Titan-Abenteurer ohne Chance
UPDATE10/ Verschollenes U-Boot: Trümmer nahe der Titanic gefunden
UPDATE 10, 23. Juni, 9.45 Uhr
Boston (dpa) - Nach tagelanger fieberhafter Suche geht die US-Küstenwache vom Tod der fünf Insassen des nun im Atlantik entdeckten Tauchboots aus. Die in der Nähe des «Titanic»-Wracks gefundenen Trümmerteile gehörten zur verschollenen «Titan», teilte der Chef der US-Küstenwache im Nordosten der USA, John Mauger, gestern (Ortszeit) in Boston mit. Damit gebe es keine Überlebenschance für die Vermissten mehr. Er sprach den Angehörigen sein Beileid aus.
Ein ferngesteuertes Unterwasserfahrzeug hatte gestern Morgen den Heckkegel des Tauchboots knapp 500 Meter vom Bug der «Titanic» entfernt auf dem Meeresboden gefunden, wie die Küstenwache mitteilte. Insgesamt seien fünf große Trümmerteile entdeckt worden. Sie deuteten auf einen Kollaps der Druckkammer hin.
Küstenwache wird Suche zurückfahren
Zum Zeitpunkt der Implosion könne die Küstenwache noch keine Angaben machen. Sonarbojen hätten in den vergangenen 72 Stunden aber kein «katastrophales Ereignis» wahrgenommen. «Ich weiß, dass es eine Menge Fragen dazu gibt - wie, warum und wann genau das passiert ist», sagte Mauger. Unterdessen berichteten US-Medien, dass ein akustisches Unterwassererkennungssystem der US-Navy die Implosion wohl bereits am Sonntag registriert hatte.
Die Küstenwache kündigte an, ihre Suche nun zurückfahren. «Wir werden im Laufe der nächsten 24 Stunden damit beginnen, Personal und Schiffe vom Unfallort abzuziehen», sagte Mauger weiter. Die Operationen auf dem Meeresboden würden jedoch bis auf Weiteres fortgesetzt. Im Moment konzentriere man sich darauf, den Ort zu dokumentieren. Die Daten würden analysiert.
Auf die Frage, ob die Leichen der Besatzung gefunden werden könnten, gab es noch keine Antwort. Es handle sich in der Gegend des «Titanic»-Wracks um eine «unglaublich unversöhnliche Umgebung», teilte die Küstenwache mit.
Wer waren die Insassen?
An Bord der «Titan» waren der Franzose Paul-Henri Nargeolet (77), der britische Abenteurers Hamish Harding (58), der britisch-pakistanische Unternehmensberater Shahzada Dawood (48) und dessen 19-jähriger Sohn Suleman sowie der Chef der Betreiberfirma Oceangate, Stockton Rush (61), der das Boot steuerte.
Nargeolet, der auch «Monsieur Titanic» genannt wurde, galt als einer der führenden Experten für das Wrack des Luxusliners. «Sein zweites Zuhause war das Meer, er fühlte sich dort so wohl», sagte sein Stiefsohn John Paschall dem Sender CBS News. «Ich denke, es bedeutet sehr viel, dass er seine letzten Momente in der Nähe eines Ortes verbracht hat, die ihm so viel bedeutet hat.»
Die Familie von Harding, der mehrere Guinness-Weltrekorde hielt und bereits ins All gereist war, teilte mit: «Was er in seinem Leben erreicht hat, war wirklich bemerkenswert, und wenn wir aus dieser Tragödie einen kleinen Trost schöpfen können, dann ist es, dass wir ihn bei dem, was er liebte, verloren haben.»
Tagelanges Bangen
Das Tauchboot wurde seit Sonntagvormittag (Ortszeit) vermisst. Die «Titan» war auf dem Weg zum Wrack der 1912 gesunkenen «Titanic» in rund 3800 Metern Tiefe. Etwa eine Stunde und 45 Minuten nach Beginn des Tauchgangs riss der Kontakt zum Mutterschiff ab.
Im Einsatzgebiet rund 700 Kilometer südlich der kanadischen Insel Neufundland hatten Trupps aus den USA und Kanada mit Hilfe weiterer Länder eine großangelegte Suche sowohl an der Wasseroberfläche als auch in der Tiefe des Ozeans gestartet. Im Einsatz waren Schiffe, Flugzeuge, Tauchroboter und andere Spezialausrüstung.
Unterwassergeräusche hatten zwischenzeitlich Hoffnungen auf ein Überleben der Insassen der «Titan» geschürt. Die US-Küstenwache teilte nun mit, dass es wohl keinen Zusammenhang zwischen den wahrgenommenen Lauten und dem Fundort der Trümmer gegeben habe.
Der britische Außenminister James Cleverly drückte den Angehörigen der Opfer im Namen der Regierung sein Beileid aus. Sie stehe den betroffenen Familien bei, schrieb er auf Twitter.
Auch die «Titan»-Betreiberfirma Oceangate kondolierte den Familien. Die fünf Männer an Bord seien «echte Forschungsreisende» gewesen, mit «speziellem Abenteuergeist und einer tiefen Leidenschaft für die Erforschung und den Schutz der Meere der Welt». Man trauere und sei mit den Herzen bei den Angehörigen, hieß es weiter. Auch für die Mitarbeiter sei es eine «extrem traurige Zeit».
250.000 US-Dollar für einige Stunden
Oceangate bietet zahlungskräftigen Kunden eine abenteuerliche Reise - die Kosten für die insgesamt achttägige Expedition liegen bei 250.000 US-Dollar (229.000 Euro) pro Person. Die Tauchfahrt zur «Titanic» selbst dauert gewöhnlich aber nur einige Stunden.
Die «Titanic» war im April 1912 auf ihrer Jungfernfahrt von Southampton nach New York im Nordatlantik gesunken. Mehr als 1500 der 2200 Menschen an Bord starben. Die in zwei große Teile zerbrochenen Überreste des berühmten Luxusdampfers wurden 1985 entdeckt.
Angesichts von Berichten über schlechte Sicherheitsvorkehrungen für das vermisste Tauchboot erwarten Experten Konsequenzen. «Es wird sicherlich eine Untersuchung nach dieser Katastrophe geben, und deutlich striktere Regeln und Vorschriften werden eingeführt werden», sagte der Chef der auf «Titanic»-Ausstellungsstücke spezialisierten Firma White Star Memories, David Scott-Beddard, dem Sender CNN.
+++
UPDATE 9, 22. Juni 2023, 21.36 Uhr
Boston (dpa) - Die US-Küstenwache geht vom Tod der fünf Insassen des Tauchboots «Titan» aus. Er spreche den Familien der Opfer sein tiefes Beileid aus, sagte Sprecher John Mauger am Donnerstag in Boston. Die in der Nähe des «Titanic»-Wracks gefundenen Trümmerteile gehören der US-Küstenwache zufolge zum verschollenen Tauchboot «Titan». Damit sei belegt, dass es keine Überlebenschance für die fünf Vermissten mehr gebe.
