Erst Negativzinsen, jetzt Rekordinflation
Die seit Jahren andauernde Geldentwertung geht ungebremst weiter
BERLIN/FRANKFURT (dpa/vs) - Deutschlandweit leiden viele Sparerinnen und Sparer darunter, dass ihr Geld seit Jahren immer mehr an Wert verliert. War es noch vor wenigen Monaten die Sorge vor Negativzinsen auch auf kleinere Bankeinlagen, so ist es jetzt die Rekordinflation, die vielen Menschen Angst bereitet. Weil die Krise immer mehr auch den Mittelstand erreicht, verheißt dies nichts Gutes für die Konjunkturentwicklung der nächsten Monate. Eine aktuelle Anlayse:
Von Friederike Marx, dpa
Gaskrise und hohe Inflation in Deutschland zwingen viele Menschen laut einer Umfrage zum Verzicht im Alltag, der Einkaufskorb wird leerer. Zugleich nagt die hohe Teuerungsrate am Ersparten und der Traum von den eigenen vier Wänden rückt angesichts gestiegener Bauzinsen und hoher Kosten für viele in die Ferne. «Auskommen mit dem Einkommen, das ist für die deutliche Mehrheit der deutschen Privathaushalte das Motto der nächsten drei Jahre», sagte der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes Helmut Schleweis.
Konsum: In den vergangenen zwölf Monaten haben laut der DSGV-Umfrage 57 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher ihren Konsum bereits eingeschränkt. «Rund 90 Prozent der Befragten treibt die Inflation um», berichtete Schleweis. 46 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben an, dass sie sich künftig über die bisherigen Maßnahmen hinaus einschränken wollen. Bei einer Nachbefragung im Oktober waren es sogar mehr als die Hälfte (54 Prozent). Insgesamt wurden mehr als 4800 Menschen befragt, die Hauptbefragung fand im Sommer statt.
Besonders hart trifft der starke Anstieg der Inflationsrate, die im September 10,0 Prozent erreichte, Menschen mit geringerem Einkommen. So gaben 83 Prozent der Befragten mit einem Haushaltsnettoeinkommen von unter 1000 Euro an, sie hätten in den letzten Monaten auf alltägliche Dinge verzichten müssen. Bei 40 Prozent war es ein Verzicht in größerem Umfang.
Sorgen auch in der Mittelschicht
Aber auch wer mehr verdient, macht sich Sorgen. «Der Druck kommt auch in der Mittelschicht an, die bisher vergleichsweise gut über die Runden gekommen ist und nicht von staatlichen Transferleistungen abhängig war», berichtete Schleweis. 58 Prozent mit einem Haushaltsnettoeinkommen von 2500 Euro und mehr mussten sich nach eigenen Angaben einschränken, wenn auch mehrheitlich in kleinem Umfang.
Sparen: Die stark gestiegene Inflation erschwert es nach Einschätzung der DZ Bank vor allem Haushalten mit niedrigem Einkommen, Geld auf die hohe Kante zu legen. «Andererseits führt die hohe Unsicherheit dazu, dass private Haushalte vorsichtiger werden, sich mit größeren Anschaffungen wie Möbeln oder einem neuen Auto zurückhalten und mehr Vorsorge betreiben – ein Verhalten, das in Krisen immer wieder beobachtet werden kann», analysierte DZ-Ökonom Michael Stappel.
Nach seiner Einschätzung dürfte die Sparquote in diesem Jahr im Vergleich zu den Ausnahmejahren 2020 und 2021 zwar kräftig sinken, aber etwas höher ausfallen als 2019. Im ersten Halbjahr legten die privaten Haushalte nach Angaben des Statistischen Bundesamtes je 100 Euro verfügbarem Einkommen im Schnitt 11,10 Euro auf die Seite. Die Sparquote lag mit 11,1 Prozent in etwa auf dem Niveau des Vor-Corona-Jahres 2019. Während der Pandemie hatten viele Menschen mehr Geld übrig als in normalen Zeiten, zum Beispiel weil Urlaubsreisen ausfielen und Freizeiteinrichtungen zeitweise geschlossen waren. Im ersten Halbjahr 2021 war die Quote aufgrund der Einschränkungen auf den Rekordwert von 18,2 Prozent gestiegen.
Zinssatz deutlich im Minus
Zwar tasten sich Banken und Sparkassen bei den Sparzinsen inwischen nach oben. Unter dem Strich machen Anleger wegen der hohen Inflation derzeit aber ein Minus. «Bei 10 Prozent Inflation liegt der reale Zinssatz deutlich im Minus. Das ist schlechter als in früheren Negativzinszeiten», erläutert Schleweis. Der Realzins ist der Zins für Spareinlagen nach Abzug der Teuerungsrate.
Immobilien: Der Wunsch nach den eigenen vier Wänden ist dem Sparkassenverband zufolge weiterhin hoch. Doch vielen fehle das Geld dafür. Bei der Befragung im Oktober gaben nur noch 26 Prozent der Menschen zwischen 20 und 50 Jahren an, Wohneigentum erwerben zu wollen. Es mangele oft an Eigenkapital. «Durch gezielte Förderprogramme muss der Traum vom Wohneigentum erleichtert werden», forderte Schleweis.
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