US-Politiker mit Wurzeln in Fürth
Henry Kissinger ist tot

Der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger ist tot. Foto: Laurent Gillieron KEYSTONE/epa/dpa
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WASHINGTON/FÜRTH (dpa/ak) – Der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger ist verstorben. Der in Fürth geborene Deutschamerikaner starb am Mittwoch im Alter von 100 Jahren in seinem Haus in Connecticut. Dies wurde von einer Sprecherin der Kommunikationsagentur Edelman bestätigt, die Kissinger Associates vertritt.

Kissinger war eine herausragende Persönlichkeit in der US-Politik und spezialisierte sich auf Geheimdiplomatie. Er wird als einer der größten Diplomaten des 20. Jahrhunderts angesehen. Zu seinen größten Erfolgen zählt die Annäherung der USA an China in den 1970er Jahren. Allerdings hatte Kissinger auch Schattenseiten. Kritiker warfen ihm Skrupellosigkeit und Machtbesessenheit vor.

Heinz Alfred Kissinger wurde 1923 in Fürth geboren. Als seine jüdischen Eltern mit ihm nach New York flohen, war er 15 Jahre alt. Trotzdem verlor er seine deutschen Wurzeln nie aus den Augen und besuchte mehrmals seine Heimatstadt, der er immer verbunden war. Dies zeigte sich auch in seiner Begeisterung für die SpVgg Greuther Fürth. Seine Karriere erinnert an den amerikanischen Traum: Nach seiner Schulzeit und Militärdienst studierte er in Harvard und später lehrte er dort. 1969 wurde er von Präsident Richard Nixon zum Sicherheitsberater berufen und später zum Außenminister ernannt. In Bezug auf Außenpolitik war er der einflussreichste Politiker in Washington.

Ein bedeutender Meilenstein in seiner Karriere war die Vorbereitung von Nixons Reise nach China. In geheimer Mission reiste Kissinger nach Peking, um den Weg für den Besuch von Nixon und die Normalisierung der Beziehungen zu ebnen. Kissinger wurde als Architekt der amerikanisch-chinesischen Annäherung gefeiert. Doch seine diplomatischen Erfolge endeten damit nicht. Er verhandelte Abrüstungsverträge und Friedensabkommen und wurde zum Medienstar.

Auch nach seiner Zeit in Washington mischte sich Kissinger weiterhin in die Weltpolitik ein und beriet unter anderem den damaligen Präsidenten George W. Bush. Selbst im hohen Alter äußerte er sich noch in Interviews und als Redner zu internationalen Themen. Seinen Kritikern gab er dabei jedoch nicht nach.

