Anschlag auf Weihnachtsmarkt in Magdeburg
UPDATE 8: Den Bundesbehörden war Taleb A. seit spätestens Anfang 2015 ein Begriff
- Dunkler BMW (Leihwagen mit Münchener Kennzeichen) rast um 19.04 Uhr in die Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg
- 4 Frauen und ein 9-jähriges Kind tot
- Die Zahl der Verletzten hat sich nach Informationen der Staatsanwaltschaft inzwischen erhöht. Sie liege nun bei bis zu 235, sagte ein Sprecher in Magdeburg.
- Täter (50) aus Saudi Arabien, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, seit 2006 in Deutschland, tätig im Krankenhaus, wohnt in Bernburg. Der Mann hat einen unbefristeten Aufenthaltstitel
- Über weitere Mittäter gibt es keine Angaben - man gehe von einem Einzeltäter aus
- Der saudische Staatsbürger erhielt 2016 Asyl als politisch Verfolgter.
- Ungereimtheiten, Zweifel und vage Aussagen
UPDATE 8: 23. Dezember
Magdeburg/Berlin (dpa/nf) - Nach dem tödlichen Anschlag von Magdeburg bemühen sich die Behörden weiter um Aufklärung. Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Sicherheitskreisen erfuhr, verdichten sich die Hinweise auf eine psychische Erkrankung des Täters Taleb A. Zuletzt hatte sich dieser in sozialen Medien zunehmend wirrer und radikaler zu Wort gemeldet. Drohungen stieß der Mann aber bekanntermaßen seit 2015 aus.
Für diese Einschätzung spricht auch die Entscheidung, dass das Verfahren vorerst weiter in Sachsen-Anhalt geführt wird, und zwar von der Generalstaatsanwältin des Landes. Der Generalbundesanwalt habe die Übernahme des Verfahrens abgelehnt, sagte Justizministerin Franziska Weidinger (CDU) in Magdeburg. Der Generalbundesanwalt ist zuständig für Verfahren im Bereich des Staatsschutzes, also der politisch motivierten Kriminalität.
Drohungen gibt es seit 2015
Den zuständigen Bundesbehörden war Taleb A. seit spätestens Anfang 2015 ein Begriff. Wie das Innenministerium in Schwerin auf Anfrage mitteilte, informierten Vertreter des Landes Mecklenburg-Vorpommern im von Bund und Ländern getragenen Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum das Bundeskriminalamt am 6. Februar 2015 über mögliche Anschlagsabsichten des aus Saudi-Arabien stammenden Mannes.
Anlass für die Meldung seien dessen Drohungen gegenüber der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern im April 2013 und ein Jahr später auch gegen eine Kommunalbehörde in Stralsund gewesen, Handlungen vorzunehmen, die internationale Beachtung fänden.
Nach Angaben von Innenminister Christian Pegel (SPD) lebte der heute 50-Jährige von 2011 bis Anfang 2016 in Mecklenburg-Vorpommern und absolvierte in Stralsund Teile seiner Facharzt-Ausbildung. Mit der Landesärztekammer habe es Streit um die Anerkennung von Prüfungsleistungen gegeben. Gegenüber der Sozialbehörde in Stralsund habe er versucht, mit Drohungen die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt durchzusetzen.
Nach mehrfachen Drohungen nicht als Gefährder eingestuft
Laut Pegel hatte das Amtsgericht Rostock Taleb A. wegen der Drohungen gegenüber der Ärztekammer zu einer Geldstrafe verurteilt. Die vorhergehenden Ermittlungen hätten jedoch keine Hinweise auf reelle Anschlagsvorbereitungen ergeben und auch keine islamistischen Bezüge offenbart. Nach dem Vorfall in Stralsund sei der Mann im Rahmen einer sogenannten Gefährderansprache von der Polizei auf Konsequenzen hingewiesen worden. Ihm sei gesagt worden, dass man einen sehr viel genaueren Blick auf ihn haben werde. Als Gefährder sei der Mann aber nicht eingestuft worden, sagte Pegel. Mit einer Gefährderansprache will die Polizei signalisieren, dass sie einen potenziellen Straftäter im Blick hat und fordert ihn auf, ein bestimmtes Verhalten zu unterlassen.
Auch in den Monaten vor der Tat hatte die Polizei noch Kontakt zu dem Mann, diesmal in Sachsen-Anhalt. Im September 2023 und Oktober 2024 seien Gefährderansprachen durchgeführt worden, sagte Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang im Ältestenrat in Magdeburg, ohne Details zu nennen.