Die US-Küstenwache will ihre Suche zurückfahren. «Wir werden im Laufe der nächsten 24 Stunden damit beginnen, Personal und Schiffe vom Unfallort abzuziehen», sagte Sprecher John Mauger. Die Operationen auf dem Meeresboden werde jedoch bis auf Weiteres fortgesetzt.
Zuvor hatte die Küstenwache mitgeteilt, ein Tauchroboter sei im Einsatzgebiet auf ein «Trümmerfeld» gestoßen. Die Informationen würden analysiert, hieß es weiter. Das Tauchboot wird seit Sonntagvormittag (Ortszeit) vermisst. Die «Titan» war mit fünf Menschen an Bord auf dem Weg zum Wrack der 1912 gesunkenen «Titanic» in rund 3800 Metern Tiefe. Etwa eine Stunde und 45 Minuten nach Beginn des Tauchgangs riss der Kontakt zum Mutterschiff ab.
Im Einsatzgebiet rund 700 Kilometer südlich der kanadischen Insel Neufundland hatten Trupps aus den USA und Kanada eine großangelegte Suche sowohl an der Wasseroberfläche als auch in der Tiefe des Ozeans gestartet. Dabei waren Schiffe, Flugzeuge, ferngesteuerte Unterwasserfahrzeuge, Tauchroboter und andere Gerätschaften im Einsatz.
Von Benedikt von Imhoff, Annett Stein und Christoph Meyer, dpa
++
UPDATE 7, 22. Juni 2023, 19 Uhr
ST. JOHN'S (dpa) - Den fünf Männern im vermissten Tauchboot «Titan» kann nach tagelanger erfolgloser Suche wohl nur noch ein Wunder helfen. Am Donnerstag teilte die US-Küstenwache mit, ein Tauchroboter sei im Einsatzgebiet auf ein «Trümmerfeld» gestoßen. Experten werteten die Informationen nun aus, twitterte die Behörde, ohne weitere Angaben zu machen. Sollte das Gefährt noch intakt sein, dürfte mittlerweile nach Schätzungen der Behörden der Sauerstoff an Bord ausgegangen sein.
Ob es sich um Trümmerteile des vermissten Tauchboots handelte, war zunächst unklar. Auch rund um das berühmte Wrack der «Titanic», zu dem die Abenteurer unterwegs waren, erstreckte sich über rund einen Kilometer ein Trümmerfeld. Wenige Stunden zuvor hatten sich die Retter noch hoffnungsvoll gezeigt. «Es ist immer noch eine aktive Such- und Rettungsmission», sagte John Mauger, der Chef der Küstenwache im Nordosten der USA, zu Sky News.
«Wir müssen uns auf das Schlimmste vorbereiten»
Die Männer im Alter von 19 bis 77 Jahren könnten sich nur noch auf ihr Glück verlassen, sagte der Meeresforscher Simon Boxall von der Universität Southampton dem britischen TV-Sender. Der pensionierte Konteradmiral Chris Parry sagte, die Überlebenswahrscheinlichkeit sei «verschwindend gering». «Wir müssen uns auf das Schlimmste vorbereiten.» Mauger sagte, bei den Geräuschen, die ein Flugzeug aufgeschnappt hatte, habe es sich vermutlich um Hintergrundlaute aus dem Ozean gehandelt und nicht um Klopfen aus der «Titan». Die Familie des britischen Abenteurers Hamish Harding, der an Bord ist, warf dem «Titan»-Betreiber vor, die Behörden viel zu spät alarmiert zu haben.
Das Tauchboot wird seit Sonntagvormittag (Ortszeit) vermisst. Die «Titan» war mit fünf Menschen an Bord auf dem Weg zum Wrack der 1912 gesunkenen «Titanic» in rund 3800 Metern Tiefe. Etwa eine Stunde und 45 Minuten nach Beginn des Tauchgangs riss der Kontakt zum Mutterschiff ab. Unklar ist, ob das Boot noch intakt ist und wo es sich befindet. Nach Angaben des Betreibers Oceangate Expeditions hatte die 6,70 Meter lange «Titan» ausreichend Sauerstoff an Bord, um fünf Menschen für 96 Stunden zu versorgen - dieses Zeitfenster dürfte sich nach Schätzungen der Suchtrupps nun geschlossen haben.
Von Benedikt von Imhoff, Annett Stein und Christoph Meyer, dpa
UPDATE 6 / 22. Juni 2023, 13.45 Uhr
ST JOHN'S (dpa) - Für 96 Stunden sollte der Sauerstoff an Bord des vermissten Tauchboots «Titan» nach Angaben der Betreiber Oceangate Expeditions ausreichen. Nach Schätzungen der Rettungsmannschaften könnte sich dieses Zeitfenster nun geschlossen haben.
Experten wiesen allerdings darauf hin, dass derlei Angaben nur einen ungenauen Wert darstellen. Die Zeit diene höchstens als Richtwert, hieß es. So könnte auch jetzt noch Luft für die fünf Insassen vorhanden sein, falls es ihnen gelungen sei, Sauerstoff zu sparen, etwa indem sie sich wenig bis kaum bewegen.
«Wir wissen nicht, wie lange sie in Bezug auf den Sauerstoffgehalt tatsächlich durchhalten werden», sagte der Meeresforscher Simon Boxall von der Universität Southampton dem US-Sender NBC News. Bekannt sei nur, dass der kritische Zeitpunkt «unmittelbar bevorsteht». Der pensionierte britische Konteradmiral Chris Parry sagte dem Sender Sky News: «Ich fürchte, es sieht sehr düster aus.» Selbst wenn die «Titan» gefunden würde, dauere es sehr lange, das Boot zu bergen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die fünf Insassen überleben, sei «verschwindend gering».
Der Sauerstoffvorrat dürfte nach Berechnungen der US-Küstenwache am frühen Donnerstagnachmittag deutscher Zeit zur Neige gehen, wie Medien in den USA berichteten.
Von Aufgeben wollte der Betreiber des «Titan»-Mutterschiffs «Polar Prince» aber auch Tage nach dem Verschwinden des Tauchboots nichts wissen. «Das mobilisierte Equipment ist das Beste der Welt, das leistungsfähigste der Welt», sagte Sean Leet am Mittwochnachmittag (Ortszeit) vor Journalisten im kanadischen St. John's. Er fügte hinzu: «Wir werden bis zum Schluss an der Hoffnung festhalten.» Die Rettungstrupps unter Führung der US-Küstenwache verstärkten ihre Anstrengungen am Mittwoch (Ortszeit) erneut und konzentrierten sich auf ein Gebiet, aus dem zuvor Geräusche aufgenommen wurden.
