Kritik an der Corona-Strategie von Bund und Ländern
Perspektivlos: Corona-Politik in der Sackgasse?
MÜNCHEN (dpa/lby) - Die jüngsten Corona-Beschlüsse von Bund und Ländern stoßen neben Zustimmung auch in Bayern auf viel Kritik aus unterschiedlicher Richtung. Die Grünen im Landtag beklagen besonders, dass eine Strategie für die Schulen fehle.
«Die Ergebnisse sind wirklich enttäuschend», sagte Christina Haubrich, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion, einer Mitteilung zufolge. Wie der angestrebte Präsenzunterricht umgesetzt werden könne, bleibe offen. «Dabei wären zum Beispiel PCR-Pooltests an allen Schulformen eine extrem wichtige und gleichzeitig einfache Maßnahme, um die Einrichtungen offen halten zu können.»
Der Sozialverband VdK kritisierte, Pflegeheime seien erneut vergessen worden. Für alle Besucher und Mitarbeiter müsse es weiter kostenlose Tests geben. «Nur so lassen sich Leben retten», sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele einer Mitteilung zufolge. «Die ungeimpften Bewohner sind der Gefahr der Infektion besonders ausgesetzt, wenn wir jetzt nicht weiter testen.»
Für die Gastronomie fordert der Verein zum Erhalt der bayerischen Wirtshauskultur (VEBWK) mehr Verhältnismäßigkeit bei Zugangsregeln. «Das Gastgewerbe gilt seit Anbeginn der Coronakrise als Sündenbock», beklagte Geschäftsführerin Ursula Zimmermann in einer Mitteilung. «Dabei macht diese Branche einen zu vernachlässigenden Anteil in den Infektionen aus.» Besonders für Clubs und Diskotheken gebe es bisher keine Öffnungsperspektiven.
Die AfD im Landtag warnte vor eine Spaltung der Gesellschaft in Geimpfte und Ungeimpfte. «Durch sinnlose Testpflichten sollen Menschen, die die Impfung skeptisch sehen oder ablehnen, drangsaliert werden», kritisierte Fraktionsvorsitzende Ebner-Steiner in einer Mitteilung.
Der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Martin Hagen, sagte, die deutsche Coronapolitik stecke in einer Sackgasse. «Jetzt, wo sich jeder durch eine Impfung schützen kann, ist die richtige Zeit, die Einschränkungen zu beenden.»
Kritik von Lehrern
Kritik an der Schwerpunktsetzung kam hingegen von den Lehrerverbänden: Es wäre dringend notwendig gewesen, sich darauf zu einigen, in den nächsten Wochen möglichst viele Unterrichtsräume mit Raumluftfilteranlagen auszustatten, sagte der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
«Wir fürchten, dass es weiter Länder geben wird, die ihre Schulen in dieser Frage weitgehend im Stich lassen.» Die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Maike Finnern, sagte dem RND, der Gipfel habe versäumt, mit bundesweit einheitlichen Leitlinien für Klarheit zu sorgen.
Auch der Hausärzteverband hat enttäuscht auf die Ergebnisse der Ministerpräsidentenkonferenz reagiert. Es hätte «endlich eines bundeseinheitlichen, umfassenden Bewertungssystems des Pandemiegeschehens auf Basis unterschiedlicher Faktoren bedurft,» sagte der Vorsitzende des Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt, den Zeitungen der «Funke»-Mediengruppe. Für die Erarbeitung solcher neuen Maßstäbe «war Zeit genug in den letzten Monaten».
Ethikrat auch für kostenpflichtige Tests
Alena Buyx, die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, hat sich für kostenpflichtige Corona-Schnelltests ausgesprochen. Dies sei folgerichtig und nachvollziehbar, denn wer sich trotz aller niedrigschwelligen Impfangebote jetzt gegen die Impfung entscheide, der sorge letztlich dafür, dass die Pandemie weitergehe, sagte Buyx am Mittwoch dem Fernsehsender Phoenix. «Und dann ist es sehr schwer zu begründen und zu sagen: "Bitte zahlt mir als Solidargemeinschaft, die ihr euch alle impft, weiter die Tests, damit ich ins Kino oder ins Konzert kann".»
Die Ethikrat-Vorsitzende sprach sich zudem dafür aus, neben der Inzidenz zusätzliche Faktoren zur Beurteilung des Pandemiegeschehens heranzuziehen. «Da brauchen wir tatsächlich etwas, mit dem man differenzierter die veränderte Situation wahrnehmen kann. Nur die Inzidenz ist sicher nicht das, was man jetzt noch nutzen kann.» Es wäre hilfreich, wenn es dafür klare Kriterien gäbe, sagte sie. Von dem Bund-Länder-Gipfel hätte sie sich dahingehend «mehr gewünscht».
Nach den Beschlüssen müssen sich Nicht-Geimpfte im Kampf gegen eine neue große Corona-Welle auf mehr Testpflichten im Alltag einstellen. Zudem müssen Schnelltests ab 11. Oktober in der Regel auch selbst bezahlt werden. Das erklärte Ziel: Möglichst schnell möglichst viele Menschen zur Impfung zu bewegen.
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