Markus Söder im Sommer-Interview:
Tempo 130, grüne Moral, Hass & Hetze und mehr
Von MarktSpiegel-Chefredakteur
PETER MASKOW
NÜRNBERG/BAYERN – Die Sommerferien kommen! Ab Freitag (30. Juli) geht‘s für viele in den Urlaub. Zeit zum Durchatmen. Zeit für ein großes, exklusives Sommer-Interview mit Bayerns Ministerpräsident Dr. Markus Söder (54, CSU).
MarktSpiegel: Herr Ministerpräsident, viele Menschen genießen ihre zurückgewonnenen Freiheiten. Haben wir das Thema Corona in Bayern wirklich hinter uns?
Dr. Markus Söder: „Wir müssen die Delta-Variante sehr ernst nehmen. Die steigenden Zahlen in Großbritannien, Spanien und anderen Teilen Europas zeigen: Die Gefahr ist noch da. Solange wir nicht etwa 80 Prozent Vollgeimpfte erreicht haben, bleibt Corona eine große Herausforderung. Wir wissen leider auch noch zu wenig über möglichen Langzeitfolgen, die gerade durch die Delta-Variante ausgelöst werden könnten. Deshalb müssen wir weiter aufpassen mit der richtigen Balance aus Vernunft und Lebensfreude.“
Wie zufrieden sind Sie mit dem Fortschritt der Impfungen?
„Impfen ist die einzig wirksame Langzeitstrategie gegen Corona. Deshalb brauchen wir jetzt neue Anreize und Angebote, um die Impfbereitschaft zu erhöhen. Der Impfstoff ist da, aber jetzt muss auch alles so schnell wie möglich verimpft werden. Wir brauchen dazu ein noch breiteres Angebot nach dem Motto „Impfen to go“. Wer möchte, sollte sich schnell, wohnortnah und ohne große Bürokratie impfen lassen können. Dazu könnte es auch Drive-In-Möglichkeiten geben. Wir sind in einem Wettlauf mit der Zeit und der Delta-Variante.“
Ihr Gesundheitsminister Holetschek war zuletzt vorsichtig optimistisch, was die Prognose für den Herbst angeht. Ist Delta rechtzeitig in den Griff zu bekommen – oder droht mit Beginn der Erkältungszeit der nächste Lockdown?
„Nur wenn wir jetzt mehr und schneller impfen, werden wir gut auf den Herbst vorbereitet sein. Denn jeder Geimpfte schützt nicht nur sich, sondern die ganze Gesellschaft. Vollständige und unbeschwerte Freiheit wird es nur mit Impfen geben können.“
Sie selbst sind mit dem Vakzin von Biontech/Pfizer geimpft. Wie haben Sie Ihre Impfung vertragen?
„Sehr gut. Zum Glück gab es weder bei der Erstimpfung noch bei der Zweitimpfung größere Nebenwirkungen.“
Sie sind für Ihre Coronapolitik viel gelobt aber auch hart attackiert worden. Oft unsachlich, persönlich, gezielt kränkend. Wie gehen Sie mit diesen Schmähungen und Bosheiten aus den „sozialen Netzwerken“ um? Was macht das mit Ihnen?
„Hass und Hetze sind keine Form des Umgangs. Solche Kritik nehme ich nicht an. Wir wägen jede Entscheidung vorher genau ab und treffen sie für die Mehrzahl der Menschen. Wir schützen damit auch diejenigen, die die Schmähungen verbreiten. Hätten wir Corona ignoriert oder wie die AfD sogar geleugnet, hätte es in Bayern bis zu 130.000 Tote durch Corona geben können. Für mich ist klar: Der Schutz jedes Lebens steht an oberster Stelle. Auch wenn der ein oder andere nicht wahrnimmt, dass er geschützt wird.“
Welche Lehren müssen wir in Bayern aus der Flutkatastrophe der vergangenen Tage ziehen?
