Problemliste der Ampel-Koalition
Tiefstand: Mehrheit hat kein Vertrauen mehr in den Staat!
BERLIN (dpa) - Unterrichtsausfall an den Schulen, bei der Flüchtlingsaufnahme überforderte Kommunen, ewige Wartezeiten für Termine bei Behörden - die Problemliste des deutschen Staates ist lang. Und das hat Folgen für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in seine Handlungsfähigkeit. Es ist nach einer neuen Umfrage auf einen neuen Tiefstand gesunken.
In der Forsa-Erhebung für den Deutschen Beamtenbund (dbb) hielten nur noch 27 Prozent der Befragten den Staat für fähig, seine Aufgaben zu erfüllen. Das waren zwei Prozentpunkte weniger als im vergangenen Jahr. 69 Prozent sahen ihn als überfordert an - vor einem Jahr waren es 66 Prozent gewesen.
Diese Zahlen seien «erschreckend», sagte der dbb-Vorsitzende Ulrich Silberbach - «weil wir natürlich in einer Zeit leben, wo wir merken, dass die Bürgerinnen und Bürger Orientierung brauchen, dass die Bürgerinnen und Bürger auch Führung brauchen». Der Gewerkschafter konnte sich einen Seitenhieb auf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nicht verkneifen: «Es gibt jemanden im Kanzleramt, der hat gesagt, wer bei mir Führung bestellt, der bekommt sie. Das scheint sich bei den Bürgerinnen und Bürgern noch nicht so eingestellt zu haben.»
Den Ärger der Menschen müssten die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ausbaden, kritisierte Silberbach. Mehr als die Hälfte von ihnen (54 Prozent) sei im Dienst schon beschimpft, bedroht oder tätlich angegriffen worden. «Wir erwarten von der Politik, dass sie die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ihre Arbeit machen lässt», sagte der dbb-Chef. Dazu gehörten eine ausreichende Personalausstattung und eine leistungsgerechte Bezahlung, aber auch das Themenfeld Digitalisierung. Hier sei der Abbau der Bundesmittel von 377 auf 3,3 Millionen Euro das «vollkommen falsche Signal».
Besonders schlecht ist das Ansehen des Staates in Ostdeutschland. Dort waren 77 Prozent der Befragten davon überzeugt, dass er hinsichtlich seiner Aufgaben und der bestehenden Probleme überfordert sei - im Westen waren es 68 Prozent. Bei Anhängern von CDU und CSU sind es der Umfrage zufolge 22 Prozent, bei Anhängern der FDP 34, der SPD 46 und der Grünen 52 Prozent.
Bei der Frage, auf welchen Feldern der Staat überfordert sei, hat es eine signifikante Veränderung gegeben. Während 2022 - kurz nach dem Beginn des Ukraine-Krieges - mit 17 Prozent die Energieversorgung ganz oben stand, ist es jetzt mit 26 Prozent die Asyl- und Flüchtlingspolitik. Die Energieversorgung kommt nur noch auf 7 Prozent. Sehr oft genannt wurden auch die Schul- und Bildungspolitik (19 Prozent) sowie der Klima- und Umweltschutz (17 Prozent).
Beim Ansehen einzelner Berufsgruppen stehen wie in den Vorjahren Feuerwehrleute (94 Prozent Zustimmung) ganz oben, gefolgt von Krankenpflegerinnen und Krankenpflegern, Ärztinnen und Ärzten sowie Altenpflegerinnen und Altenpflegern. Beamte (32 Prozent) sowie Journalistinnen und Journalisten (31 Prozent) rangieren im hinteren Mittelfeld. Politikerinnen und Politiker kommen auf 14 Prozent Zustimmung. Ganz unten stehen Mitarbeiter in Werbeagenturen und Versicherungsvertreter (jeweils 8 Prozent).
Soziale Gerechtigkeit als wichtigste Aufgabe
Als wichtigste Aufgaben des Staates nannten wie im Vorjahr die meisten Befragten das Aufrechterhalten der sozialen Gerechtigkeit in der Gesellschaft. Investitionen für den Klimaschutz wie den Ausbau der erneuerbaren Energien nannten diesmal deutlich weniger Bürger (minus sieben Prozent) als sehr wichtige Aufgabe.
Forsa-Chef Manfred Güllner sagte, die Zahlen enthielten Hinweise auf Brüche in der Gesellschaft. Dies zeige sich etwa daran, welche staatliche Aufgaben als sehr wichtig angesehen würden. Im Westen hätten 47 Prozent der Befragten Investitionen in den Klimaschutz genannt, im Osten nur 37 Prozent. Die Entlastung der Bürger wegen der gestiegenen Preise vor allem für Energie sei im Osten für 50 Prozent der Bürger sehr wichtig, im Westen nur für 37 Prozent. Die Schaffung gleicher Lebensverhältnisse in Stadt und Land sähen im Osten 43 Prozent der Menschen als sehr wichtig an, im Westen nur 27 Prozent.
Von Ulrich Steinkohl, dpa
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