60 Jahre Trabant
Vom hässlichen Entlein zum Kultobjekt - und wem das gar nicht gefällt!

Straßenszene in Leipzig im Juli 2010.  | Foto: Jan Woitas/dpa (Archivfoto)
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ZWICKAU (dpa/vs) - Ersehnt, geliebt, gehasst, verspottet und wieder neu entdeckt: Der Trabant feiert seinen 60. Geburtstag. Ein Portrait von Andreas Hummel (dpa)

Der Traum vom eigenen Auto erfüllte sich für viele DDR-Bürger erst nach langem Warten. Der Trabi genannte Kleinwagen aus Zwickau war deswegen für viele Objekt der Begierde. Doch nach der Wiedervereinigung machte der technisch veraltete Trabant neben den Westmodellen eine miese Figur, avancierte zum Witzobjekt und wurde auf den Straßen bald zur Rarität. Seit einigen Jahren lebt der Kleinwagen als Oldtimer auf und hat eine wachsende Fangemeinde: Die Zulassungszahlen steigen. Wer ein solches Auto kaufen will, muss eine stattliche Summe berappen. Woher kommt die neue Liebe zum kleinen Stinker, der in diesem Jahr ein Jubiläum feiert?

Zweitakt-Motor mit zunächst 23 PS, Luftkühlung, Maximaltempo 100 und eine Karosse aus Duroplast statt Blech: Vor 60 Jahren präsentierten die VEB Sachsenring Automobilwerke den Trabant 601 auf der Leipziger Frühjahrsmesse der internationalen Öffentlichkeit - neben einem Horch Baujahr 1911, um auf die stolze Autotradition der Region zu verweisen. Vorgänger hatte es gegeben, doch mit mehr als 2,8 Millionen Exemplaren wurde der 601 der meistverkaufte Wagen Trabant und bis 1990 produziert. Ob pastellblau, polarweiß oder cliffgrün - der 601 hat das Trabi-Bild in den Köpfen geprägt.

Messedebüt 1964

Von einer vollkommen neuen Karosserie schwärmt im Frühjahr 1964 das Magazin «Der Deutsche Straßenverkehr», «die im Stil der modernen Trapezlinie dem internationalen Geschmack entspricht». Im Vergleich zu seinen Vorgängern biete er mehr Kopffreiheit, einen größeren Kofferraum, Kurbelfenster und Druckknopftürgriffe. «Mit dem Platzangebot im Innenraum liegt der Trabant 601 im internationalen Maßstab an der Spitze der vergleichbaren Fahrzeuge», frohlockt die DDR-Zeitschrift.

Zwar geht das neue Modell im Juni 1964 in Serie, die Produktion hält aber mit der Nachfrage nie Schritt. Die Folge: Wartezeiten von mehr als zehn Jahren. Das lag auch an Besonderheiten der Karosserie, wie Bernd Cyliax erzählt. Der 79-Jährige arbeitete einst beim VEB Sachsenring. Heute teilt er im Zwickauer Horch-Museumsein Wissen mit Besuchern. Weil es an Devisen und Rohstoffen fehlte, wurde für die Karosserie Duroplast verwendet. «Duroplast besteht im Prinzip aus Baumwolle, die aus der Sowjetunion kam, und Phenolharz aus Braunkohlenteer.» Das Ganze - jeweils zehn Teile je Auto - wurde bei 180 Grad gepresst und musste wieder abkühlen. «So ein Pressvorgang dauerte acht Minuten - das war das Problem», sagt Cyliax.

Trabi als Filmstar

Dem Trabi brachte diese Eigenheit Kosenamen wie «Plastebomber» oder «Rennpappe» ein. Wegen der langen Wartezeiten waren gebrauchte Fahrzeuge häufig teurer als Neuwagen. Doch wer einen ergattert hatte, für den war er oft ein treuer Begleiter - bis zur Fahrt an die Ostsee, den Balaton in Ungarn oder bei der ersten Stippvisite nach Westdeutschland Ende 1989. Auf den Straßen wich er danach rasch Modellen von Volkswagen, Ford oder Opel.

