Hat das Deutschlandticket eine Zukunft?
Bürokratie und Kosten könnten alles kaputt machen
BERLIN (dpa) - Angesichts der Diskussionen über das Deutschlandticket hat ein Mobilitätsexperte vor einer Preiserhöhung gewarnt.
«Nach unseren Berechnungen nutzen rund 10 Millionen Menschen derzeit das Deutschlandticket. Sollte der Preis auf 59 Euro steigen, blieben vielleicht noch sechs bis sieben Millionen», sagte Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum für Sozialforschung in Berlin der Deutschen Presse-Agentur. «Das Ticket müsste eigentlich 29 Euro kosten, dann hätte man viel mehr Menschen in den Zügen.» Von den aktuellen politischen Entwicklungen sei er «bestürzt».
Finanzierung nicht in allen Punkten geregelt
Bund und Länder haben sich am Montag zwar darauf verständigt, dass es das Deutschlandticket auch im kommenden Jahr geben wird - die Finanzierung ist aber weiterhin nicht in allen Punkten geregelt. Die Verkehrsminister der Länder wurden aufgerufen, ein Konzept für die Zukunft des Deutschlandtickets über den 1. Mai 2024 hinaus zu entwickeln - inklusive einer möglichen Preiserhöhung.
Wissenschaftler Knie kritisierte, dass das Ticket bereits jetzt ein Fahrschein für Menschen mit höherem Einkommen sei. Er geht davon aus, dass lediglich 400.000 bis 500.000 Menschen, die vorher gar kein ÖPNV-Ticket hatten, mit dem Deutschlandticket nun Busse und Bahnen nutzen. Vor allem Menschen, die in den Speckgürteln großer Städte wohnen und vor dem Deutschlandticket teils dreistellige Beträge für einen Monatsfahrschein zur Arbeit ausgeben mussten, profitierten vom 49-Euro-Angebot.
Bei Verkehrsverbünden sparen
Um das Deutschlandticket günstiger anbieten zu können, sollten die Verkehrsverbünde bei der Bürokratie sparen - hier gebe es viel Potenzial. «Man könnte ja sparen, aber bei den Verkehrsverbünden tut man sich schwer», sagte Knie. In Deutschland gibt es mehr als 60 Verkehrsverbünde.
In manchen Regionen hat auch diese Zersplitterung in der Vergangenheit zu komplizierten Tarifstrukturen geführt, die durch das Deutschlandticket Geschichte sein sollen. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat sich zuletzt mehrfach dafür ausgesprochen, die Zahl der Verkehrsverbünde zu reduzieren, um so zu effizienteren Strukturen zu kommen und Geld für Verwaltungsaufgaben einzusparen.
Experten geben Minister recht
«Wissing hat recht, es gibt zum Teil schon sehr aufgeblähte Strukturen bei den Verkehrsverbünden und Aufgabenträgern», meint auch der Berliner Verkehrsforscher Christian Böttger. Die fehlende Einigung bei der Ministerpräsidentenkonferenz sei letztlich ein Sparauftrag an die Länder. Der öffentliche Nahverkehr sei allerdings einer der wenigen Bereiche, in denen Landes- und Kommunalpolitiker noch eigenen Entscheidungsspielraum hätten - und dieser werde nun verteidigt. «Da geht es auch um Jobs vor Ort, die wegfallen würden, wenn es beispielsweise ein bundeseinheitliches Ticketsystem geben würde», sagte Böttger.
Der Verkehrsforscher sieht eine mögliche Ursache für die Härte des Konfliktes zwischen Bund und Ländern: «Viele Bundesländer und Verbünde haben das Deutschlandticket um eigene Sonderangebote ergänzt, eine unbekannte Zahl bekommt das Ticket sogar kostenlos vom Arbeitgeber gestellt», sagt Böttger. Bei der Einführung wurde zwischen Bund und Ländern eine Kostenteilung vereinbart. «Jetzt wollen die Länder mehr Geld vom Bund als ursprünglich vereinbart - vorstellbar, dass dies den Bund verärgert hat.»
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