Bundeshaushalt 2023: Trickst die Ampel-Koalition?
Kann von der Einhaltung der Schuldenbremse wirklich die Rede sein?
BERLIN (dpa/vs) - Eigentlich eine gute Nachricht: Im nächsten Jahr scheint die Schuldenbremse bei den Ausgaben des Bundeshaushaltes wieder zu funktionieren. Aber stimmt das wirklich? Kritiker sehen das anders und warnen vor einem weiteren Anstieg der Staatsverschuldung.
Der Bundeshaushalt für das kommende Jahr steht - und damit auch die Rückkehr zur jahrelang ausgesetzten Schuldenbremse. Das ergaben die abschließenden Beratungen des Haushaltsausschusses in Berlin. Der Bundesetat für 2023 sieht nun Ausgaben von rund 476,29 Milliarden Euro vor - noch deutlich mehr als von Finanzminister Christian Lindner (FDP) ursprünglich veranschlagt.
Der Bund nimmt dafür Kredite in Höhe von 45,6 Milliarden Euro auf. Diese sind wegen der schlechten Konjunkturerwartungen im kommenden Jahr trotz Schuldenbremse erlaubt - der mögliche Spielraum wird voll ausgeschöpft. Der Bundestag soll den Haushaltsentwurf in der Sitzungswoche vom 22. bis 25. November endgültig verabschieden.
Viel Geld fließt im kommenden Jahr in Entlastungen für Bürger und Wirtschaft angesichts der hohen Energiepreise. Unter anderem werden für 48 Millionen Menschen die Steuern gesenkt, der Bund gleicht die negativen Folgen der hohen Inflation bei der Einkommensteuer aus. Dazu kommen zum Beispiel eine Wohngeld-Reform und ein Zuschuss zu den Heizkosten für Bedürftige. Außerdem steigt das Kindergeld.
So flexibel ist die Schuldenbremse
In der 18-stündigen «Bereinigungssitzung» - laut FDP die längste der letzten zehn Jahre - beschlossen die Haushälter noch mehrere Änderungen an Lindners Entwurf. Unter dem Strich wurden die Investitionen im Vergleich dazu nun um 13 Millionen Euro erhöht, die Ausgaben insgesamt um 31 Milliarden.
Die Schuldenbremse im Grundgesetz wird nach drei Ausnahmejahren wegen der Corona-Krise und des Ukraine-Kriegs trotzdem eingehalten. Das liegt vor allem daran, dass sie flexibler ist als vielfach bekannt: In konjunkturell schlechten Zeiten darf der Staat mehr Schulden machen. Aktuell gehen Experten davon aus, dass die deutsche Wirtschaft in eine Rezession rutscht - der Schuldenspielraum wächst dadurch auf genau die 45,6 Milliarden, die im Etat auch angesetzt werden.
«Der Ampel gelingt mit diesem Haushalt die schwierige Balance aus Investitionen in die Zukunft und den gesellschaftlichen Zusammenhalt unseres Landes auf der einen Seite und der haushaltspolitischen Vernunft innerhalb der Schuldenbremse auf der anderen Seite», erklärten die Koalitions-Haushälter Dennis Rohde (SPD), Sven-Christian Kindler (Grüne) und Otto Fricke (FDP) nach der Nachtsitzung. Der Regierungsentwurf sei an entscheidenden Stellen nachgebessert worden. «Wir behalten das Wichtigste im Blick und setzen inmitten zahlreicher Krisen klare Prioritäten.»
Opposition hält den Haushalt für unehrlich
Die Haushälter legten an einigen Stellen nochmal drauf, strichen an anderen etwas zusammen. So gab es 1,5 Milliarden Euro mehr für den Schienenverkehr. Angesichts des russischen Kriegs in der Ukraine legten sie auch je eine Milliarde Euro drauf beim Auswärtigen Amt und dem Entwicklungsministerium. Das Geld soll zum Beispiel für humanitäre Hilfe, Wiederaufbau und den Kampf gegen Hunger genutzt werden. Die Entwicklungsorganisation One kritisierte allerdings, selbst mit der Extra-Milliarde stehe für das Entwicklungsministerium aber weniger Geld zur Verfügung als in diesem Jahr.
Die Opposition hält den Haushalt für unehrlich. Der Grund: Hohe Investitionen in die Bundeswehr und für die geplanten Preisbremsen für Gas und Strom werden nicht aus dem Kernhaushalt, sondern aus sogenannten Sondervermögen bezahlt, die mit Krediten bestückt werden. Damit umgehe Lindner die Schuldenbremse. «Mehr Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit täten der Ampel gut», erklärte Unions-Haushälter Christian Haase.
Auch der Steuerzahlerbund appellierte an die Ampel-Regierung, das Ausgliedern von Staatsschulden in Nebenhaushalte zu beenden. «Das Jonglieren mit Milliarden-Schulden - vorbei am Bundeshaushalt, vorbei an bewährten Haushaltsgrundsätzen und vorbei an der Schuldenbremse - muss ein Ende haben», fordert Präsident Reiner Holznagel.
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