Warnstreiks
Wie hart werden die Tarifverhandlungen 2024?

Symbolfoto: Sina Schuldt/dpa
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DÜSSELDORF / KÖLN (dpa/mue) - Deutschland im Streikmodus: Kaum waren die jüngsten Streiks bei der Deutschen Bahn beendet, machten die Uniklinik-Ärzte und die Luftsicherheitskräfte weiter; jetzt folgten die Bus- und Straßenbahnfahrer. Tarifstreitigkeiten mit größeren Auswirkungen auf die Bevölkerung gibt es gerade mehrere. Was kommt in diesem Jahr noch auf die Verbraucher zu? Ein Überblick.

ÖPNV

Am Freitag geht es mit einem Warnstreik im öffentlichen Personennahverkehr weiter. Verdi hat die Beschäftigten im kommunalen Nahverkehr von fast allen Bundesländern dazu aufgerufen. Bayern ist ausgenommen, weil dort derzeit nicht verhandelt wird. In Berlin soll der Ausstand zudem auf den Morgen beschränkt sein. Dennoch müssen sich Fahrgäste in vielen Regionen auf weitreichende Einschränkungen im Bus-, Straßen- und U-Bahnverkehr einstellen. Von den parallelen Tarifverhandlungen im ÖPNV sind laut Verdi mehr als 130 kommunale Unternehmen in rund 80 Städten und rund 40 Landkreisen mit insgesamt 90.000 Beschäftigten betroffen.

Bahn

Der Tarifstreit zwischen Deutscher Bahn und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) geht in den nächsten Wochen erst mal ohne weitere Streiks weiter. Die Tarifparteien wollen wieder verhandeln. Bis 3. März soll es keine weiteren Arbeitskämpfe der GDL geben.

Lufthansa

Auch im Lufthansa-Konzern sind Warnstreiks nicht ausgeschlossen. Die Kabinengewerkschaft Ufo hat die Gehaltsverhandlungen für rund 18.000 Flugbegleiter der Stammgesellschaft einseitig abgebrochen, wie Ufo mitteilte. Kaum verhohlen drohte die Gewerkschaft mit Streik, wenngleich eine Entscheidung der Tarifkommission noch nicht gefallen sei.

Handel

Noch offen ist, wie es in den festgefahrenen Tarifkonflikten im Einzelhandel sowie im Groß- und Außenhandel weitergeht. Begleitet von zahlreichen Warnstreiks wird dort schon seit mehreren Monaten verhandelt - in einigen Tarifgebieten schon seit April 2023.

Nächste Tarifverhandlungen stehen an

Das Tarifarchiv des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung in Düsseldorf hat einen umfassenden Überblick über die Tariflandschaft. Demnach laufen zwischen Dezember 2023 und Dezember 2024 für knapp zwölf Millionen Beschäftigte allein von den DGB-Gewerkschaften vereinbarte Vergütungstarifverträge aus. Im Frühjahr enden etwa die Tarifverträge in der Druckindustrie (109.000 Beschäftigte), im Bauhauptgewerbe (731.000) und in der Leiharbeitsbranche (700.000). Im Juni laufen die aktuellen Tarifverträge der Chemischen Industrie (585.000) und der Systemgastronomie (79.000) aus. Ab September 2024 starten die Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie, der größten Tarifbranche in Deutschland mit über 3,6 Millionen Beschäftigten. Ende 2024 laufen schließlich die Tarifverträge für den Öffentlichen Dienst bei Bund und Gemeinden (2,4 Millionen Beschäftigte) aus.

«Konfliktreiche» Verhandlungen befürchtet

Tarifexperte Hagen Lesch vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) rechnet mit «konfliktreichen Tarifverhandlungen». Die Gewerkschaften würden anstreben, die Reallöhne zu steigern, schreibt Lesch in einer jüngst veröffentlichten Analyse. «Da die Inflationsausgleichsprämie schon weitgehend ausgeschöpft wurde, kann dieses Instrument die Kompromissfindung nicht weiter erleichtern.» Zuletzt sei zu beobachten gewesen, dass einige Gewerkschaften hohe Lohnforderungen stellten und die Prämie «on top» verlangten. «Zu dieser expansiven Ausrichtung der Gewerkschaften kommt hinzu, dass sie Konflikte nutzen, um Mitglieder zu gewinnen.» All dies spreche für konfliktreiche Tarifverhandlungen.

Ob das Konfliktniveau 2024 ähnlich hoch sein wird wie 2023, hängt laut Lesch aber auch von der Kompromissbereitschaft der Arbeitgeber ab. Denn: «Einerseits leiden viele Unternehmen unter der derzeitigen Stagnationsphase, andererseits ist der Arbeits- und Fachkräftebedarf vielerorts weiterhin hoch.»

Autor:

Uwe Müller aus Nürnberg

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