Oberbürgermeister der Stadt Fürth Dr. Thomas Jung zum Tod von Henry Kissinger:
„Der Kreis meines Lebens rundet sich hier harmonisch ab, den jahrelang gehegten Wunsch konnte ich heute hier vollenden.“ Dies war einer der berührenden Sätze, den der Fürther Ehrenbürger Henry Kissinger anlässlich seines letzten Besuchs im Juni dieses Jahres beim Festakt zu seinen Ehren im Stadttheater sprach. Kissinger war es ein Herzensanliegen noch einmal seine Geburtsstadt zu besuchen und sein 100. Geburtstag am 27. Mai war schließlich die passende Gelegenheit. Jetzt ist der wohl bekannteste Fürther in seinem Haus in Connecticut, USA, gestorben.
Oberbürgermeister Thomas Jung erinnert an den Menschen und Politiker, der trotz des erlittenen Leids durch das Nazi-Regime seine Heimat Fürth nie vergessen hat und ihr lebenslang verbunden blieb:
„Ich bin sehr froh, dass wir vor wenigen Monaten nochmals die große Ehre hatten, unseren Ehrenbürger in seiner Geburtsstadt willkommen zu heißen. Er konnte dabei das Grab seines Großvaters auf dem neuen jüdischen Friedhof ebenso besuchen wie den Ronhof und hatte bei dem heiteren und gleichzeitig bewegenden Festakt im Stadttheater die Gelegenheit, viele Weggefährten aus Fürth und ganz Deutschland zu treffen.“
Henry A. Kissinger hatte über Jahrzehnte die Weltpolitik geprägt, er war US-Außenminister und Friedensnobelpreisträger; in Fürth wurde er 1973 mit der Goldenen Bürgermedaille und 1998 mit der Ehrenbürgerwürde bedacht. OB Jung weiter: „Bei seinen Besuchen in Fürth habe ich ihn als bescheidenen, bodenständigen und sehr herzlichen Menschen kennenlernen dürfen. Er war an der Entwicklung der Stadt genauso interessiert wie an der Entwicklung seines Fußballvereins des Herzens, der Spielvereinigung Greuther Fürth. Gerne erzählte er von seiner Kindheit, seinen Eltern und seinem Bruder Walter, der ihn 2004 bei einem der Besuche auf eine „sentimental journey“ durch Fürth und Franken begleitete. Trotz der grausamen Geschehnisse, die er und seine Familie durch die Nazis erleiden mussten, trotz des Verlusts seiner Heimat in jungen Jahren, hegte er keinerlei Vergeltungsgedanken, sondern begegnete den Menschen in Fürth und Deutschland mit Offenheit und ehrlichem Interesse.
Mit Henry A. Kissinger verliert die Stadt Fürth eine Jahrhundertpersönlichkeit, einen Staatsmann und Weltpolitiker, der die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts maßgeblich mitgeprägt hat, einen bis
zuletzt viel gefragten Redner, Ratgeber und versierten Beobachter und Analysten der aktuellen politischen Ereignisse und Strömungen. Und die Kleeblattstadt verliert einen Fürther, wie es ihn so schnell nicht mehr geben wird. Danke, Henry A. Kissinger!“

Ein Kondolenzbuch liegt ab Montag, 4. Dezember, zu den üblichen Öffnungszeiten in der Bürgerinformation der Stadt Fürth, Rathaus, Königstr. 86, aus.
Noch bis Mitte 2024 ist die Ausstellung „Henry – World Influencer No.1 – Die Geschichte der Familie Kissinger aus Fürth“ im Ludwig-Erhard-Zentrum Fürth zu sehen.