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UPDATE 7. 23. Dezember
Für viele Menschen in dem kleinen oberpfälzischen Ort Floß war die Nachricht ein Schock: Ein Neunjähriger, der bis vor Kurzem in der Gemeinde lebte, ist unter den Todesopfern von Magdeburg.
Floß (dpa/lby) - In dem oberpfälzischen Markt Floß im Landkreis Neustadt an der Waldnaab herrscht tiefe Trauer und Betroffenheit über den Tod des bei dem Anschlag in Magdeburg getöteten Neunjährigen. «Der Ort ist geschockt», sagte der Bürgermeister des Ortes, Robert Lindner (SPD), der dpa. «Ich bin sprachlos.» Am Marktplatz hätten die Menschen Kerzen aufgestellt und Blumen niedergelegt.
Der Junge war mit seiner Mutter erst im Frühjahr nach Niedersachsen gezogen, jedoch leben der Vater und einige Geschwister weiter in Floß.
Die Gemeinde werde die Familie unterstützen, wenn Bedarf bestehe, kündigte der Bürgermeister an. Die Hilfe solle über den katholischen Pfarrer Max Früchtl koordiniert werden, der die Familie gut kenne, sagte Lindner weiter.
Früchtl hatte am Samstagabend in einem Gottesdienst mit den Besuchern des bei der Attacke auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg getöteten Jungen gedacht.
UPDATE 6: 23. Dezember
- Welche Lehren lassen sich aus der Magdeburger Todesfahrt ziehen - gab es Versäumnisse der Behörden?
- Politiker versuchen, sich diesen Themen zu nähern.
- In Bremerhaven gab es eine neue Drohung.
Magdeburg (dpa/nf) - Nach dem Weihnachtsmarkt-Anschlag von Magdeburg mit fünf Toten und vielen Schwerverletzten beginnt die politische Aufarbeitung der Gewalttat. In Magdeburg kommt heute der Ältestenrat des Landtags zusammen - das Führungsgremium des Parlaments wolle sich ein Bild machen, hieß es. Über allem steht die Frage, ob die Todesfahrt hätte verhindert werden können - und welche Schlüsse für einen besseren Schutz gezogen werden sollten. Der Landkreistag verwies darauf, dass absoluter Schutz auf Weihnachtsmärkten unmöglich sei.
Derweil wurde in der Nacht in Bremerhaven ein Mann festgenommen, der in einem Tiktok-Video schwere Straftaten auf dem Weihnachtsmarkt der Stadt angedroht hatte. Nach Bekanntwerden des Videos sei der Verfasser am Sonntagabend «sehr schnell» ermittelt und im Stadtgebiet vorläufig festgenommen worden, teilte die Polizei mit. Es bestehe keine Gefahr für die Bevölkerung. Weitere Details zum Festgenommen oder darüber, wie ernst die Drohungen waren, gab die Polizei zunächst nicht bekannt.
Täter war den Behörden kein Unbekannter
Taleb A. sitzt in Untersuchungshaft. Der Arzt aus Bernburg südlich von Magdeburg stammt aus Saudi-Arabien, lebt seit 2006 in Deutschland und erhielt 2016 Asyl als politisch Verfolgter. Er war in den vergangenen Jahren an verschiedenen Stellen aufgefallen. So wurde nach Angaben von BKA-Chef Holger Münch nach einem Hinweis aus Saudi-Arabien zu dem Mann im November 2023 ein Verfahren eingeleitet. Die Sache sei aber unspezifisch gewesen - und der Mann sei nicht für Gewalthandlungen bekannt gewesen.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) verwies eine Person mit Hinweisen zu dem späteren Täter des Anschlags von Magdeburg an die Polizei. Dies entspreche dem für solche Fälle vorgesehen Vorgehen, teilte das Amt auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Die Frage, ob das Bamf auch selbst die Polizei verständigt hat, wurde nicht beantwortet. Das Bundesamt hatte zuvor auf der Plattform X mitgeteilt, der Hinweis sei im Spätsommer vergangenen Jahres über die Social-Media-Kanäle eingegangen.