Das Tauchboot wird seit Sonntagvormittag (Ortszeit) vermisst. Die «Titan» war mit fünf Menschen an Bord auf dem Weg zum Wrack der 1912 gesunkenen «Titanic» in rund 3800 Metern Tiefe. Etwa eine Stunde und 45 Minuten nach Beginn des Tauchgangs riss der Kontakt zum Mutterschiff ab. Unklar ist, ob das Boot noch intakt ist und wo es sich befindet. Nach Angaben des Betreibers hatte die 6,70 Meter lange «Titan» ausreichend Sauerstoff an Bord, um fünf Menschen für 96 Stunden zu versorgen.
Sauerstoffversorgung nicht möglich
Doch selbst wenn das Tauchboot bald gefunden würde, kann es Experten zufolge unter Wasser nicht mit frischem Sauerstoff versorgt werden. «In dieser Tiefe gibt es wirklich keine Möglichkeit, Sauerstoff hineinzubekommen», sagte der Meeresforscher Tom Dettweiler am Donnerstag dem US-Sender CNN. «Es gibt keine Öffnung oder ähnliches, durch die Sauerstoff eindringen könnte.»
Die einzige Lösung wäre, die «Titan» so schnell wie möglich nach oben zu bringen, die Luke zu öffnen und zu den Menschen zu gelangen, betonte Dettweiler, der selbst 1985 an der Suche und dem Fund des gesunkenen Luxusdampfers «Titanic» beteiligt war. Aber das Tauchboot aus großer Tiefe an die Oberfläche zu bringen, würde vermutlich mehrere Stunden dauern, betonte der Forscher.
«Es ist einfach so, dass wir es mit einer großen Entfernung und schwierigen Bedingungen zu tun haben», sagte Dettweiler. «Wenn man darüber nachdenkt, ist es dem ursprünglichen Untergang der «Titanic» sehr ähnlich, bei dem die Retter es einfach nicht rechtzeitig geschafft haben.»
Rettung wäre «gewaltiger Aufwand»
Eines der größten Probleme sei, die für eine Ortung und Rettung nötige Ausrüstung zum Suchgebiet zu bringen. «Es ist alles sehr groß, sehr schwer, es musste in Frachtflugzeugen hingeflogen werden.» Erst von dort könne die Ausrüstung auf Schiffe herabgelassen werden. Es handele sich um einen «gewaltigen Aufwand».
Ohne Sauerstoff würde den fünf Besatzungsmitgliedern ein langsamer Tod bevorstehen, wie der Lungenfacharzt Rainer Schädlich erklärte. «Der Prozess dauert lange, da sich der Sauerstoff langsam aufbraucht und zusätzlich CO2 durch Atmung entsteht.»
Üblicherweise enthält Luft etwa 21 Volumenprozent Sauerstoff (O2). Steigt der Anteil an Kohlendioxid, sinkt der von O2. «Sinkt der Sauerstoffgehalt unter 15 Volumenprozent, wird die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit zunehmend vermindert», so Schädlich, der Facharzt für Innere Medizin, Lungen-und Bronchialheilkunde, Allergologie und Umweltmedizin in Straelen ist.
Zwar hätten Tauch- und U-Boote Kohlendioxid-Filter, um das Gas aufzufangen, erklärte Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Aber: «Sind die Kapazitäten der Kohlendioxid-Filter erschöpft, dann steigt das Kohlendioxid an.»
Symptome sehr unangenehm
Bei zunehmendem Sauerstoffmangel kommt es demnach zu Kopfschmerzen sowie zu Übelkeit, Erbrechen, Müdigkeit, aber auch Atemnot, Verwirrtheit, Schwindel und Benommenheit bis zur Apathie. «Die bei einem Sauerstoffmangel auftretenden Symptome, insbesondere die Atemnot, können sehr unangenehm sein. Insofern würde ich nicht von einem milden Tod sprechen.» Wie schnell der Sauerstoff verbraucht werde, hänge stark von Atmung und Aktivität der Menschen an Bord ab, sagte der Hamburger Intensivmediziner.
An Bord der «Titan» befindet sich auch der Forscher Paul-Henri Nargeolet (77). Der als «Monsieur Titanic» bekannte Franzose gilt als einer der führenden Experten für das Wrack des Luxusliners. Weitere Insassen sind der britische Abenteurer Hamish Harding (58), der mehrere Guinness-Weltrekorde hält, sowie der britisch-pakistanische Unternehmensberater Shahzada Dawood (48) und dessen 19-jähriger Sohn Suleman. Der fünfte Vermisste ist der Chef der Betreiberfirma Oceangate, Stockton Rush (61), der das Boot steuerte.
Oceangate bietet zahlungskräftigen Kunden eine abenteuerliche Reise - die Kosten für die insgesamt achttägige Expedition liegen bei 250.000 US-Dollar (229.000 Euro) pro Person. Die Tauchfahrt zur Titanic selbst dauert gewöhnlich aber nur einige Stunden.
Die «Titanic» war im April 1912 auf ihrer Jungfernfahrt von Southampton nach New York im Nordatlantik gesunken. Mehr als 1500 der 2200 Menschen an Bord starben. Die in zwei große Teile zerbrochenen Überreste des berühmten Luxusdampfers wurden 1985 entdeckt.
+++
UPDATE 5, 22. Juni 9.43 Uhr
Sauerstoff nahe Null: Kaum Hoffnung für Titanic-Abenteurer im Atlantik
BOSTON/ST. JOHN'S (dpa) - Mehr als drei Tage nach dem Verschwinden des «Titanic»-Tauchboots im Atlantik schwindet die Hoffnung auf ein Überleben der fünf vermissten Abenteurer. Den fünf Menschen an Bord geht langsam der Sauerstoff aus: Er dürfte nur noch für wenige Stunden reichen, falls die «Titan» überhaupt weiter intakt ist. Die Rettungstrupps unter Führung der US-Küstenwache verstärkten ihre Anstrengungen erneut und konzentrierten sich auf ein Gebiet, aus dem zuvor Geräusche aufgenommen wurden.
Die Laute, die am Dienstagabend und gestern Morgen registriert wurden, hatten Hoffnungen geschürt, das Tauchboot mit den Insassen zu finden. Die Geräusche sollen einem internen Memo der US-Regierung zufolge in regelmäßigen Abständen aufgetaucht sein - doch sie ließen sich laut Such-Koordinator Jamie Frederick zunächst keinen Menschen zuordnen: «Wir wissen nicht, was das ist.»
Geräusche müssen kein Klopfen sein
Die Töne, die als Klopfen interpretiert wurden, könnten einem US-Experten zufolge viele Ursachen haben. «Aus meiner Erfahrung mit der Akustik kann ich Ihnen sagen, dass es Geräusche von biologischen Stoffen gibt, die für das ungeübte Ohr von Menschen gemacht klingen», sagte Carl Hartsfield vom Oceanographic Systems Laboratory. Auch könnten sie von Schiffen in dem Suchgebiet stammen. Laut David Marquet, einem pensionierten Kapitän der US-Marine, sind die Aufzeichnungen aber zumindest ein Grund zur Hoffnung. Regelmäßiges Klopfen sei genau die Art von Lauten, die die Insassen machen würden, um zu signalisieren, dass sie noch leben, sagte er der BBC.