Das hält der Kultfilm «Go Trabi Go» Anfang der 90er in seiner Eingangsszene fest: Während der Deutschlehrer Udo Struutz (Wolfgang Stumph) in Bitterfeld mit Frau und Tochter im Trabi «Schorsch» zur Reise nach Italien aufbricht, polieren seine Nachbarn bereits ihre Westautos und haben für seinen 601 nur Häme übrig: «Neapel? So kommste nimma bis Leipzsch.» Auch in der Komödie «Trabbi goes to Hollywood» mit Thomas Gottschalk wird der Trabant zum Star auf der Leinwand. Unterhaltung bot er zudem in unzähligen Witzen wie: Ein Trabi-Besitzer an der Tankstelle zum Tankwart: «Für meinen Trabi hätte ich gerne zwei Scheibenwischer.» Der Tankwart: «Das ist okay, das klingt nach einem fairen Tausch!»

Steigender Wert

Gut 30 Jahre später feiert der Stinker ein Comeback und hat Kultstatus - nicht nur in Ostdeutschland. Das zeigen Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes. Seit rund zehn Jahren steigt die Zahl der zugelassenen Trabis. Waren es 2014 gut 32.300, wurde im vergangenen Jahr die Marke von 40.000 geknackt - davon knapp 32.000 im Osten und gut 8300 im Westen.

Wer einen der inzwischen zum Oldtimer geadelten Wagen kaufen will, muss immer mehr Geld hinblättern. Im Schnitt würden sie derzeit für rund 7300 Euro angeboten, sagt Gerd Heinemann vom Beratungsunternehmen BBE Automotive. Es erstellt regelmäßig Marktanalysen für Old- und Youngtimer in Deutschland. Für einige besondere Varianten werden im Internet gar Preise von 25.000 Euro und mehr verlangt. «Die Preise werden tendenziell weiter steigen.» Fünf Prozent im Jahr seien realistisch.

Dass es in Deutschland wieder mehr Trabis gibt, sei auch auf Reimporte zurückzuführen, erklärt Heinemann. Aber vor allem die einfache Konstruktion befeuert sein Revival. Denn vieles lässt sich von Hobbyschraubern reparieren und mit vorhandenem Rahmen wird ein Trabant auch schon mal komplett neu aufgebaut. Als Beleg führt Frank Hofmann über den Hof seines Unternehmens Trabantwelt in Zwickau. Er öffnet das Tor eines Garagencontainers. Darin kommt ein Trabant 601 Kombi in Panamagrün zum Vorschein. «Den hat mein Junior fast komplett neu aufgebaut und ist damit zu seinem Abiball gefahren.»

Trabi am Nordkap

Vor rund 20 Jahren gründete Hofmann seinen Versandhandel. Auf YouTube gibt er Tipps für Schrauber. Rund 5200 Trabi-Teile hat er nach eigenen Worten auf Lager: vom Zylinderkopf bis zum kompletten Motor, von der Radkappe bis zum Sitzbezug. Mit 15 Mitarbeitern sorgt er dafür, dass den Trabi-Fans nicht die Teile ausgehen - und dass mancher Trabant neu zum Leben erweckt wird. «Wir haben Kunden in der ganzen Welt - bis nach Neuseeland, Australien, Brasilien und den USA», sagt Hofmann. «Der Trabi ist weit gekommen.» Auch er will mit dem Zweitakter noch weit kommen - nicht nur wirtschaftlich. «Mit meinem Sohn will ich bis ans Nordkap fahren.» Der zweite Trabi dafür müsse allerdings erst noch neu aufgebaut werden.

Nicht jeder teilt die Begeisterung. Der Deutschen Umwelthilfe sind die Abgase der Zweitakter ein Dorn im Auge. Dabei gehe es vor allem um unvollständig verbrannten Kohlenwasserstoff und Kohlenmonoxid. «Wir fordern ein Fahrverbot für alte wie neue Fahrzeuge ohne eine wirksame Abgasreinigung», heißt es in einer Stellungnahme. Denn mit H-Kennzeichen können Fahrer von Trabis und anderer Oldtimer auch in Umweltzonen in Großstädten. Das sei nicht vertretbar, «da sie zur Luftbelastung und damit zur Gesundheitsgefährdung beitragen», moniert die Umwelthilfe.

© dpa-infocom, dpa:240304-99-21056

Autor:

Victor Schlampp aus Schwabach

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