Faeser will weitere Gesetzentwürfe durchbringen
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach sich nach der Magdeburger Todesfahrt im «Spiegel» dafür aus, noch ausstehende Gesetzentwürfe zur inneren Sicherheit umgehend zu beschließen. Sobald die Ermittlungen ein klares Bild vom Täter und den Hintergründen der Tat ergeben hätten, werde man daraus die notwendigen Schlüsse ziehen. Nach dem islamistischen Anschlag in Solingen habe man bereits das Waffenrecht verschärft und die Befugnisse der Sicherheitsbehörden gestärkt, sagte sie Ministerin. Am 23. August hatte ein Mann Solingen drei Menschen mit einem Messer getötet und acht weitere verletzt. Der mutmaßliche Attentäter, der Syrer Issa Al H., sitzt in Untersuchungshaft.
Landkreise: Absoluter Schutz auf Weihnachtsmärkten unmöglich
Der Deutsche Landkreistag verweist darauf, dass es auch mit erhöhter Polizeipräsenz und mehr Kontrollen keine Sicherheitsgarantie auf Weihnachtsmärkten geben könne. «Es gibt überall eine höhere Präsenz von Polizei- und Ordnungskräften und auch in Magdeburg sind die Zugänge polizeilich kontrolliert und Taschen durchsucht worden.», sagte Landkreistags-Präsident Achim Brötel (CDU) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). «Es wird aber einen absoluten Schutz nicht geben können.»
Wegen der Gefahren durch Messerattacken seien die gesetzlichen Voraussetzungen bis hin zu generellen Verboten bereits deutlich verschärft worden, sagte er. Zudem seien Weihnachtsmärkte und ähnliche Veranstaltungen Orte der Begegnung und des Miteinanders. «Daher muss man bei aller abstrakten Gefahr auch mit Augenmaß vorgehen, damit sie es bleiben können.»
Klaus-Dietmar Gabbert/dpa
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UDATE 5: 22. Dezember
- Fünf Menschen sind tot, 200 verletzt: Nach der folgenschweren Fahrt mit einem Auto über den Weihnachtsmarkt in Magdeburg stellt sich die Frage, wie es zu der Attacke kommen konnte.
Magdeburg (dpa/nf) - Nach dem Weihnachtsmarkt-Anschlag von Magdeburg mit fünf Toten und vielen Schwerverletzten rückt die Frage in den Blick, ob die Gewalttat hätte verhindert werden können. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) erhielt nach eigenen Angaben im Spätsommer 2023 Hinweise zu dem mutmaßlichen Täter. Nach Angaben des Chefs des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, wurde nach einem Hinweis aus Saudi-Arabien zu dem Mann ein Verfahren eingeleitet.
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Unterschied zwischen Terroranschlag und Amoklauf
Fakt: Abgesehen von der Definition sterben in den meisten Fällen Unschuldige. Viele Menschen empfinden das Zögern der Behörden bei der Begrifflichkeit - aktuell im Falle der Attacke auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg - als Versuch die Tat zu verharmlosen.
- Terror beruht auf der Ideologie einer Terrororganisation (zum Beispiel "IS Islamischer Staat"). Verfolgt werden langfristige politische Ziele, die mit gezielten Gewaltattacken durchgesetzt werden sollen. Gewalt und Schrecken werden mit System verbreitet.
- Ein Amoklauf ist ein psychischer Ausnahmezustand mit krankhafter Verwirrung. Zielloses Handeln, meist Einzeltäter. Kein langfristiges Ziel - Schockmoment und Angst erzeugen.
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Der 50-jährige Taleb A. raste am frühen Freitagabend mit einem vorher gemieteten Auto auf einem Weihnachtsmarkt in der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt in die Menschengruppe. Dabei waren ein neunjähriges Kind sowie vier Frauen getötet und mehr als 200 weitere verletzt worden. Viele von ihnen erlitten schwere und schwerste Verletzungen, deswegen könnte die Zahl der Todesopfer weiter steigen. Bei dem unmittelbar nach der Tat festgenommenen Taleb A. handelt es sich um einen Arzt aus Bernburg südlich von Magdeburg, der als mutmaßlich als islamkritischer Aktivist bekannt ist. Er befindet sich inzwischen in Untersuchungshaft. Für die Todesfahrt wurde ein Rettungsweg benutzt.