Das Tauchboot wird seit Sonntagvormittag (Ortszeit) vermisst. Die «Titan» war mit fünf Menschen an Bord auf dem Weg zum Wrack des 1912 gesunkenen Luxusdampfers. Das «Titanic»-Wrack liegt in rund 3800 Metern Tiefe. Etwa eine Stunde und 45 Minuten nach Beginn des Tauchgangs riss der Kontakt zum Mutterschiff «Polar Prince» ab.
Zahlreiche Schiffe entsandt
Die Suche aus der Luft und mit Schiffen wurde indes weiter verstärkt. Ein französisches Spezialschiff mit einem Tauchroboter an Bord wurde in der Nacht zum Donnerstag (MESZ) vor Ort erwartet. Auch die kanadische «HMCS Glace Bay», die eine Dekompressionskammer und medizinisches Personal an Bord hat, war unterwegs in das riesige Suchgebiet. Verunglückte Taucher müssen nach der Rettung schnell in eine solche Kammer, um bleibende Schäden zu verhindern. Die US-Navy schickte das Schiffshebesystem «Fadoss».
Such-Koordinator Frederick sprach auf Nachfrage angesichts des sich schließenden Zeitfensters auch über ein mögliches Scheitern der Mission. «Manchmal finden wir nicht, wonach wir suchen», sagte er. Dann komme es vor, «dass man eine schwierige Entscheidung treffen muss. Wir sind aber noch nicht an diesem Punkt», betonte Frederick. Falls dieser Fall eintrete, würden die Familien der Vermissten lange vor der Öffentlichkeit unterrichtet. Frederick sagte auch, dass es gelte, «optimistisch und hoffnungsvoll» zu bleiben. Es handle sich weiter um einen Rettungseinsatz - nicht um eine Bergungsmission.
«Monsieur Titanic» an Bord
An Bord der «Titan» befindet sich auch der Forscher Paul-Henri Nargeolet (77). Der als «Monsieur Titanic» bekannte Franzose gilt als einer der führenden Experten für das Wrack des Luxusliners. Weitere Insassen sind der britische Abenteurer Hamish Harding (58), der mehrere Guinness-Weltrekorde hält, sowie der britisch-pakistanische Unternehmensberater Shahzada Dawood (48) und dessen 19-jähriger Sohn Suleman. Der fünfte Vermisste ist der Chef der Betreiberfirma Oceangate, Stockton Rush (61), der das Boot steuerte.
Nach Angaben des Betreibers hat die 6,70 Meter lange «Titan» ausreichend Sauerstoff, um fünf Menschen für 96 Stunden zu versorgen. Aber auch danach würden Menschen zunächst wahrscheinlich erst einmal bewusstlos und seien nicht gleich tot, sagte Kenneth Ledez, Professor für Überdruckmedizin, der BBC. Es gebe auch danach noch Hoffnung, sie lebend zu finden. Menschliche Körper reagierten ganz unterschiedlich auf mangelnden Sauerstoff.
Pechschwarze Dunkelheit, riesiger Wasserdruck
Aber selbst, wenn die Kapsel geortet wird, könnte eine Bergung einige Zeit in Anspruch nehmen. In der Nähe der «Titanic» knapp 700 Kilometer südlich von Neufundland sind die Bedingungen schwierig. Es herrscht pechschwarze Dunkelheit, und der Wasserdruck ist riesig.
An der Sicherheit der «Titan» waren zuletzt zunehmend Zweifel aufgekommen. Dafür sorgten auch Aussagen von Oceangate-Chef Rush in einem Podcast des CBS-Reporters David Pogue, der 2022 mit der «Titan» mitgefahren war. «Wissen Sie, irgendwann ist Sicherheit reine Verschwendung», sagte Rush da. «Ich meine, wenn Sie auf Nummer sicher gehen wollen, stehen Sie am besten nicht auf. Steigen Sie nicht in Ihr Auto. Tun Sie gar nichts.» Die BBC berichtete unter Berufung auf US-Gerichtsdokumente, ein Oceangate-Mitarbeiter habe 2018 vor potenziellen Sicherheitsproblemen gewarnt. Mängel im Karbonrumpf des Boots könnten ohne strengere Tests unentdeckt bleiben, hieß es.
Oceangate bietet zahlungskräftigen Kunden eine abenteuerliche Reise - die Kosten für die insgesamt achttägige Expedition liegen bei 250.000 US-Dollar (229.000 Euro) pro Person. Die Tauchfahrt zur Titanic selbst solle aber immer nur einige Stunden dauern.
Die «Titanic» war im April 1912 auf ihrer Jungfernfahrt von Southampton nach New York im Nordatlantik gesunken. Mehr als 1500 der 2200 Menschen an Bord starben. Die in zwei große Teile zerbrochenen Überreste des berühmten Luxusdampfers wurden 1985 entdeckt.
++
UPDATE 4, 21. Juni, 18.19 Uhr
Boston/St. John's (dpa) - Auf der Suche nach dem verschollenen Tauchboot in der Nähe des «Titanic»-Wracks im Nordatlantik wird die Zeit knapp. In etwa 20 Stunden dürfte den Abenteurern an Bord der «Titan» der Sauerstoff ausgehen, wie die US-Küstenwache dem britischen Sender BBC mitteilte.
Rettungstrupps setzten auch am Mittwoch unter schwierigen Bedingungen ihre Suche fort. Unterwassergeräusche in der Nacht hatten Hoffnungen geschürt, das Tauchboot mit den Insassen zu finden. Dies gelang bislang nicht. Experten warnten vor zu viel Optimismus.
Das Tauchboot wird seit Sonntagvormittag (Ortszeit) vermisst. Die «Titan» war mit fünf Menschen an Bord auf dem Weg zum Wrack des berühmten Luxusdampfers. Das «Titanic»-Wrack liegt in rund 3800 Metern Tiefe. Etwa eine Stunde und 45 Minuten nach Beginn des Tauchgangs riss der Kontakt zum Mutterschiff «Polar Prince» ab. In der Nacht zum Mittwoch hatte ein kanadisches Flugzeug «Unterwassergeräusche» registriert. Zuvor hatten der Sender CNN und das Magazin «Rolling Stone» unter Berufung auf ein internes Memo der US-Regierung berichtet.
Der Chef der US-Küstenwache im Nordosten der USA, John Mauger, äußerte sich zu den Geräuschen zurückhaltend. «Das ist ein unglaublich komplexes Gelände dort. Man darf nicht vergessen, dass es sich um die Wrackstelle der Titanic handelt - es gibt also eine Menge Metall und verschiedene Objekte im Wasser um diese Stelle herum», sagte er dem US-Sender CBS auf die Frage, ob die Geräusche von den Insassen des Bootes stammen könnten. Zur Auswertung der Geräusche habe man Experten der US-Marine hinzugezogen, die in der Lage seien, genauere Informationen zu ihrem Ursprung zu geben.
