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Was die Deutsche Bahn von anderen lernen kann

Symbolfoto: Soeren Stache/dpa
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BERLIN (dpa/mue) - Es ist nicht immer fair, angesichts der Unzuverlässigkeit der Deutschen Bahn auf andere Länder wie Japan zu verweisen. Doch wer am Bahnhof mal wieder auf einen verspäteten ICE wartet, wegen einer geänderten Wagenreihung ans andere Ende des Bahnsteigs oder sogar zu einem anderen Gleis sprinten muss, der denkt wohl trotzdem sehnsüchtig an Zustände wie in dem fernostasiatischen Land.

Dort sind Verspätungen so selten, dass sie von den Medien prompt als Hauptnachricht aufgegriffen werden, wenn sie doch mal vorkommen. Doch kann sich die Deutsche Bahn bei anderen Ländern wirklich etwas abgucken? Vielerorts sind die Züge zuverlässiger unterwegs als in der Bundesrepublik. Vergleichbar sind die Werte allerdings nur bedingt. Zum einen wird die Pünktlichkeit jeweils unterschiedlich definiert und gemessen. Hinzu kommt, dass das deutsche Schienennetz das größte und eines der komplexesten in Europa ist und die Betreiber somit vor besondere Herausforderungen stellt. Dennoch wird das Thema Bahn in anderen Ländern seit vielen Jahren deutlich beherzter angegangen.

Beispiel Schweiz

In der Schweiz waren im vergangenen Jahr 92,5 Prozent der Züge pünktlich. Das heißt, sie hatten weniger als drei Minuten Verspätung. In Deutschland gilt ein Zug noch mit bis zu sechs Minuten Verzögerung als pünktlich. Die Schweizer Bahnen (SBB) setzen stärker auf flüssigen Verkehr statt auf Hochgeschwindigkeitszüge wie den ICE. Die Bahnfahrt dauert deshalb oft etwas länger als auf einer vergleichbaren ICE-Strecke, aber die pünktliche Ankunft ist mehr oder weniger garantiert. Zudem haben die Züge breite Türen, so dass Ein- und Ausstieg schneller funktioniert. Reservierungen sind unüblich. Es verkehren überwiegend Doppelstockzüge, in denen in der Regel Plätze zu finden sind.

Die Schweizer haben eines der dichtesten Eisenbahnnetze der Welt. Die Strecken sind in dem kleinen Land aber natürlich deutlich kürzer als in Deutschland. Das deutsche Schienennetz ist etwa siebenmal so groß. Das Land investiert - berechnet auf die jeweilige Größe - jedes Jahr aber etwa doppelt so viel in Betrieb und Wartung wie die Deutsche Bahn.

Beispiel Italien

Mit rund 16.800 Kilometern ist das italienische Streckennetz gerade einmal halb so groß wie das deutsche. Allerdings hat der italienische Staat insbesondere das Fernverkehrsnetz in den vergangenen Jahren stark ausgebaut und plante für die vergangenen Jahre Milliardeninvestitionen in die Modernisierung und den Ausbau. Im laufenden Jahr war der Bahnverkehr indes von mehreren Streiks betroffen, die zu teils schweren Einschränkungen wie Verspätungen und Zugausfällen geführt haben. Die italienische Staatsbahn Ferrovie dello Stato Italiane (FS) teilte allerdings mit, dass der Pünktlichkeitsindex der Hochgeschwindigkeitszüge im Jahr 2022 rund 78 Prozent betrug. Im ersten Halbjahr 2023 habe er 80,2 Prozent erreicht. Auch bei Regionalzügen sehe es ähnlich aus. Für die FS gilt demnach ein Zug mit zehnminütiger Verspätung noch als pünktlich.

Beispiel Japan

In Deutschland teilen sich Güter-, Regional- und Fernverkehrszüge ein und dasselbe Schienennetz. Japan dagegen hat ein separates Netz für die Hochgeschwindigkeitszüge Shinkansen geschaffen. Auf diesen Strecken können die Züge bis auf mehr als 320 Kilometer in der Stunde beschleunigen, ohne auf langsamere Personen- und Güterzüge Rücksicht nehmen zu müssen. Hinzu kommt, dass Wartungsarbeiten in Japan fast immer während der nächtlichen Betriebspause durchgeführt werden. In Japan wäre es undenkbar, Strecken über Monate hinweg stillzulegen. Außerdem sind die Haltezeiten an Japans Bahnhöfen und die Taktung der Züge trotz des Transports großer Menschenmengen kurz. Schattenseite dabei ist, dass zu den Stoßzeiten viele Züge total überfüllt sind.

Beispiel Ukraine

Selbst die ukrainische Eisenbahn verzeichnete einer Sprecherin zufolge eine Pünktlichkeitsquote von 87 Prozent. Bei der Deutschen Bahn waren im gesamten Personenverkehr im selben Zeitraum zwar 91,7 Prozent der Züge pünktlich. In der Ukraine wird aber jede noch so kleine Verspätung erfasst, «selbst, wenn es nur eine Minute ist», wie es hieß. Die Staatsbahn Ukrzaliznytsia gilt als Rückgrat für den Verkehr in dem vom russischen Angriffskrieg gebeutelten Land. Der Regierung liegt deshalb viel daran, zerstörte Strecken im Eiltempo wieder instandzusetzen.

Auch wenn die Pünktlichkeit im ersten Halbjahr hoch war, so ist der Bahnverkehr kaum mit dem deutschen zu vergleichen. Die ukrainische Eisenbahn verzeichnete im gesamten ersten Halbjahr im Personenverkehr eigenen Angaben zufolge rund 24.700 Fahrten. Bei der Deutschen Bahn sind es allein im Fernverkehr pro Monat 20.000 Fahrten plus 780.000 weitere im Regionalverkehr.

Und Deutschland?

Die hohe Unpünktlichkeitsqoute bei der Bahn liegt vor allem am in weiten Teilen maroden Streckennetz. Über Jahrzehnte wurden Investitionen in Ausbau und Sanierung der Gleise vernachlässigt. Daten der Allianz pro Schiene zeigen, dass Deutschland seit Jahren europaweit zu den Ländern mit den geringsten Pro-Kopf-Investitionen ins eigene Schienennetz gehört.

Erst seit wenigen Jahren mehren sich die Zeichen, dass die Bundesregierung das Ruder rumreißen will: «Wir werden alles daransetzen, den gewaltigen Investitionshochlauf in den kommenden Jahren fortzusetzen - das im Koalitionsbeschluss vom März bekräftigten Ziel, bis 2027 insgesamt bis zu 45 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung zu stellen», bekräftigte jüngst Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP).
Stark befahrene Strecken sollen per Generalsanierung in den kommenden Jahren nach und nach modernisiert werden, mit dem Deutschlandtakt soll zudem alle halbe Stunde ein Fernzug die großen Metropolen miteinander verbinden. Bis diese Maßnahmen auch für die Fahrgäste spürbar werden, dürfte es allerdings noch einige Jahre dauern. Andere Länder haben da bereits einen großen Vorsprung.

Autor:

Uwe Müller aus Nürnberg

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