Bundesamt erhielt Hinweis
Das Bundesamt erhielt den Hinweis zum Tatverdächtigen nach eigenen Angaben über seine Social-Media-Kanäle. «Dieser wurde, wie jeder andere der zahlreichen Hinweise auch, ernst genommen», schrieb das Bamf auf der Plattform X. Da das Bundesamt keine Ermittlungsbehörde sei, sei die hinweisgebende Person, wie in solchen Fällen üblich, direkt an die verantwortlichen Behörden verwiesen worden.
Die «Welt am Sonntag» berichtete über eine Frau, die Ende 2023 Warnungen über Taleb A. an den X-Account des Bamf geschickt habe. Zuvor habe sie bereits versucht, die Berliner Polizei vor dem Mann zu warnen. Ihre E-Mail sei nicht angekommen, da sie diese versehentlich an die Polizei einer Gemeinde namens Berlin in den USA geschickt habe, berichtete die Zeitung.
Die Berliner Polizei schrieb auf X, dass aktuell Screenshots mit vermeintlichen Hinweisen an sie im Zusammenhang mit Magdeburg kursierten. «Zum jetzigen Zeitpunkt können wir diese Hinweise nicht bestätigen, und auch einen Fake nicht ausschließen. Die Prüfung hierzu dauert an», hieß es am Samstagabend. Unabhängig davon war der mutmaßliche Täter der Berliner Justiz bekannt: Nach dpa-Informationen lag dort ein Verfahren der Amtsanwaltschaft wegen des Missbrauchs von Notrufen durch Taleb A. vor. Zuerst hatte der «Spiegel» berichtet.
Warum fand die Gefährderansprache nicht statt?
Der Direktor der Magdeburger Polizeiinspektion, Tom-Oliver Langhans, erklärte am Samstag auf einer Pressekonferenz, dass die Polizei in der Vergangenheit eine Strafanzeige aufgenommen habe. «Es ist auch von unserer Seite versucht worden, eine Gefährderansprache durchzuführen. Das ist jetzt auch noch Gegenstand der Ermittlungen, woran das dann nachher letztendlich in diesem Verfahren dazu nach meiner Erkenntnis erst mal so nicht gekommen ist.» Dieses Verfahren liege aber derzeitig schon ein Jahr zurück.
Wirre Äußerungen - klar geplantes Attentat
Der Leitende Oberstaatsanwalt Horst Walter Nopens hatte am Samstag gesagt, das Motiv des mutmaßlichen Täters könnte Unzufriedenheit über den Umgang mit Flüchtlingen aus Saudi-Arabien in Deutschland gewesen sein. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft sagte am Sonntag, die Äußerungen des Mannes zur Motivlage hätten eher wirr geklungen.
In sozialen Netzwerken - also in der Öffentlichkeit - präsentierte sich der Festgenommene als vehementer Kritiker des Islams und des repressiven Machtapparats in Saudi-Arabien. Zugleich setzte er sich für die Belange vor allem von Frauen aus seinem erzkonservativ geprägten Heimatland ein. In sozialen Medien und Interviews erhob er zuletzt teils wirr formulierte Vorwürfe gegen deutsche Behörden und hielt ihnen unter anderem vor, nicht genug gegen Islamismus zu unternehmen.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sagt der Tatverdächtige über sich selbst, er sei früher Muslim gewesen, habe sich inzwischen aber vom Glauben abgewandt.
Der bereits im Jahr 2006 eingereiste Mann stellte also nach zehn Jahren (Februar 2016) einen Asylantrag, der im Juli desselben Jahres positiv beschieden wurde. Der saudische Staatsbürger erhielt damals Asyl als politisch Verfolgter.
Sicherheitssystem ohne Sicherheit
Für Diskussionen sorgt auch, dass der Tatverdächtige trotz Sicherheitsmaßnahmen mit seinem Wagen auf den Weihnachtsmarkt gelangen konnte. Er soll mit über einen Flucht- und Rettungsweg auf den Markt gelangt sein, wie Polizeiinspektions-Direktor Langhans berichtete. Ronni Krug, Beigeordneter für Personal, Bürgerservice und Ordnung der Stadt, sagte dazu: Das Sicherheitskonzept für den Markt sei «nach bestem Wissen und Gewissen» erstellt und zuletzt im November verschärft worden.
Der Extremismus-Experte Hans-Jakob Schindler äußerte in den ARD-«Tagesthemen» hingegen Zweifel am Sicherheitskonzept. Es sei seit Jahren bekannt, dass Fahrzeuge und Menschenansammlungen eine sehr gefährliche Kombination darstellten. Es sei daher «schwer zu erklären, wieso es einem Fahrzeug gelungen ist, auf einen Weihnachtsmarkt in Deutschland zu gelangen», sagte er.