Der amerikanische Ozeanograf David Gallo sagte, ihn erinnerten die Unterwassergeräusche an die vergebliche Suche nach der verschwundenen Passagiermaschine auf Flug MH370. «Hier ist ein wenig Vorsicht geboten, denn wenn Sie sich an das Malaysia-Airlines-Flugzeug erinnern, gab es alle möglichen Knall-, Piep- und Klopfgeräusche zu hören», sagte Gallo dem US-Sender CNN am Mittwochmorgen (Ortszeit). «Es stellte sich immer als etwas anderes heraus.»
Auch bekannter «Titanic»-Forscher an Bord
An Bord der «Titan» befindet sich auch der Forscher Paul-Henri Nargeolet (77). Der als «Monsieur Titanic» bekannte Franzose gilt als einer der besten Experten für das Wrack des 1912 gesunkenen Luxusliners. Weitere Insassen sind der britische Abenteurer Hamish Harding (58), der mehrere Guinness-Weltrekorde hält, sowie der britisch-pakistanische Unternehmensberater Shahzada Dawood (48) und dessen 19-jähriger Sohn Suleman. Wie das «Oberbayerische Volksblatt» berichtete, stammt Dawoods Ehefrau aus Deutschland. Der fünfte Vermisste ist laut Betreiberfirma Oceangate Expeditions der Unternehmenschef Stockton Rush (61) als Kapitän des Bootes.
Die Zeit drängt: Schätzungen der Behörden zufolge dürfte der Sauerstoff nur noch bis Donnerstagmittag (MESZ) reichen. Nach Angaben des Betreibers Oceangate Expeditions hat die 6,70 Meter kleine «Titan» ausreichend Sauerstoff, um fünf Menschen für 96 Stunden zu versorgen. In der Nähe der «Titanic» knapp 700 Kilometer südlich der kanadischen Insel Neufundland sind die Bedingungen äußerst schwierig. Es herrscht pechschwarze Dunkelheit, und der Wasserdruck ist groß.
Wie es in dem US-Memo weiter hieß, war das Klopfen auch Stunden nach dem Einsatz zusätzlicher Sonargeräte noch immer zu hören. Ein Update vom Dienstagabend berichtete CNN zufolge von weiteren Geräuschen, die aber nicht mehr als «Klopfen» beschrieben wurden. Die Laute deuteten darauf hin, dass es weiter Hoffnung auf Überlebende gebe. Die US-Küstenwache teilte mit, Tauchroboter seien entsandt worden, um den Ursprung zu erforschen - zunächst aber mit «negativen Ergebnissen».
Sogenannte Sonobojen sind ein wichtiges Hilfsmittel bei der Suche unter Wasser. Die Geräte werden von einem Flugzeug abgeworfen und sinken auf die erforderliche Tiefe. Ein Oberflächenschwimmer mit einem Funksender sichert die Kommunikation zwischen Sonar und Flugzeug. Die Sonargeräte senden Schallenergie aus - als «Ping» bezeichnet - und warten dann auf das zurückkehrende Echo eines Unterwasserobjekts. Sobald das Gerät das Echo auffängt, überträgt es die Informationen zurück an die Oberfläche.
Zweifel an der Sicherheit des Tauchboots
An der Sicherheit der «Titan» kamen zunehmend Zweifel auf. Dafür sorgten auch Aussagen von Oceangate-Chef Rush in einem Podcast des CBS-Reporters David Pogue, der 2022 mit der «Titan» mitgefahren war. «Wissen Sie, irgendwann ist Sicherheit reine Verschwendung», sagte Rush da. «Ich meine, wenn Sie auf Nummer sicher gehen wollen, stehen Sie am besten nicht auf. Steigen Sie nicht in Ihr Auto. Tun Sie gar nichts.» Die BBC berichtete unter Berufung auf US-Gerichtsdokumente, ein Oceangate-Mitarbeiter habe 2018 vor potenziellen Sicherheitsproblemen gewarnt. Mängel im Karbonrumpf des Boots könnten ohne strengere Tests unentdeckt bleiben, hieß es.
Oceangate bietet zahlungskräftigen Kunden eine abenteuerliche Reise - die Kosten für die insgesamt achttägige Expedition liegen bei 250.000 US-Dollar (229.000 Euro) pro Person.
Am Mittwoch waren weitere Schiffe auf dem Weg in das Suchgebiet, das mit rund 26.000 Quadratkilometern größer ist als Mecklenburg-Vorpommern. Darunter war die kanadische «HMCS Glace Bay», die eine Dekompressionskammer und medizinisches Personal an Bord hat. Verunglückte Taucher müssen nach der Rettung möglichst schnell in eine solche Kammer, um bleibende Schäden zu verhindern. Die US-Navy wollte das Tiefsee-Bergungssystem «Fadoss» nach Neufundland schicken. Die Marine beschreibt es als «tragbares Schiffshebesystem, das eine zuverlässige Tiefsee-Hebekapazität von bis zu 27 Tonnen für die Bergung großer, sperriger und schwerer versunkener Objekte wie Flugzeuge oder kleine Schiffe bietet.»
Die «Titanic» war 1912 auf ihrer Jungfernfahrt von Southampton nach New York im Nordatlantik gesunken. Mehr als 1500 der 2200 Menschen an Bord starben. Die in zwei große Teile zerbrochenen Überreste des berühmten Luxusdampfers wurden 1985 entdeckt.
Von Carola Frentzen, Benno Schwinghammer und Benedikt von Imhoff, dpa
++
UPDATE 3, 21. Juni, 8.48 Uhr
STRAUBING (dpa) - Vor der kanadisch-amerikanischen Küste suchen Retter seit Tagen nach einem kleinen Tauchboot, das auf seinem Weg zum Wrack der «Titanic» verschwunden ist. An Bord befindet sich ein französischer Forscher mit vier weiteren Männern. Der «Titanic»-Fan Arthur Loibl aus Straubing in Niederbayern verfolgt die Suche nach den Vermissten «extremst intensiv», wie er der Deutschen Presse-Agentur sagte. Denn: 2021 sei er als einer der ersten Mitfahrer mit dem Mini-U-Boot des Anbieters Oceangate Expeditions zur «Titanic» abgetaucht.
«Ich bin sehr mitgenommen», sagte Loibl, der Mitglied im «Deutschen Titanic-Verein von 1997» ist. Zwei der vermissten Männer kenne er persönlich, mit einem von ihnen sei er noch am Samstag per E-Mail in Kontakt gewesen. Es sei schwer einzuschätzen, was der Grund für das Verschwinden des Tauchbootes sein könnte. Jedoch müsse es für die Besatzung schrecklich sein. Man sitze auf engstem Raum, dicht nebeneinander, die Füße übereinander. Es gebe keine Toilette und nach so langer Zeit dürften Wasser und Essen ausgehen.
