Ein Politikum: Stadtrat entscheidet über die künftige Nutzung des Pellerhauses
NÜRNBERG (nf) - Beim Pellerhaus prallen die Meinungen aufeinander. Morgen, 15. Februar 2017 (aktuelles Update: Beschluss wurde auf eine der nächsten Sitzungen verschoben), will der Nürnberger Stadtrat eine Entscheidung über die zukünftige Nutzung des Pellerhauses treffen. Das Gesamtkonzept des Jugendamtes und der Museen der Stadt Nürnberg steht zur Debatte. Das Planungs- und Baureferat zieht eine gemeinsame Nutzung mit dem Jugendamt vor. Die Verbindung von Spielearchiv und Jugendhaus sei ideal um den Ort zu beleben und Synergie-Effekte zu erzielen. Das Pellerhaus sollte zu einem Haus für Bürgerinnen und Bürger enwickelt werden - Museumsdepot, Jugendarbeit und Gastronomie für Veranstaltung sind angedacht.
Natürlich geht es neben einer sinnvollen Nutzung des Pellerhauses, der sehr teuren Sanierung (vom Brand- und Wärmeschutz bis zu den Installationen ist das Gebäude marode), den generellen Entwicklungschancen des ,,Parkplatzes" am Egidienberg auch um das heiß diskutierte Thema der Fassade des Pellerhauses. Denkmalschützer pochen vehement auf die aktuelle denkmalgeschützte 50er Jahre Fassade, viele Bürger und die Altstadtfreunde möchten die ursprüngliche Renaissance-Fassade wieder herstellen. Die Altstadtfreunde Nürnberg e.V. haben mit Hilfe tausender von kleinen und sehr großen Spenden in einem enormen Kraftakt die Wiederherstellung des Pellerhofes übernommen - ohne dass es die Stadt als Eigentümerin etwas gekostet hat. Hätten sie es nicht getan, würde der verfallene Pellerhof immer noch ein trauriges Dasein fristen. Für die künftige Nutzung hat die Stadt allerdings die Förderfähigkeit schon überprüft und ist positiv gestimmt, auch welche zu erhalten. Das Pellerhaus liegt im Stadterneuerungsgebiet Nördliche Altstadt. Möglich wäre es, sich aus dem Bund-Länder-Städtebauförderungsprogramm ,,Aktive Stadt- und Ortsteilzentren" finanziell bezuschussen zu lassen.
Unter der Gürtellinie
Mit ihrem Vorschlag, nach der Rekonstruktion des Pellerhofes auch die Fassade nach altem Vorbild zu rekonstruieren, ernteten die Altstadtfreunde viel Zustimmung - aber auch massive Kritik, teilweise unter der Gürtellinie. Seit dem Auszug der Stadtbibliotheksbestände 2011 steht das Pellerhaus teils leer, die Baufälligkeit schreitet voran. Karl-Heinz Enderle, 1. Vorsitzender der Altstadtfreunde, schlug den Teilabriss und Nachbau der alten Pellerhaus-Fassade aus dem Jahr 1605 vor. Dieser Idee schloss sich bisher nur CSU-Fraktionschef Sebastian Brehm an.
Hintergrund: Einen weiteren Beitrag ,,Dritter Bauabschnitt Pellerhof" finden sie hier
Statement von Karl-Heinz Enderle
Seine Zweifel an der kommenden Stadtratsentscheidung und seine Kritik äußerte Karl-Heinz Enderle jetzt in einem ausführlichem Statement, das der MarktSpiegel hier ungekürzt wiedergibt:
,,Wenn sich nicht doch noch besonnene Stimmen durchsetzen, wird der Stadtrat am Mittwoch eine möglicherweise fatale Entscheidung zum Egidienberg treffen. Mit dem unveränderten Beschlussvorschlag vom Dezember soll dort die von den 50er Jahren geprägte Situation festgezurrt werden. Da fragt man sich, warum es dann zur Vertagung gekommen ist.
Nachdem der Pellerhaus-Komplex seit Jahren weitgehend leer steht, ist es sicher richtig, die Kosten einer Sanierung des maroden Gebäudes auszuloten. Von deutlich über 10 und deutlich unter 50 Millionen Euro ist die Rede. Wenn die Stadt so viel Geld ausgeben will, dann sollte sie sich aber alle Optionen offenhalten und nicht von vorne herein Entwicklungschancen für den Egidienplatz ausschließen. Denn die sind an dieser sensiblen Stelle des Stadtkerns gewaltig. Sieht man einmal von Augustinerhof ab, dann bietet der Platz eine letzte Möglichkeit, ein wirkliches Kraftzentrum in der Altstadt entstehen zu lassen. Mit der Festschreibung der als Bücherspeicher konzipierten 50er- Jahre-Bebauung wird diese Chance vertan.