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UPDATE 4: 21. Dezember
- Die Republik ist erschüttert. Ein Auto rast kurz vor Heiligabend in einen Weihnachtsmarkt. Traurige Bilanz des Anschlags: Fünf Tote und 200 Verletzte. Nun gibt es erste Hinweise zum Motiv.
Magdeburg (dpa) - Nach dem Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt mit mindestens fünf Toten kommen mehr Details rund um die erschütternde Tat ans Licht. Das Motiv des mutmaßlichen Täters könnte Unzufriedenheit mit dem Umgang von Flüchtlingen aus Saudi-Arabien in Deutschland gewesen sein, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Horst Walter Nopens in Magdeburg.
Saudi-Arabien hatte Deutschland vor Taleb A. gewarnt, hieß es aus saudischen Sicherheitskreisen. Das Königreich habe seine Auslieferung beantragt, darauf habe Deutschland nicht reagiert. Der Mann stammt demnach aus der Stadt Al-Hofuf im Osten Saudi-Arabiens. Er sei Schiit gewesen. Nur etwa zehn Prozent der Bevölkerung in dem mehrheitlich sunnitischen Land sind schiitisch.
Berliner Justiz kannte Taleb A.
Nach dpa-Informationen lag gegen Taleb A. zudem ein Verfahren der Amtsanwaltschaft Berlin wegen des Missbrauchs von Notrufen durch Taleb A. vor. Zuerst hatte der «Spiegel» berichtet. Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, im Februar im Dienstgebäude der Berliner Polizei den Notruf der Feuerwehr gewählt zu haben, ohne dass ein Notfall vorgelegen habe. Daher wurde beim Amtsgericht Tiergarten Strafbefehl beantragt, der mit 20 Tagessätzen zu je 30 Euro erlassen wurde.
Der Angeklagte habe Einspruch eingelegt. Zum Hauptverhandlungstermin am vergangenen Donnerstag (19. Dezember) sei der Angeklagte nicht erschienen, so die Berliner Staatsanwaltschaft. Der Einspruch sei auf Antrag der Amtsanwaltschaft verworfen worden.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Verdächtigen nun wegen fünffachen Mordes. Der Tatvorwurf laute darüber hinaus versuchter Mord in 200 Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, so Nopens. Der Tatverdächtige befinde sich derzeit in polizeilichem Gewahrsam. Er habe sich bereits zur Tat geäußert. Die Bundesanwaltschaft prüfe noch, ob sie die Ermittlungen übernehme, teilten die Sicherheitskräfte in Magdeburg mit.
Das Auto war am Freitagabend auf einem Weihnachtsmarkt mit hoher Geschwindigkeit in eine Menschenmenge gerast. Nach Behördenangaben wurden vier Erwachsene und ein neunjähriges Kind getötet. Es gebe insgesamt 205 Opfer, darunter 5 Tote. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sprach von einem «menschenverachtenden Anschlag». Nach Informationen der Stadt wurden die Opfer in 15 Kliniken gebracht, auch nach Brandenburg.
Stadt verteidigt Sicherheitskonzept
Der mutmaßliche Täter soll mit seinem Wagen über einen Flucht- und Rettungsweg auf den Weihnachtsmarkt gelangt sein, berichtete Tom-Oliver Langhans, der Direktor der Polizeiinspektion Magdeburg. Die Fahrt habe nur rund drei Minuten bis zur Festnahme gedauert.
Der Rettungsweg war nach Angaben der Stadt nicht durch Sperren oder Poller geschützt. Notarzt und Feuerwehr sollten über diesen Weg bei Unfällen oder anderen Einsätzen auf dem Platz gelangen können, erklärte Ronni Krug, Beigeordneter für Personal, Bürgerservice und Ordnung der Stadt. Dort seien aber mobile Einsatzkräfte stationiert gewesen. Das Konzept habe sich «über lange Jahre bewährt».
Man habe es mit einem Fall zu tun, mit dem kein Veranstalter habe rechnen könne, sagte Krug. Das Sicherheitskonzept für den Markt sei zuletzt im November dieses Jahres verschärft worden, es sei «nach bestem Wissen und Gewissen» erstellt worden. Die AfD-Landtagsfraktion forderte eine Sondersitzung des Innenausschusses - auch zur Aufklärung möglicher Verfehlungen oder Versäumnisse.