Er habe damals etwa 110.000 Dollar für seine Fahrt zur «Titanic» bezahlt. «Man muss verrückt sein und das Abenteuer lieben», sagte Loibl. «Angst darf man nicht haben.» Als er damals abgetaucht sei, hätten drei Amerikaner mitfahren wollen, die es sich jedoch im letzten Moment anders überlegt hätten. Die Sinkfahrt zu dem sagenumwobenen Wrack habe zweieinhalb Stunden gedauert.
++
UPDATE 2, 21. Juni 8.35 Uhr
Klopfgeräusche: Möglicherweise Spur bei Suche nach Tauchboot Atlantik
BOSTEN/ST. JOHN'S (dpa) - Bei der fieberhaften Suche nach dem vermissten Tauchboot «Titan» im Atlantik gibt es möglicherweise ein Lebenszeichen der Insassen. Suchteams hätten am Dienstag alle 30 Minuten eine Art von Klopfgeräuschen in der Region registriert, in dem das Gefährt der Firma Oceangate vermutet werde, hieß es in einem internen Memo der US-Regierung, aus dem der Sender CNN und das Magazin «Rolling Stone» in der Nacht zum Mittwoch (Ortszeit) zitierten.
Nachdem Stunden später zusätzliche Sonargeräte eingesetzt worden seien, sei das Klopfen noch immer zu hören gewesen. Aus dem Memo ging nicht hervor, wann genau und wie lange das Geräusch zu vernehmen war. Ein Update vom Dienstagabend berichtete Laut CNN von weiteren Geräuschen, die aber nicht mehr als «Klopfen» beschrieben wurden. Die Laute deuteten aber darauf hin, dass es weiter Hoffnung auf Überlebende gebe.
Die US-Küstenwache teilte später in einem Tweet mit, dass ein kanadisches Suchflugzeug «Unterwassergeräusche» gehört habe. Tauchroboter seien in das Gebiet entsandt worden, um den Ursprung zu erforschen - zunächst aber ohne Erfolg.
Sauerstoff wohl noch bis Donnerstagmittag
Die Zeit drängt: Schätzungen der Behörden zufolge dürfte der Sauerstoff nur noch bis Donnerstagmittag (MESZ) reichen. In der Nähe des «Titanic»-Wracks etwa 684 Kilometer südlich der kanadischen Insel Neufundland sind die Bedingungen äußerst schwierig. Es herrscht pechschwarze Dunkelheit, und der Wasserdruck ist groß.
An Bord der «Titan» ist unter anderem der französische Forscher Paul-Henri Nargeolet (77), der als einer der bekanntesten Experten für das Wrack des 1912 gesunkenen Luxusliners gilt und daher den Spitznamen «Mr. Titanic» trägt. Weitere Insassen sind der britische Abenteurer Hamish Harding (58) sowie der britisch-pakistanische Unternehmensberater Shahzada Dawood (48) und dessen 19-jähriger Sohn Suleman. Der fünfte Vermisste ist Oceangate zufolge der Chef der Betreiberfirma Stockton Rush (61), der als Kapitän des Bootes fungiert habe.
Das Gefährt wird seit Sonntagvormittag (Ortszeit) vermisst. Etwa eine Stunde und 45 Minuten nach Beginn des Tauchgangs, der rund sieben Stunden dauern sollte, riss der Kontakt zum Begleitboot «Polar Prince» ab. Nach Angaben des Anbieters Oceangate Expeditions hat die knapp sieben Meter kleine «Titan» ausreichend Sauerstoff für insgesamt 96 Stunden. Doch Experten zeigten sich mit Blick auf die Chance, das Gefährt rechtzeitig und intakt zu finden, pessimistisch.
Aufsehenerregender Brief
Unterdessen hatten Führungskräfte der Tauchboot-Industrie einem Artikel der «New York Times» zufolge schon vor Jahren Sorgen bezüglich der Sicherheit der «Titan». «Wir befürchten, dass der aktuelle experimentelle Ansatz von Oceangate zu negativen Ergebnissen führen könnte (von geringfügig bis katastrophal)», schrieben sie in einem auf 2018 datierten Brief, den die Zeitung veröffentlichte. Darin wird Oceangate irreführendes Marketing vorgeworfen. Chef Stockton Rush wurde dazu aufgerufen, die «Titan» von einer unabhängigen Partei testen zu lassen.
Das passt zum Eindruck von Reporter David Pogue vom US-Sender CBS, der die Fahrt im vergangenen Jahr mitgemacht hatte. Er sagte der BBC, das Gefährt habe auf ihn einen improvisierten Eindruck gemacht. «Man steuert dieses U-Boot mit einem Xbox-Gamecontroller», sagte Pogue. Ein Teil des Ballasts bestehe aus Baurohren. Falls das Boot eingeklemmt werde oder Leck schlage, «gibt es kein Backup, keine Rettungskapsel», sagte er. Der ehemalige U-Boot-Offizier Frank Owen sagte der BBC, die größte Herausforderung für die Eingeschlossenen sei es, ruhig zu bleiben und nicht zu viel Sauerstoff zu verbrauchen. Suche mit Flugzeugen und Schiffen
Die Suche nahe des «Titanic»-Wracks mit Flugzeugen und Schiffen geht indessen unermüdlich weiter. Weitere Schiffe sind auf dem Weg in das Gebiet, darunter das französische Forschungsschiff L’Atalante sowie die kanadische HMCS Glace Bay, die eine Dekompressionskammer und medizinisches Personal an Bord hat. Verunglückte Taucher müssen nach ihrer Rettung möglichst schnell in eine solche hyperbare Kammer gelangen, um bleibende Schäden zu verhindern.
Zunächst habe man sich bei der Suche auf die Wasseroberfläche konzentriert, indem mit Flugzeugen systematisch ein großes Gebiet abgeflogen worden sei, sagte John Mauger von der US-Küstenwache. Auch Unterwasser-Fahrzeuge sollen mittlerweile angekommen sein. Dabei setzten die Rettungskräfte vor allem Sonar ein, um die «Titan» zu lokalisieren. Es sei bereits eine Fläche von rund 26.000 Quadratkilometern abgesucht worden, teilte die US-Küstenwache auf Twitter mit. Das ist größer als Mecklenburg-Vorpommern.
Navy schickt Bergungs-System
Die US-Navy schickt derweil ein Gerät zur Bergung des U-Boots. Wie eine Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur sagte, soll das Tiefsee-Bergungssystem «Fadoss» in der Nacht zum Mittwoch (Ortszeit) in St. Johns im kanadischen Neufundland ankommen und dann weiter auf den Ozean transportiert werden. Die Navy beschreibt es als «tragbares Schiffshebesystem, das eine zuverlässige Tiefsee-Hebekapazität von bis zu 27 Tonnen für die Bergung großer, sperriger und schwerer versunkener Objekte wie Flugzeuge oder kleine Schiffe bietet.» Es kann mit seiner Winde und Seil auf Schiffen installiert werden.