Dreh- und Angelpunkt ist die von den Altstadtfreunden ins Spiel gebrachte Rekonstruktion des Pellerhauses. Gerade mit Blick auf die bevorstehende Entscheidung wurden jüngst Versuche unternommen, die Bedeutung des einst prächtigen Hauses herunterzuspielen und die gewaltige Leistung der Altstadtfreunde beim Aufbau des Hofes schlecht zu reden. Bernd Vollmar, Stellvertretender Leiter des Landesamts für Denkmalpflege, behauptete auf einer Veranstaltungsreihe des BDA mit weiß-blauer Arroganz, dass das herausragende Nürnberger Bürgerhaus „niemals weltberühmt“ gewesen sei. Die Formulierung auf der Tafel („weltberühmtes Renaissancegebäude“) sei vom lokalpatriotischen Wunschdenken geprägt. Stimmungsmache, die sich angesichts unzähliger Erwähnungen und Abbildungen in der deutschen und fremdsprachigen Vorkriegsliteratur leicht widerlegen lässt. Selbst in einer Publikation von 2014 aus Vollmars eigenem Haus ist vom „berühmten Pellerhaus“ die Rede.
Nikolaus Bencker, Leiter der Nürnberger Denkmalschutzbehörde, lobte dagegen den Mayer-Bau über den grünen Klee. Er sei „ein Meisterwerk der Architektur“ und in seiner Verschmelzung von Altem und Neuen ein „Glücksgriff“. Ein Gebäude, das auch „der Laie als Einheit“ wahrnehme. Bei der Betrachtung der Rückfassade des Vorderhauses zum Hof, verstieg sich Bencker in die Formulierung, dass das „wertvolle 50er-Jahre-Denkmal“ durch die rekonstruierten Sandsteinaufbauten der Altstadtfreunde „eingezwängt“ werde und dadurch „gelitten“ habe. Eine Behauptung, die auf der Veranstaltungsreihe mehrfach wiederholt wurde. Hier muss doch deutlich widersprochen werden, denn gerade der Anschluss des Hofes an das Vorderhaus hatte die Kriegszerstörung überstanden und wurde von den Architekten Mayer zusammen mit einem Großteil der Rückfassade abgebrochen.
Und das „Meisterwerk“? Kaum einer der Passanten interessiert sich dafür. Immer wieder kann man ratlose Touristen beobachten, die nach einem kurzen, streifenden Blick über die heutige Fassade des Pellerhauses zur Egidienkirche oder zum Tucherschloss weiterziehen. Wenn sie aber den Weg durch die Glastür in die repräsentative Halle des Renaissance-Palasts finden, dann werden sie von einer anderen Welt eingefangen. Ein Eindruck, der sich mit zunehmender Fertigstellung des Hofes noch steigern wird.
Was bedeutet das für die bevorstehende Entscheidung des Stadtrats? Die Festlegung der künftigen Nutzung des Pellerhauses sollte offen sein, die sich deutliche steigernde Dynamik am Egidienberg aufzugreifen. Über vier Millionen Euro sind inzwischen an privaten Spenden für den Hof geflossen. Mit ca. 850.000 Euro konnten die Altstadtfreunde im letzten Jahr einen Rekord beim Spendeneingang für das Renaissance-Juwel erzielen. Der Stadtrat sollte dieses eindrucksvolle Zeichen tausender Spenderinnen und Spender anerkennen. Und er sollte mit seiner Entscheidung auch das herausragende Mäzenatentum der Unternehmerfamilie Diehl würdigen, die der Stadt, nicht den Altstadtfreunden, eineinhalb Millionen Euro für den Pellerhof überließ und darüber hinaus die städtischen Sammlungen im letzten Jahr mit den äußerst wertvollen Dürer-Stichen bereicherte.
Eine Nutzungsfestlegung ohne Option für die Rekonstruktion des Pellerhauses raubt dem Egidienplatz Chancen. Was vor der Zerstörung als Nürnbergs schönster Platz galt, wird weiter ein Schattendasein führen. Angesichts anderer dringender Aufgaben wird die Stadt nicht die Kraft aufbringen, ihn aufzuräumen und vom abgestellten Blech zu befreien. Die prächtige Renaissance-Fassade hätte dagegen Strahlkraft weit über den Platz hinaus, auf den Theresienplatz mit seinem Umfeld und auf die ganze nordöstliche Altstadt. Die hätte eine Aufwertung dringend verdient."
Autor:Redaktion MarktSpiegel aus Nürnberg |
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