Verdächtiger erhielt Asyl
Bei dem noch am Abend festgenommenen Verdächtigen handelt es sich um Taleb A., einen Arzt aus Bernburg, der aus Saudi-Arabien stammt. Der Mann ist islamkritischer Aktivist. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur bezeichnet sich der 50-Jährige, der seit 2006 in Deutschland lebt, selbst als Ex-Muslim. Demnach stellte er im Februar 2016 einen Asylantrag, über den im Juli desselben Jahres entschieden wurde. Der saudische Staatsbürger erhielt damals Asyl als politisch Verfolgter.
In sozialen Medien und Interviews erhob Taleb A. zuletzt teils wirr formulierte Vorwürfe gegen deutsche Behörden. Er hielt ihnen unter anderem vor, nicht genügend gegen Islamismus zu unternehmen. Wie eine Sprecherin des Gesundheitsunternehmens Salus auf Anfrage mitteilte, war der 50-Jährige als Facharzt für Psychiatrie im Maßregelvollzug in Bernburg tätig. Er habe mit suchtkranken Straftätern gearbeitet und sei seit März 2020 in der Einrichtung tätig gewesen.
Der Mann war am Tatort nach der Fahrt von Einsatzkräften gestellt und festgenommen worden. Nach derzeitigem Ermittlungsstand könne ein zweiter Täter ausgeschlossen werden, sagte ein Polizeisprecher in Magdeburg.
Ministerpräsident Haseloff will den Opfern und Angehörigen der Todesfahrt unter die Arme greifen. Sein Kabinett habe Festlegungen getroffen über «finanzielle und organisatorische Ressourcen», sagte Haseloff. Mit dem Kanzler habe man darüber geredet, wie die Hilfe und Unterstützung des Bundes aussehen werde.
Die Stadt Magdeburg und Wohlfahrtsverbände richteten Spendenkonten für die Opfer und Betroffenen ein. Es gehe darum, den Betroffenen möglichst schnell Unterstützung zu ermöglichen, erklärte die Stadt. Der Opferbeauftragte der Bundesregierung, Pascal Kober, kümmert sich nach der Todesfahrt um die Betreuung der Betroffenen. Bei Bedarf werde psychosoziale und praktische Hilfe vermittelt, teilte das Bundesjustizministerium mit.
Anschlag vor der Bndestagswahl
Neben Scholz und Haseloff machten sich auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), Bundesjustizminister Volker Wissing, Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) ein Bild vom Tatort. Im Dom gibt es eine Gedenkfeier. Das Innenministerium von Sachsen-Anhalt ordnete bis Montag Trauerbeflaggung an allen Dienstgebäuden des Landes an. Bundesinnenministerin Faeser ordnete bundesweit Trauerbeflaggung an den obersten Bundesbehörden an.
Mitgefühl von Nato und UN
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier schrieb: «Die Vorfreude auf ein friedliches Weihnachtsfest wurde durch die Meldungen aus Magdeburg jäh unterbrochen.» Nato-Generalsekretär Mark Rutte drückte Scholz sein Mitgefühl aus. Die Vereinten Nationen bekundeten ihr Beileid ebenso wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Ministerpräsident Haseloff will den Opfern und Angehörigen der Todesfahrt unter die Arme greifen. Sein Kabinett habe Festlegungen getroffen über «finanzielle und organisatorische Ressourcen», sagte Haseloff. Mit dem Kanzler habe man darüber geredet, wie die Hilfe und Unterstützung des Bundes aussehen werde.
Die Stadt Magdeburg und Wohlfahrtsverbände richteten Spendenkonten für die Opfer und Betroffenen ein. Es gehe darum, den Betroffenen möglichst schnell Unterstützung zu ermöglichen, erklärte die Stadt. Der Opferbeauftragte der Bundesregierung, Pascal Kober, kümmert sich nach der Todesfahrt um die Betreuung der Betroffenen. Bei Bedarf werde psychosoziale und praktische Hilfe vermittelt, teilte das Bundesjustizministerium mit.
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UPDATE 3: 21. Dezember
- Einen Tag nach der tödlichen Attacke auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg sitzt der Schock tief. Die Zahl der Opfer steigt. Vieles ist noch unklar.