Eine Rettung - ob nun mit «Fadoss» oder anderweitig - kann aber erst angegangen werden, wenn das Boot lokalisiert ist. Das in zwei Hälften zerbrochene Wrack der «Titanic» liegt in rund 3800 Metern Tiefe.
250.000 Dollar pro Person
Oceangate bietet zahlungskräftigen Kunden eine abenteuerliche Reise - die Kosten für die insgesamt achttägige Expedition liegen bei 250.000 US-Dollar (229.000 Euro). Der Tauchgang selbst dauert eigentlich nur wenige Stunden.
Die «Titanic» war 1912 auf ihrer Jungfernfahrt von Southampton nach New York im Nordatlantik gesunken. Mehr als 1500 der 2200 Menschen an Bord starben. Die Überreste des berühmten Luxusdampfers wurden 1985 entdeckt.
++
UPDATE: 20. Juni, 16.14 Uhr
ST. JOHN'S (dpa) - In der Nähe des berühmten «Titanic»-Wracks suchen Rettungskräfte in einem Wettlauf gegen die Zeit nach einem Tauchboot mit fünf Insassen. An Bord ist unter anderem der französische Forscher Paul-Henri Nargeolet, der als einer der bekanntesten Experten für das Wrack gilt und daher den Spitznamen «Mr Titanic» trägt. Weitere Insassen sind der britische Abenteurer Hamish Harding sowie der britisch-pakistanische Unternehmensberater Shahzada Dawood und dessen 19-jähriger Sohn Suleman. Die Identität des Fünften wurde zunächst nicht bestätigt.
Bestätigt ist, dass der britische Geschäftsmann und Abenteurer Hamish Harding ebenso an Bord ist wie der britisch-pakistanische Unternehmensberater Shahzada Dawood und sein 19-jähriger Sohn sowie ein bekannter französischer «Titanic»-Experte. Ein Sprecher der Familie bestätigte der BBC am Dienstag, dass der als «Mr Titanic» bekannte Forscher Paul-Henri Nargeolet einer der fünf Insassen ist. Die Identität des fünften Menschen an Bord ist bisher nicht öffentlich bestätigt.
Man verstärke die Suche unter Wasser, sagte John Mauger von der US-Küstenwache dem US-Sender CNN. Zunächst habe man sich auf die Wasseroberfläche konzentriert, indem man mit Flugzeugen einem bestimmten Muster folgend ein großes Gebiet abgeflogen sei. Flugzeuge der US-Nationalgarde und aus Kanada hätten die US-Küstenwache dabei unterstützt. Am Dienstag suche man verstärkt unter Wasser, in der Hoffnung, das Tauchboot lokalisieren zu können.
Das Wrack der «Titanic» liegt in 3800 Meter Tiefe
Das Gefährt wird seit Sonntagvormittag (Ortszeit) vermisst - etwa eine Stunde und 45 Minuten nach Beginn des Tauchgangs riss der Kontakt zum Begleitboot «Polar Prince» ab. Nach Angaben des Anbieters Oceangate Expeditions hat die knapp sieben Meter kleine «Titan» ausreichend Sauerstoff für 96 Stunden. Doch Experten zeigten sich mit Blick auf die Chance, das Gefährt rechtzeitig zu finden, pessimistisch.
Eine Rettung kann erst angegangen werden, wenn das Boot lokalisiert ist. Das in zwei Hälften zerbrochene Wrack der «Titanic» liegt in rund 3800 Metern Tiefe. An der Stelle etwa 684 Kilometer südlich der kanadischen Insel Neufundland sind die Bedingungen äußerst schwierig. Es herrscht pechschwarze Dunkelheit, und der Wasserdruck ist groß.
Oceangate bietet zahlungskräftigen Kunden eine abenteuerliche Reise - die Kosten für die insgesamt achttägige Expedition liegen bei 250.000 US-Dollar (229.000 Euro). Der Tauchgang selbst dauert eigentlich nur wenige Stunden. Das Unternehmen bewirbt die Fahrten mit dem Kohlefaser-Tauchboot laut BBC als Chance, «aus dem Alltag herauszutreten und etwas wirklich Außergewöhnliches zu entdecken». An Bord sind auch immer wieder Experten und Forscher.
Der Reporter David Pogue vom US-Sender CBS, der die Fahrt im vergangenen Jahr mitgemacht hatte, sagte der BBC, das Gefährt habe auf ihn einen improvisierten Eindruck gemacht. «Man steuert dieses U-Boot mit einem Xbox-Gamecontroller», sagte Pogue. Ein Teil des Ballasts bestehe aus Baurohren. Falls das Boot eingeklemmt werde oder Leck schlage, «gibt es kein Backup, keine Rettungskapsel», sagte er. Der ehemalige U-Boot-Offizier Frank Owen sagte der BBC, die größte Herausforderung für die Eingeschlossenen sei es, ruhig zu bleiben und nicht zu viel Sauerstoff zu verbrauchen.
Mit Experte Nargeolet, einem ehemaligen Marinetaucher, und Abenteurer Harding sind mindestens zwei erfahrenen Insassen an Bord. Der Brite, der in wenigen Tagen 59 Jahre alt wird, hält mehrere Guinness-Weltrekorde, darunter den längsten Tauchgang im Marianengraben, dem tiefsten Ort der Erde, im März 2021. Im Juni 2022 flog er ins All. Hardings Unternehmen Action Aviation teilte mit, die Familie sei dankbar für viele unterstützende Nachrichten. Man sei sehr stolz auf Harding, der unter anderem für die Wiederansiedlung von Geparden aus Namibia in Indien verantwortlich gewesen sei.
In dem Tauchboot herrschen nach Angaben eines Experten äußerst schwierige Bedingungen. «Es wird heiß sein, es wird beengt sein», sagte der Ozeanologe Simon Boxall von der Universität Southampton der BBC. «Es gibt keine Rettungskapsel.» In dieser Tiefe herrsche ein enormer Druck, ein Ausstieg sei unmöglich. «Also sind sie völlig darauf angewiesen, dass das Tauchboot gefunden wird.» Boxall betonte: «Es ist eine enorme Herausforderung, die wir noch nie zuvor bewältigen mussten.» Die Zeit für eine Rettung sei sehr knapp.
Der Meeresforscher David Mearns sagte der BBC, mittlerweile sei ein kommerzielles Rohrverlegungsschiff in der Gegend angekommen. Das Schiff sei sehr leistungsfähig und es bestehe die Hoffnung, dass es die Fähigkeit habe, die nötige Tiefe zu erreichen, um nach dem Tauchboot zu suchen.
