Bundesinnenministerin missachtet Gericht
Nutzte Nancy Faeser (SPD) Informationen des Geheimdienstes?

Nancy Faeser (r.) und Marco Buschmann zu Beginn einer Debatte im Bundestag.  | Foto:  Wolfgang Kumm/dpa
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BERLIN/MÜNCHEN (dpa) - Bundesinnenminiserin Nancy Faeser (SPD) wird wegen ihres Nichterscheinens im Innenausschuss des Bundestags von der CSU scharf kritisiert. In der Sitzung sollte sie am Donnerstag darüber aufklären, warum sie im vergangenen Jahr Arne Schönbohm als Chef des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) abgesetzt hat.

«Anstatt die Vorwürfe aufzuklären, missachtet Nancy Faeser mit an den Haaren herbeigezogen Begründungen das gesamte Parlament», sagte CSU-Generalsekretär Martin Huber der Deutschen Presse-Agentur.

Faeser gebe sich noch nicht einmal Mühe, sich glaubwürdige Ausreden zu überlegen. «Das zeigt deutlich ihre ganze Verachtung gegenüber dem Parlament. Dieses Verhalten ist unwürdig.» Faeser sei als Ministerin vollkommen überfordert. «So jemand kann kein Bundesland regieren», sagte der CSU-Generalsekretär über Faeser, die Spitzenkandidatin der Hessen-SPD für die Landtagswahl am 8. Oktober ist.

Bei der von der Union beantragten Sondersitzung sollte es laut «Welt» um die Frage gehen, ob Faeser Informationen des Verfassungsschutzes genutzt hat, um Schönbohm abzuberufen. «Der Verfassungsschutz soll unser Land schützen und nicht der Innenministerin unliebsame Beamte vom Hals schaffen», sagte dazu CSU-Generalsekretär Huber. Die SPD weist den Vorwurf, dass der Inlandsgeheimdienst instrumentalisiert worden sei, strikt zurück.

Wurde der BSI-Präsident vorschnell abberufen?

Es geht um den Vorwurf, die 53-jährige Juristin habe den früheren Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, 2022 vorschnell von seinem Posten abberufen. Anschließend habe sie dann krampfhaft versucht, dies zu rechtfertigen. Dass die Ministerin mit dem, was die zuständige Abteilung ihres Hauses bei den disziplinarrechtlichen Vorermittlungen über Schönbohm damals zusammengetragen hatte, wohl unzufrieden war, und angeregt hatte, noch einmal gründlicher zu suchen, geht aus einem internen Vermerk aus dem Bundesinnenministerium hervor, der bereits am Dienstag Thema im Innenausschuss war und nun von «Bild» veröffentlicht wurde. Konkrete Hinweise darauf, dass sie, wie von einigen Kritikern angedeutet wird, den Verfassungsschutz regelrecht auf Schönbohm angesetzt habe, sind aber nicht aufgetaucht.

Bevor Schönbohm seinen Posten verlor, hatte sich im Oktober 2022 die Satiresendung «ZDF Magazin Royale» von Jan Böhmermann unter dem Stichwort «#cyberclown» mit dem Behördenleiter beschäftigt. In der Sendung wurde Schönbohm eine zu große Nähe zu einem Verein für Cybersicherheit angelastet, dessen Vereinspräsident nach Ansicht aus Sicherheitskreisen lange kein ausreichendes Problembewusstsein gezeigt hatte, was bestimmte Russland-Kontakte angeht.

Manche meinen, die Ministerin sei nach der Ausstrahlung gleich auf Distanz zu Schönbohm gegangen, um selbst nichts von der Kritik abzubekommen oder weil sie angeblich die Gelegenheit nutzen wollte, einen Behördenleiter auszutauschen, der womöglich ohnehin nicht ganz auf ihrer Wellenlänge lag. Wohlwollendere Stimmen sagen, angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine habe Faeser keine Risiken eingehen wollen und deshalb schnell gehandelt.

Schadenersatz-Klage facht die Debatte an

Schon im Herbst 2022 war die Abberufung Schönbohms von politischen Gegnern scharf kritisiert worden. Dass das Thema jetzt, zu einem für Faeser ungünstigen Zeitpunkt, wieder hochkocht, hat mit einer nun erhobenen Schadenersatz-Klage Schönbohms zu tun. Der ist zwar inzwischen Präsident der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung und damit beruflich und finanziell abgesichert. Doch Schönbohm ging es von Anfang an immer auch um seinen Ruf und darum nachzuweisen, dass das Bundesinnenministerium - so sieht er es zumindest - ihm gegenüber seine beamtenrechtliche Fürsorgepflicht verletzt hat.

Der Fall zeigt, dass ein Amt wie das der Bundesinnenministerin nicht unbedingt hilfreich ist, wenn es darum geht, die Staatskanzlei in Hessen zu erobern. Den SPD-Politikerinnen Manuela Schwesig und Franziska Giffey ist es zwar einst gelungen, aus dem Bundeskabinett an die Spitze einer Landesregierung zu wechseln. Doch beide waren zuvor für das Bundesfamilienministerium verantwortlich. Vielleicht lauern dort weniger Fallstricke als im Innenressort, wo auch die momentan so kontrovers diskutierten Themen Migration und Flüchtlinge angesiedelt sind.

Auf ihre Doppelrolle angesprochen, sagte Faeser diese Woche der Deutschen Presse-Agentur: «Es ist demokratische Normalität, dass man aus Ämtern heraus kandidiert.» Das hätten einst auch Ex-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und deren Nachfolger Olaf Scholz (SPD) getan.

Umfrage sah zuletzt die CDU vorne

Eine deutliche Wechselstimmung in Hessen zeigen die Umfragen vorerst nicht. Laut einer am 25. August veröffentlichten Befragung wäre die CDU, wenn schon am 27. August gewählt worden wäre, auf 31 Prozent gekommen. Die SPD erreichte 20 Prozent, die Grünen 18 Prozent. Die AfD erzielte 15 Prozent, die FDP 6 Prozent. Die Linke hätte mit 3 Prozent den Wiedereinzug in den Landtag verpasst. Wahlumfragen spiegeln aber nur das Meinungsbild zum Zeitpunkt der Befragung wider und sind keine Prognosen auf den Wahlausgang.

Die hessische SPD-Chefin, die zwischen ihren Wohnorten Schwalbach am Taunus und Berlin pendelt, verwies denn auch auf frühere Wahlsiegerinnen, für die es zunächst nicht so rosig ausgesehen hatte. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Saar-Amtskollegin Anke Rehlinger (beide SPD) etwa hätten vor ihren Landtagswahlen 2021 und 2022 erst lange hinten gelegen und dann doch noch gewonnen. Generell seien Wahlkämpfe heute wohl länger offen als früher, sagte Faeser der dpa.

Schon seit fast einem Vierteljahrhundert regiert die CDU in der einstigen roten Hochburg Hessen, seit nahezu zehn Jahren zusammen mit den Grünen. Ministerpräsident Boris Rhein will an der Seite von CDU-Bundeschef Friedrich Merz an diesem Samstag (9. September) in Frankfurt offiziell in die heiße Phase des Wahlkampfs starten.

Autor:

Nicole Fuchsbauer aus Nürnberg

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