Magdeburg (dpa/nf) - Nach der tödlichen Attacke auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg ist die Zahl der Toten auf fünf gestiegen. «Wir haben fünf Menschenleben zu beklagen und über 200 Verletzte, davon viele schwerst und schwer verletzt», sagte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Die Bilanz sei noch schrecklicher als am Abend zunächst angenommen. Der Ort des Anschlages werde «auf immer mit der Geschichte der Stadt Magdeburg in Verbindung bleiben», erklärte ein sichtlicher erschütterter Haseloff am Ort des Geschehens. Er werde als Gedenkort Eingang in die Stadtgeschichte finden.
Der Ministerpräsident sprach von einer Dimension, die sich «keiner von uns vorstellen konnte». Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) war nach Magdeburg zum Ort des Geschehens gereist.
Bei dem noch am Abend festgenommenen Verdächtigen handelt es sich um einen Arzt aus Bernburg, der aus Saudi-Arabien stammt. Der Mann ist als islamkritischer Aktivist bekannt. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur bezeichnet sich der 50-jährige Arzt, der seit 2006 in Deutschland lebt, selbst als Ex-Muslim.
Der Mann war nach der Todesfahrt festgenommen worden. Die Polizei kennt nach eigenen Angaben noch keine Hintergründe zur Tat - geht aber von einem Einzeltäter aus. Der Mann wurde nach Angaben aus der Nacht verhört. Es würden unter anderem Durchsuchungen durchgeführt, sagte eine Sprecherin. Am Morgen sagte sie, es laufe eine Durchsuchung in Bernburg.
Der 50-Jährige war am Tatort von Einsatzkräften gestellt und festgenommen worden. Nach Angaben von Haseloff raste der Mann mit einem Leihwagen in die Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt.
In sozialen Medien und Interviews erhob der Tatverdächtige zuletzt teils wirr formulierte Vorwürfe gegen deutsche Behörden. Er hielt ihnen vor, nicht genügend gegen Islamismus zu unternehmen. Nachdem er vor Jahren mit seiner Unterstützung für saudische Frauen, die aus ihrem Heimatland fliehen, an die Öffentlichkeit gegangen war, schrieb Taleb A. später auf seiner Website in englischer und arabischer Sprache: «Mein Rat: Bittet nicht um Asyl in Deutschland.»
Auf seinem Social Media Kanal ziert eine Maschinenpistole das Titelbild. Die Zusammenhänge und zeitlichen Abläufe sind noch völlig unklar.
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UPDATE 2: 21. Dezember
Zweifelhafte Geschichte: Verdächtiger ist Islam-Kritiker
- Der Tatverdächtige Taleb A. stammt aus dem islamischen Königreich Saudi-Arabien. Den Islam lehne er ab. Als Ex-Muslim ließ er sich in Deutschland dauerhaft nieder.
Magdeburg (dpa/nf) - Der nach dem Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg festgenommene Mann aus Saudi-Arabien sei als islamkritischer Aktivist bekannt. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur bezeichnet sich der 50-jährige Arzt, der seit 2006 in Deutschland lebt, selbst als Ex-Muslim.
In sozialen Medien und Interviews erhob er zuletzt teils wirr formulierte Vorwürfe gegen deutsche Behörden. Er hielt ihnen unter anderem vor, nicht genügend gegen Islamismus zu unternehmen: „Deutschland jagt saudische Asylbewerberinnen innerhalb und außerhalb Deutschlands, um ihr Leben zu zerstören“ oder „Deutschland will Europa islamisieren“.
Nachdem er vor Jahren mit seiner Unterstützung für saudische Frauen, die aus ihrem Heimatland fliehen, an die Öffentlichkeit gegangen war, schrieb er später auf seiner Website in englischer und arabischer Sprache: «Mein Rat: Bittet nicht um Asyl in Deutschland.»
Durch seinen Terroranschlag starben nach Angaben von Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) zwei Menschen. Mehr als 60 Menschen wurden verletzt.
Video stammt aus Überwachungskamera. Noch nicht verifiziert
UPDATE: 22 Uhr
Magdeburg (dpa/nf) - Mindestens zwei Menschen sind bei dem Anschlag in Magdeburg getötet worden - darunter ein Kleinkind. Mutmaßlicher Täter ein Mann aus Saudi Arabien, der eigentlich Menschen helfen soll - ein Facharzt für Psychiatrie. In diesem Fall hat er brutal mit Absicht getötet. Auf einem Markt, den besonders viele Familien besucht haben. Die Bilder einer Überwachungskamera lassen Schlimmes vermuten. Eine unfassbare Tat, die nicht in die bisherigen Muster passt - unsere Sicherheit fragiler macht und sich noch schwerer schützen lässt. Der Terroranschlag ausgelegt darauf, möglichst viele Menschen zu töten und zu verletzen.