Die «Titanic» war 1912 auf ihrer Jungfernfahrt von Southampton nach New York im Nordatlantik gesunken, mehr als 1500 der 2200 Menschen an Bord starben. Die Überreste des berühmten Luxusdampfers wurden 1985 entdeckt. Filme wie der Blockbuster «Titanic» (1997) mit den Hollywood-Stars Kate Winslet und Leonardo DiCaprio heizten das Interesse an der Katastrophe weiter an. Erst vor kurzem hatten Wissenschaftler mit Hilfe hochauflösender 3D-Bilder die bisher genaueste Darstellung des Wracks geboten.
Von Benedikt von Imhoff, dpa
+++++
Ursprüngliche Meldung
BOSTON/ST. JOHNS (dpa) - In einem Wettlauf gegen die Zeit suchen Rettungskräfte in der Nähe des «Titanic»-Wracks im Atlantik nach fünf Vermissten in einem verschollenen U-Boot. An Bord ist unter anderem der milliardenschwere britische Abenteurer und Unternehmer Hamish Harding, wie sein Unternehmen Action Aviation in der Nacht zum Dienstag bestätigte. Auch der pakistanische Unternehmensberater Shahzada Dawood und sein 19-jähriger Sohn Suleman gehören zu den Insassen, wie ihre Familie mitteilte.
Da der Sauerstoff in der knapp sieben Meter langen «Titan» nach Betreiberangaben für 96 Stunden reicht, «gehen wir davon aus, dass derzeit zwischen 70 und 96 Stunden verfügbar sind», sagte Kommandant John Mauger von der US-Küstenwache am Montagnachmittag (Ortszeit) in Boston. Das Boot wird seit Sonntagvormittag (Ortszeit) vermisst.
Das Wrack der Titanic liegt in 3800 Meter Tiefe
«Wir setzen alle verfügbaren Mittel ein, um sicherzustellen, dass wir das Schiff lokalisieren und die Menschen an Bord retten können», sagte Mauger weiter. Das Unternehmen Oceangate Expeditions bestätigte, dass Menschen an Bord seien. «Wir prüfen und mobilisieren alle Optionen, um die Besatzung sicher zurückzubringen», zitierte die britische BBC aus einer Mitteilung. Das Unternehmen bringt gelegentlich Privatleute für viel Geld zum Wrack der 1912 gesunkenen, weltberühmten «Titanic», die am Grund des Ozeans in 3800 Meter Tiefe liegt.
Abenteurer Harding hält mehrere Guinness-Weltrekorde, darunter den längsten Tauchgang im Marianengraben, dem tiefsten Ort der Erde, im März 2021. Im Juni 2022 flog der Brite ins All. Harding hatte am Sonntag in den sozialen Medien mitgeteilt, dass er an der «Titanic»-Expedition teilnimmt. Es handele sich voraussichtlich um die einzige solche Expedition in diesem Jahr.
Kommandant Mauger sagte, nun gehe es zunächst darum, das Tauchboot an der Wasseroberfläche oder in der Tiefe des Ozeans aufzuspüren. Dafür würden mehrere Flugzeuge und Schiffe sowie Bojen mit Sonar an Bord eingesetzt, die Geräusche in einer Meerestiefe von bis zu knapp 4000 Meter erfassen können. Erst wenn der genaue Ort des Bootes klar sei, könne eine mögliche Rettung angegangen werden. Bei der großangelegten Aktion arbeitet die US-Küstenwache mit kanadischen Einsatzkräften sowie privaten Booten und Handelsschiffen an der vermuteten Stelle rund 1500 Kilometer östlich der US-Metropole Boston zusammen.
Die Besatzung des kanadischen Begleitschiffs «Polar Prince» hatte etwa eine Stunde und 45 Minuten nach Beginn des Tauchgangs den Kontakt zur «Titan» verloren. Eine Fahrt vom Heimathafen St. John's auf der kanadischen Insel Neufundland kostet 250.000 Dollar (229.000 Euro) pro Person. Dabei handelt es sich bei der «Titan» im engen Sinne um ein Tauchboot, nicht um ein U-Boot, weil es nicht aus eigener Kraft in Häfen ein- und ausfährt. Nach Unternehmensangaben ist die «Titan» 6,70 Meter lang.
Oceangate zufolge dauern die Touren des Unternehmens insgesamt acht Tage. Das Unternehmen bewirbt die Fahrten mit dem Kohlefaser-Tauchboot laut BBC als Chance, «aus dem Alltag herauszutreten und etwas wirklich Außergewöhnliches zu entdecken».
Die «Titanic» war 1912 auf ihrer Jungfernfahrt von Southampton nach New York im Nordatlantik gesunken, mehr als 1500 der 2200 Menschen an Bord starben. Die Überreste des berühmten Luxusdampfers wurden 1985 in rund 3800 Metern Tiefe entdeckt. Filme wie der Blockbuster «Titanic» (1997) mit den Hollywood-Stars Kate Winslet und Leonardo DiCaprio heizten das Interesse an der Katastrophe weiter an. Erst vor kurzem hatten Wissenschaftler mit Hilfe hochauflösender 3D-Bilder die bisher genaueste Darstellung des Wracks geboten.
Der Reporter David Pogue vom US-Sender CBS, der die Fahrt im vergangenen Jahr mitgemacht hatte, sagte der BBC, das Gefährt habe auf ihn einen improvisierten Eindruck gemacht. «Man steuert dieses U-Boot mit einem Xbox-Gamecontroller», sagte Pogue. Ein Teil des Ballasts bestehe aus Baurohren. Falls das Boot eingeklemmt werde oder Leck schlage, «gibt es kein Backup, keine Rettungskapsel», sagte er. Der ehemalige U-Boot-Offizier Frank Owen sagte der BBC, die größte Herausforderung für die Eingeschlossenen sei es, ruhig zu bleiben und nicht zu viel Sauerstoff zu verbrauchen.
Der U-Boot-Experte Alistair Greig vom University College London nannte im BBC-Gespräch mehrere mögliche Szenarien des Vorfalls. Bei einem Strom- oder Kommunikationsausfall könne es sein, dass das Tauchboot zur Oberfläche getrieben würde. Deutlich schlechter wäre die Lage, sollte der Rumpf beschädigt worden sein und es ein Leck geben. «Dann ist die Prognose nicht gut», sagte Greig.
Schwierig wäre es auch, wenn das Tauchboot nicht mehr aus eigener Kraft vom Meeresboden aufsteigen könne. «Auch wenn das Tauchboot möglicherweise noch intakt ist, gibt es, wenn es tiefer als 200 Meter ist, nur sehr wenige Schiffe, die so tief vordringen können, und schon gar keine Taucher», sagte der Experte. «Die für die U-Boot-Rettung der Marine konzipierten Fahrzeuge können sicherlich nicht annähernd in die Tiefe der «Titanic» vordringen. Und selbst wenn sie es könnten, bezweifle ich sehr, dass sie an der Luke des Touristentauchboots fest machen könnten.»
Von Benedikt von Imhoff und Benno Schwinghammer, dpa
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.