Rakteten-Terror in Tel Aviv
Kanzler-Flieger von Olaf Scholz geräumt
TEL AVIV (dpa) - Es ist ein dramatisches Ende eines denkwürdigen Kurzbesuchs in Israel. Bundeskanzler Olaf Scholz, die mitreisenden Mitarbeiter, Journalisten und Sicherheitsleute - insgesamt knapp 50 Passagiere - haben den Regierungs-Airbus in Tel Aviv gerade für den Weiterflug nach Kairo bestiegen, da heißt es auf einmal: «Alles liegen lassen, alle raus.»
Drei Mal Raketenalarm in nur wenigen Stunden
Nicht allen ist sofort klar, was passiert ist. Ein verdächtiger Gegenstand an Bord vielleicht? Es klärt sich aber schnell: Raketenalarm. Schon wieder. Etwa zwei Stunden vorher musste Scholz sich schon in der deutschen Botschaft in Tel Aviv zwei Mal in einem Schutzraum verschanzen. Diesmal geht es raus in die Dunkelheit aufs Flugfeld.
Scholz wird mit einem Fahrzeug zu einem Flughafengebäude gebracht. Ein Teil seiner Delegation läuft hinterher. Einige Mitarbeiter, die Journalisten und die Crew gehen auf dem Flugfeld in Deckung. «Hinlegen», ruft jemand. Alle legen sich flach auf den Boden - neben die Wagen der Kanzler-Kolonne, die da noch stehen. Einer der Sicherheitsleute setzt seinen Schutzhelm auf.
Das Donnern der Abwehrraketen
Zwei Mal donnert es einigermaßen laut. Es sind Abwehrraketen des «Iron Dome», des legendären Raketenschutzschilds, das die israelische Küstenmetropole Tel Aviv vor den aus dem Gazastreifen kommenden Raketen der islamistischen Hamas schützen soll.
Nach wenigen Minuten ist es schon vorbei, es gibt Entwarnung. Alle bleiben noch eine Weile draußen stehen. Erleichterung. Man ist mit dem Schrecken davongekommen. Mit knapp einer Stunde Verspätung geht es dann weiter ins ägyptische Kairo.
Wie gut ist der Kanzler geschützt
Scholz nimmt die Situation gelassen. In etwa so wie den Vorfall, als ihn mal auf dem Rollfeld am Frankfurter Flughafen ein Eindringling umarmte, der sich mit seinem Wagen an seine Kolonne gehängt hatte. Es gab eine große Diskussion, ob der Kanzler gut genug geschützt ist. Scholz schockt so etwas nicht.
Das eigentliche Drama spielt sich woanders ab
Dramatisch geht dieser Solidaritätsbesuch aber auch wegen eines anderen, wirklich schlimmen Vorfalls im Gazastreifen zu Ende. Bei einem Raketeneinschlag in einem Krankenhaus werden nach Angaben des dortigen Gesundheitsministeriums, das der Hamas untersteht, Hunderte Menschen getötet und verletzt. Von palästinensischer Seite wird Israel beschuldigt. Israels Militär macht dagegen einen fehlgeschlagenen Raketenabschuss des Islamischen Dschihad verantwortlich.
Schwieriger Besuch des Kanzlers in Ägypten
So oder so ist der Schaden über die vielen Toten hinaus auch politisch immens. Jordanien sagt ein für Mittwoch geplantes Gipfeltreffen zwischen König Abdullah II., US-Präsident Joe Biden und Ägyptens Staatschef Abdel Fattah al-Sisi ab. In mehreren muslimisch geprägten Ländern kommt es noch am Dienstagabend zu spontanen Protesten, auch in deutschen Städten gehen Hunderte auf die Straßen. In Berlin-Neukölln brennen Straßenbarrikaden, das Holocaust-Mahnmal muss massiv von Sicherheitskräften geschützt werden. Es kommt zu einem ersten versuchten Brandanschlag auf eine jüdische Einrichtung. Scholz reagiert darauf von Kairo aus, der zweiten Station seiner Nahost-Mission, und kündigt weitere Sicherheitsvorkehrungen an. «Das empört mich persönlich, was einige dort rufen und tun», sagt er.
Die Tragödie in Gaza und ihre Folgen überschattet den Besuch des Kanzlers in Ägypten, bei dem er Al-Sisi trifft. Scholz ist eigentlich in die Region gereist, um dazu beizutragen, dass es nicht zu einem Flächenbrand in der Region kommt. Die Chancen dafür sind nun erstmal gesunken.
Geiselbefreiung wird nicht einfacher
Und auch ein anderes Thema wird nicht einfacher. Scholz ist auch nach Ägypten gereist, um sich um die Freilassung der rund 200 Geiseln im Gazastreifen zu bemühen - darunter einige Deutsche. Von Al-Sisi erhofft er sich Hilfe, für die von der Hamas verschleppten Menschen ohne Bedingungen freizubekommen. Mit jeder Eskalation wird das nun schwieriger.
Auch wenn seine erste Nahost-Mission nicht ganz so gelaufen ist, wie sich der Kanzler das vielleicht vorgestellt hat, er wird sich weiter einschalten. Vor seiner Rückreise nach Berlin sagt er: «Deutschland ist auch sehr angesehen bei vielen anderen Regierungen hier. Und wenn das so ist, dann sollten wir das auch nutzen für eine Ermöglichung einer friedlicheren Entwicklung als die, die sich jetzt abzeichnet.»
Von Michael Fischer, dpa
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