„Die schweren Unwetter auch bei uns in Bayern sind ein deutlicher Warn- und Weckruf: Das Klima ändert sich rasant, nicht nur irgendwo auf der Welt, sondern auch in Deutschland und auch bei uns in Bayern. Entweder wir verstehen die Warnrufe und handeln, oder wir haben langfristig mit dramatischen Folgen zu kämpfen. Deshalb müssen wir die Anpassung an bereits begonnene Klimaveränderungen schneller voranbringen. Und wir brauchen mehr Klimaschutz. Wir müssen ein endgültiges Kippen des Klimas verhindern. Ich habe deshalb am Mittwoch im Landtag ein umfassendes Klimaschutzkonzept auf den Weg gebracht. Unser Ziel ist es, im Jahr 2040 in Bayern klimaneutral zu sein. Wir legen ein ambitioniertes Klimaprogramm über fünf Sektoren und mit rund 50 Maßnahmen auf. Und wir stellen mit einer Milliarde Euro allein für das Jahr 2022 eine nachhaltige finanzielle Ausstattung im Haushalt sicher.“
Viele rätseln ja: Wenn Sie sich z.B. im Italien-Pulli auf Facebook zeigen – macht das dann ein Team für Sie oder Sie höchst selbst?
„Zum Entsetzen meiner hervorragenden Mitarbeiter sind es meine Ideen (lacht). Aber im Ernst: Ein bisschen Spaß tut manchmal gut.“
Anderes Thema: Wären Sie noch immer der bessere Kanzlerkandidat der Union für Deutschland? Und wie ist Ihr Verhältnis zu Armin Laschet aktuell?
„Wir haben ein sehr gutes Verhältnis. Armin Laschet ist unser Kanzlerkandidat. Am Ende zählt, dass es dem Land gut geht. Und das gelingt am besten unter der Führung der Union – und wenn wir als Union geschlossen sind.“
Der Hype um die Grünen scheint abzuflachen. Worauf geht das Ihrer Analyse nach zurück?
„Es stimmt: Der grüne Höhenflug ist gestoppt. Aber es ist noch nichts gewonnen. Das Vertrauen in die Grünen, das Land zu führen, ist jedoch offenbar nicht besonders groß. Sie sind inhaltlich wieder in ihre alte Rolle zurückgefallen und machen nur ein Angebot an ihre grünen Stammwähler. Die Mehrzahl der Bevölkerung erreicht man aber nicht mit Benzinpreiserhöhungen, Flugverboten und anderen Beschränkungen, die nur zu Verboten führen. Besser ist es, Anreize zu schaffen und Ökonomie und Ökologie klug zu verbinden. Die Grünen tun sich da schwer mit ihrer politischen Moral. Sie können oft selbst nicht das einhalten, was sie bei anderen vehement einfordern. Das reicht nicht zur Nummer Eins in Deutschland.“
Ihr Amtsvorgänger Dr. Günther Beckstein sagte im Presseclub Nürnberg kürzlich auf die Frage, ob unter einer schwarz-grünen Regierung das generelle Tempolimit auf den Autobahnen kommt, das sei Verhandlungssache: „Da müssen die Grünen einen anständigen Preis zahlen, aber dann kriegen sie ihr Tempolimit“. Der Mann ist ja lange genug dabei und Profi – läuft es genau so, wie er es vorhersagt?
„Eine Festlegung auf Tempo 130 wird uns in der Klimafrage nicht wirklich voranbringen. Das ist eher ein Instrument der 80er-Jahre und gibt keine Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft. Statt nur über Verbote zu diskutieren, ist es doch besser, effiziente Anreize für mehr Klimaschutz zu setzen. Zum Beispiel mit einem massiven Ausbau des ÖPNV und der Radwege. Es reicht nicht, Antworten von gestern auf die Fragen von morgen zu geben.“
Eine Frage gilt wie immer dem Sport in Franken: In welcher Liga findet das nächste Derby zwischen dem Club und der SpVgg Greuther Fürth statt – und wann wird das wohl sein?
„Club-Fans sind bekanntlich leidensfähig, aber ich bleibe hoffnungsvoll. Vielleicht klappt es ja wieder übernächste Saison – natürlich in der Bundesliga.“
Letzte Frage: Wo und wie wird der bayerische Ministerpräsident heuer seinen Sommerurlaub verbringen?
„Als Ministerpräsident behält man jederzeit alles im Blick. Aber ein paar Tage werden wir mit der Familie sicher etwas entspannen. Wo genau, ist noch nicht entschieden. Aber es wird auf jeden Fall südlich von Nürnberg sein (lacht).“
Herzlichen Dank für das
Interview!
Autor:Redaktion MarktSpiegel aus Nürnberg |
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