Der Mann sei festgenommen worden, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Abend aus Regierungskreisen in Sachsen-Anhalt. Nach Angaben von Regierungssprecher Matthias Schuppe handelt es sich «vermutlich um einen Anschlag». Auch Stadtsprecher Michael Reif sagte, nach erstem Stand sei es ein Anschlag.
Der festgenommene Verdächtige ist den deutschen Behörden nach Informationen aus Sicherheitskreisen bislang nicht als Islamist bekannt gewesen. Der Mann soll nach ersten Erkenntnissen ein 50-jähriger Arzt aus Saudi-Arabien sein und im Krankenhaus Magdeburg arbeiten. Ein unglaublicher Fall.
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Magdeburg (dpa) - Auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg ist ein Autofahrer in eine Menschengruppe gefahren. Augenzeugen zufolge gibt es mehrere Verletzte. Nach Angaben von Sachsen-Anhalts Regierungssprecher Matthias Schuppe handelt es sich «vermutlich um einen Anschlag». Auch Stadtsprecher Marcel Reif sagte, nach erstem Stand sei es ein Anschlag. Der Autofahrer sei festgenommen worden, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Abend aus Regierungskreisen in Sachsen-Anhalt.
Bei dem mutmaßlichen Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt ist mindestens ein Mensch getötet worden. Mehr als 50 Menschen seien verletzt worden, sagte die Magdeburger Bürgermeisterin Regina-Dolores Stieler-Hinz im Gegensatz zu Medienberichten.
Sirenen überall, Blaulicht, Feuerwehr: Es wimmele auf dem Weihnachtsmarkt von Rettungswagen und Sanitätern, sagte eine dpa-Reporterin. An einer großen Weihnachtspyramide wurden demnach Verletzte versorgt. Stadtssprecher Reif sprach von zahlreichen Verletzten und schrecklichen Bildern. Verletzte wurden noch vor Ort versorgt, etwa vor Marktbuden. Zur Versorgung der Verletzten wurden Zelte aufgebaut.
«Der Weihnachtsmarkt in der Innenstadt ist geschlossen», teilte die Polizei mit. Der Weihnachtsmarkt befindet sich auf dem Alten Markt, direkt am Rathaus in der Nähe der Elbe. In der Nähe liegt ein großes Einkaufszentrum. Auf der Plattform X waren am Abend Videos zu sehen, in denen zahlreiche Einsatzfahrzeuge zu sehen waren.
Haseloff: Das ist ein furchtbares Ereignis
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) reagierte mit Entsetzen auf das Geschehen. «Das ist ein furchtbares Ereignis, gerade jetzt in den Tagen vor Weihnachten», sagte Haseloff der Deutschen Presse-Agentur. Er wolle sich jetzt selbst ein Bild von der Lage vor Ort machen und sei im Auto auf dem Weg nach Magdeburg. Zu Opfern und Hintergründen des Geschehens konnte Haseloff zunächst keine Angaben machen.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat (SPD) auf den mutmaßlichen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg reagiert. «Meine Gedanken sind bei den Opfern und ihren Angehörigen. Wir stehen an ihrer Seite und an der Seite der Magdeburgerinnen und Magdeburger», schrieb Scholz bei der Plattform X. «Mein Dank gilt den engagierten Rettungskräften in diesen bangen Stunden.»
Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz hat mit Bestürzung auf den mutmaßlichen Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt reagiert. «Das sind sehr bedrückende Nachrichten aus Magdeburg», schrieb Merz bei X. «Meine Gedanken sind bei den Opfern und ihren Angehörigen. Ich danke allen Einsatzkräften, die sich vor Ort um die Verletzten kümmern.»
Fast auf den Tag genau vor acht Jahren, am 19. Dezember 2016, war in Berlin ein islamistischer Terrorist mit einem entführten Lastwagen auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz gerast. Dabei wurden zwölf Menschen getötet, das 13. Opfer starb 2021 an den Folgen. Mehr als 70 Menschen wurden verletzt. Der Attentäter floh nach Italien, wo er von der Polizei erschossen wurde.
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