Wirtschaftsstandort verliert an Attraktivität
IHK-Präsident Dr. Armin Zitzmann: „Die Lage ist so kritisch wie seit der Finanzkrise nicht mehr“
NÜRNBERG (pm/nf) – „Noch befriedigend“ – mit dieser Schulnote bewerten die mittelfränkischen Unternehmen ihren Standort bei der „Standort-Umfrage 2024“ der IHK Nürnberg für Mittelfranken. Das ist fast ein Drittel Notenpunkt schlechter als bei der Befragung vor fünf Jahren.
Die Unternehmen waren aufgerufen, ihr Urteil zu insgesamt 52 Standortfaktoren aus folgenden sechs Themengebieten abzugeben: Infrastruktur, Arbeitsmarkt, Verwaltung, Standortkosten, wirtschaftliches Umfeld und allgemeines Umfeld. Beteiligt hatten sich rund 1.700 mittelfränkische Betriebe aller Größen – darunter 232 Unternehmen aus der Stadt Nürnberg. Demnach kommt Mittelfranken mit einer Durchschnitts-Schulnote von 3,36 auf ein „noch befriedigend“. Die Bewertung liegt um 0,3 Punkte niedriger als 2019. Am deutlichsten verschlechtert haben sich aus Sicht der Betriebe die Faktoren in den Themenfeldern Standortkosten und Verwaltung.
Die Spanne der Ergebnisse für die Standort-Gesamtbewertung reicht von 3,53 in der Stadt Nürnberg bis zu 3,15 im benachbarten IHK-Gremium Altdorf
Fünf von sechs mittelfränkischen Unternehmen planen, in den nächsten fünf Jahren ihrem derzeitigen Standort treu zu bleiben. Doch der Anteil derer, die ihren derzeitigen Betrieb schließen oder ihn außerhalb Mittelfrankens verlagern wollen, hat sich im Vergleich zu 2019 fast verdoppelt.
Hohe Zufriedenheit (Schulnote „gut“) herrscht in Mittelfranken bei Themen des allgemeinen oder wirtschaftlichen Umfelds, beispielsweise Lebensqualität, Attraktivität der Innenstädte oder Nähe zu Kunden und Absatzmärkten. Ausschließlich ausreichende Urteile hagelte es dagegen bei der Verfügbarkeit von hinreichend qualifizierten Arbeitskräften und Azubis sowie in den Bereichen Standortkosten und Verwaltung.
Die Unzufriedenheit mit diesen Standortfaktoren ist auch deshalb so ausgeprägt, weil diese auch als besonders bedeutsam für ein erfolgreiches Wirtschaften angesehen werden. „Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die Betriebe den drängendsten Handlungsbedarf bei den Bürokratie-Folgekosten und bei der Dauer von Genehmigungsverfahren sehen“, so IHK-Präsident Dr. Armin Zitzmann.
Gleich danach werden bessere Beteiligungsmöglichkeiten bei kommunalen Planungen und die Digitalisierung von Verwaltungsverfahren genannt. Die Betriebe kritisieren zudem, dass es bei einem wichtigen Infrastruktur-Thema kaum Fortschritte gegeben habe: Wie schon 2019 reiche die Qualität der Breitband-Infrastruktur und des Mobilfunkempfangs, die ein bedeutsamer Standortfaktoren sei, bei weitem nicht aus.
Die Unternehmen in der Stadt Nürnberg, die in der kommenden IHK-Wahlperiode 2025 bis 2029 durch das neue „IHK-Gremium Stadt Nürnberg“ vertreten werden, liegen in ihrem Standorturteil nochmals schlechter als der Durchschnitt. Die Benotungen von Standortkosten, Verwaltungsverfahren und Faktoren aus dem „allgemeinen Umfeld“ fallen schlechter aus als in allen anderen IHK-Gremien. Handlungsbedarf sehen die Befragten jenseits der in ganz Mittelfranken relevanten Faktoren auch bei der Sauberkeit und Sicherheit im öffentlichen Raum, der Wohn- und Parkplatzsituation, den kommunalen Steuern und Abgaben sowie der (analogen und digitalen) Erreichbarkeit der Verwaltung.
„Die Ergebnisse unserer Befragung bestätigen, was auch in den vielen persönlichen Gesprächen mit Unternehmen deutlich wird: Die Lage ist so kritisch wie seit der Finanzkrise 2008/2009 nicht mehr“, so IHK-Präsident Dr. Armin Zitzmann. „Wenn das regionale Wirtschaftsumfeld in den wesentlichen Zukunftsfaktoren nur mit der Note ,ausreichend‘ bewertet wird, ist irgendwann die Versetzung gefährdet. Als IHK gehen wir deshalb verstärkt die Probleme an, bei denen wir auch regional Einfluss haben. Wir versuchen, möglichst viele junge Menschen für die betriebliche Ausbildung zu begeistern, und arbeiten mit unseren Partnern daran, dringend benötigte internationale Fachkräfte in die Region zu bekommen. Wir sprechen mit den regionalen Verwaltungen, wo wir vor Ort Bürokratie abbauen können, ohne dass wir auf Brüssel oder Berlin angewiesen sind. Auch wenn die Vorzeichen schlecht sind: Aufgeben und den Kopf in den Sand stecken, ist keine Option für uns als IHK.“
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