Apotheken-Streik in Deutschland
Darum geht es beim heutigen Ausstand
BERLIN (dpa/vs) - Es geht vor allem ums Geld: Aus Protest gegen die Gesundheitspolitik der Bundesregierung bleiben heute viele Apotheken in Deutschland geschlossen. Die Arzneimittelversorgung soll aber noch über Notdienstapotheken aufrechterhalten werden, wie die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (Abda) mitteilte.
Die Branche will mit den bundesweiten Aktionen auf Personalnot und Mehraufwand etwa wegen Lieferengpässen von Medikamenten aufmerksam machen. Gefordert werden unter anderem auch lange ausgebliebene Honoraranhebungen. Die Zahl der Apotheken war zuletzt unter die Marke von 18.000 gefallen.
Absage von Bundesgesundheitsminister Lauterbach
Beim «Protesttag» sind in mehreren Städten auch Demonstrationen und Kundgebungen geplant. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat Forderungen nach höheren Vergütungen bereits eine Absage erteilt. Er äußerte Verständnis dafür, dass die Apotheken auf Honorarwünsche und andere Probleme hinwiesen. Mangels zusätzlicher Haushaltsmittel und steigender Beiträge für die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) gebe es die Spielräume dafür im Moment aber leider nicht.
Der FDP-Gesundheitspolitiker Lars Lindemann sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Wenn der finanzielle Spielraum nicht viel zulässt, dann müssen wir die Rahmenbedingungen ändern.» Apotheken bräuchten weniger Bürokratie, maximale Flexibilität und Planungssicherheit. Darauf sollte sich der Minister konzentrieren und mit den Apotheken in den Austausch gehen. Ein pauschales Nein bringe keine Lösung. Klar sei: «Geschlossene Apothekentüren dürfen nicht zum Alltag werden.»
Die Forderungen: Die Branche verlangt, eine seit zehn Jahren nicht erhöhte fixe Pauschale von 8,35 Euro pro rezeptpflichtigem Medikament für Beratung auf 12 Euro anzuheben. Sie müsse dann auch regelmäßig an die Kostenentwicklung angepasst werden. Kommen solle eine zusätzliche Pauschale für jede Apotheke, um das Versorgungsangebot in der Fläche als solches abzusichern. Für den Extra-Aufwand bei nicht lieferbaren Medikamenten solle es für jeden Austausch 21 Euro als Zuschlag geben.
Mehrbelastungen von 10.000 Euro
Die Sicht der Kassen: Der GKV-Spitzenverband argumentiert, das Honorar steige unaufhörlich, weil Apotheken zusätzlich zur Pauschale für jedes Medikament drei Prozent vom Einkaufspreis erhalten. «Mit jeder Preissteigerung, mit jedem neuen, teureren Medikament steigt auch das Honorar des Apothekers», sagte Sprecher Florian Lanz. So erhielten Apotheken fürs Abgeben eines Standard-Antibiotikums rund 7 Euro pro Packung und für ein Multiple-Sklerose-Mittel 160,71 Euro. Würde der Fixbetrag wie gefordert auf 12 Euro pro Packung erhöht, wären das Mehreinnahmen von 2,2 Milliarden Euro für die Apotheken - ohne, dass für Patientinnen und Patienten irgendetwas besser würde.
Das Netz: Die Zahl der Apotheken in Deutschland schrumpft. Ende März gab es noch 17.939 - das war der niedrigste Stand seit mehr als 40 Jahren. Seit Ende vergangenen Jahres gab es damit bundesweit 129 Apotheken weniger: 17 Neueröffnungen standen 146 Schließungen im ersten Quartal 2023 gegenüber. Erfasst werden jeweils Hauptapotheken und Filialen, von denen Apotheker bis zu drei betreiben können.
Die Lage: Die Beschäftigtenzahl in Apotheken ging nach Branchendaten im vergangenen Jahr leicht auf 159.352 zurück. An Patienten abgegeben wurden 1,4 Milliarden rezeptpflichtige und rezeptfreie Arzneimittel. Der Gesamtumsatz der Apotheken stieg auf knapp 64,9 Milliarden Euro. Der Betriebsgewinn vor Steuern einer durchschnittlichen Apotheke sank demnach auf 162.890 Euro. Für dieses Jahr erwartet der Verband Mehrbelastungen von 10.000 Euro durch höhere Tariflöhne.
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