderne, wirkungsstarke Sicherheitsbehörden», fügte er hinzu und verwies in diesem Zusammenhang auf den gestiegenen Anteil junger Tatverdächtiger. Hier seien neben der Bundesregierung und dem Bundestag auch die Finanz- und Innenminister der Länder in der Pflicht.
«Die Zunahme der Gewaltkriminalität mit mehr jungen Tatverdächtigen, einem gestiegenen Anteil nicht deutscher Tatverdächtiger und erheblich mehr Wohnungseinbruchdiebstählen verdeutlicht, dass der Kampf um Wohlstand begonnen hat und das Recht des Stärkeren populärer wird», sagte Kopelke.
Gewerkschaft will mehr Prävention
Um die von Kindern und Jugendlichen ausgehende Gewalt einzudämmen, sei mehr Geld für effektive Prävention notwendig. Neben der persönlichen Ansprache müssten Anti-Gewalt-Kampagnen verstärkt werden. Dabei müsse auch das Mitführen von Messern thematisiert werden. «Auf unseren Straßen braucht niemand ein Messer zur Verteidigung», betonte der GdP-Vorsitzende.
Die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz, sagte mit Blick auf den gestiegenen Anteil minderjähriger Tatverdächtiger: «Die Ampel darf dieser Entwicklung nicht länger tatenlos zusehen. Sie muss jetzt umgehend einen Aktionsplan mit zielgerichteten präventiven und repressiven Maßnahmen erarbeiten.» Dazu zählten eine weitere Eindämmung der irregulären Zuwanderung und eine Neuauflage des sogenannten Pakts für den Rechtsstaat, damit die Justiz bundesweit besser mit der steigenden Kriminalität zurechtkomme.
FDP-Fraktionsvize: Länder müssen Intensivtäter abschieben
Mit Blick auf die hohe Zahl ausländischer Täter müsse «das gesamte Instrumentarium des geltenden Aufenthaltsrechts ausgenutzt werden», sagte FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle. Die Ampel-Koalition habe erst vor wenigen Monaten die Regeln zur Abschiebung von Intensivtätern ohne deutschen Pass verschärft. Wer innerhalb eines Jahres mehrfach auffällig werde, etwa durch Verurteilungen wegen Körperverletzung oder Diebstahl, könne künftig einfacher abgeschoben werden. Diese Regeln müssten von den Ländern flächendeckend angewandt werden.
Innenpolitiker der Grünen hatten schon am Montag vor vorschnellen Schlussfolgerungen gewarnt. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, wies darauf hin, dass die Polizeiliche Kriminalstatistik nur dokumentiere, wie viele Fälle die Polizei bearbeitet hat. Dabei sei nicht berücksichtigt, ob die Tatverdächtigen auch angeklagt oder verurteilt worden seien. Welche Fälle der Polizei bekannt werden, hänge auch vom Anzeigeverhalten der Bevölkerung und von der Kontrolldichte der Polizei ab.
© dpa-infocom, dpa:240409-99-606882
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