Das Ludwig Erhard Zentrum (LEZ) trauert um Henry Kissinger
Das Ludwig Erhard Zentrum (LEZ) erinnert mit der großen Sonderausstellung „Henry – World Influencer No. 1. Die Geschichte der Familie Kissinger aus Fürth“ an den vor 100 Jahren in Fürth geborenen und in diesen Tagen verstorbenen ehemaligen amerikanischen Außenminister und Friedensnobelpreisträger Henry Kissinger. Die von Evi Kurz, Autorin und Produzentin des Films (ARD) „Die Kissinger-Saga. Walter und Henry Kissinger – Zwei Brüder aus Fürth“, initiierte Schau stellt die Familie Kissinger mit ihren Fürther Wurzeln und ihrem bewegenden Schicksal in den Mittelpunkt.
„Dass Henry Kissinger seinen 100. Geburtstag bei uns im LEZ feierte, war für uns eine große Ehre und Zeichen der Verbundenheit mit seiner alten Heimat. Ich selbst durfte den Tag in Fürth für ihn und seine Familie planen und organisieren und habe ihn da erneut von seiner sehr menschlichen und einfühlsamen Art kennenlernen dürfen“, sagt Evi Kurz, die Vorstandsvorsitzende des Ludwig Erhard Zentrums.
Die Ausstellung zeichnet den Weg der Kissingers seit Beginn des 20. Jahrhunderts nach. Sie spannt den Bogen von der glücklichen Kindheit der beiden Brüder Henry und Walter in Fürth über den bitteren Verlust der Heimat im Nationalsozialismus und den entbehrungsreichen Neuanfang in den USA bis hin zu den glanzvollen Karrieren der beiden Männer in Wissenschaft, Politik und Wirtschaft sowie der wiederholten Rückkehr in die Stadt ihrer Kindheit seit den 1950er-Jahren. Zu sehen sind eine Vielzahl bislang unbekannter Zeugnisse – gerade aus Fürther Zeit der Familie – aber auch einmalige Artefakte und berührende private Exponate, die die Kissingers auf ihrer Flucht vor den Nationalsozialisten in die USA retten konnten und die heute von der Familie als besondere Erinnerungsstücke aufbewahrt werden. Die Kinder von Walter Kissinger haben diese Stücke Evi Kurz für die Ausstellung anvertraut. Zahlreiche Medienstationen machen die berührende Familiengeschichte lebendig und begreifbar. Besonders nahe kommen Besucher der Familie Kissinger auch im kleinen Kino inmitten der Ausstellungsfläche, wo eine 45-Minuten Version der „Kissinger-Saga“ läuft.
Mit der großen Sonderausstellung lädt das LEZ noch bis Mitte 2024 dazu ein, den Menschen, Politiker und Weltdeuter Henry Kissinger von ganz neuen Seiten kennenzulernen und ihn im Zusammenspiel mit seiner engsten Familie zu erleben. Der Eintritt ist frei.
Zu folgenden Terminen bietet das LEZ öffentliche Führungen ohne Voranmeldung an:
Fr 8.12.23, 16.30 Uhr · So 10.12.23, 15 Uhr · Fr 15.12.23, 16.30 Uhr · So 17.12.23, 15 Uhr · Fr
12.1.24, 16.30 Uhr · So 14.1.24, 15 Uhr · Fr 19.1.24, 16.30 Uhr · So 21.1.24, 15 Uhr
Darüber hinaus können Gruppen individuelle Führungen durch die Ausstellung buchen.
Kontakt: Tel. 0911 6218 080, buchungen@ludwig-erhard-zentrum.de

Tobias Winkler MdB zum Tod des früheren US-Außenministers und Friedensnobelpreisträgers Prof. Dr. Henry Kissinger: 

„Mit dem Tod von Henry Kissinger verliert Fürth einen der bedeutendsten Söhne der Stadt. Mit Trauer und mit Stolz blicken wir zurück auf eine herausragende Persönlichkeit, dessen Lebensleistung seinesgleichen sucht. Als Außenpolitiker bis zuletzt streitbar, war er eine Institution, der eine unerreichte zeitliche Spanne internationaler Politik erlebte und mitgestaltete. Ein wandelndes Geschichtsbuch der Nachkriegszeit, das viele Generationen überdauerte, ist nun geschlossen. Doch auch der historische Band des Henry Kissinger wird noch viele Generationen in seinen Bann ziehen.

Was mir in Erinnerung bleiben wird: Als Büroleiter des ehemaligen Präsidenten des Europäischen Parlaments Dr. Hans-Gert Pöttering, hatte ich das Glück, Henry Kissinger am 21.3.2011 in New York zu begegnen. Neben seiner Einschätzung der Ereignisse des Arabischen Frühlings, sprachen wir auch über das Fußballspiel seines Lieblingsvereins, die SpVgg Greuther Fürth, die am Vorabend unglücklich im Halbfinale des DFB-Pokals gegen Borussia Dortmund ausschied. Henry Kissinger war trotz der Zeitverschiebung bestens über den Spielverlauf informiert und bezeichnete es damals als Fehler, beim 0:0 in der 118. Minute den „Goalie“ für einen vermeintlichen Elfmeter-Killer auszutauschen. Denn in allerletzter Minute traf damals Ilkay Gündogan und beendete den Fürther Traum vom Finale.

Er bekräftigte damals sein Versprechen, im Falle des Aufstiegs in die Erste Bundesliga ein Spiel im Stadion zu besuchen. Am 15.9.2012 war es dann soweit, Fürth war erstklassig und der große und verlässliche Staatsmann löste sein Versprechen ein.“

Autor:

Arthur Kreklau aus Fürth

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