Krisenmanagement statt Boom
Deutsche Wirtschaft im Schnell-Check
WIESBADEN (dpa/mue) - Der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat die Hoffnung auf einen kräftigen Konjunkturaufschwung in Deutschland nach zwei Corona-Jahren zunichte gemacht. Ein kurzer Überblick über den Status Quo der deutschen Wirtschaft:
Welche Folgen hat die Energiekrise?
Viele Jahre profitierte Deutschland von günstigem Pipeline-Gas aus Russland. Das änderte sich mit Moskaus Angriff auf die Ukraine. Das russische Gas, das einst 55 Prozent der deutschen Gesamtversorgung ausmachte, fließt nicht mehr. Zudem verhängten viele westliche Staaten, darunter Deutschland, Sanktionen gegen Russland unter anderem auf Öl. Die Folge: Gas, Strom und Sprit verteuerten sich rasant. Auf teils deutlich höhere Preise müssen sich Verbraucherinnen und Verbraucher auch in diesem Jahr einstellen. So gibt es nach jüngsten Angaben des Vergleichsportals Check24 mehr als 1.000 Fälle von Preiserhöhungen in der Strom- und Gasgrundversorgung für 2023. Die Erhöhungen betragen demnach im Schnitt 38,1 Prozent bei Strom und 25,1 Prozent bei Gas im Vergleich zum 30. September 2022.
Bleibt die Inflation hoch?
Seit Monaten treiben hohe Energie- und Lebensmittelpreise die allgemeine Teuerung nach oben. Mit durchschnittlich 7,9 Prozent erreichte die Inflation in Deutschland im vergangenen Jahr nach einer ersten Schätzung den höchsten Stand seit Gründung der Bundesrepublik. Hohe Teuerungsraten mindern die Kaufkraft der Verbraucher. Die Menschen können sich für einen Euro weniger leisten. Das kann den Konsum als wichtige Konjunkturstütze dämpfen. Zwar rechnen Volkswirte mit einer gewissen Entspannung bei den Preisen, das Inflationsniveau dürfte aber auch 2023 vergleichsweise hoch sein. «Bis wir wieder richtige Preisstabilität haben, wird es im besten Fall ein bis zwei Jahre dauern», prognostizierte Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater.
Wie groß ist die Gefahr einer Gasknappheit?
Der Winter ist bislang vergleichsweise mild verlaufen. Auch deswegen sind die Gasspeicher hierzulande gut gefüllt. Nach Einschätzung der Bundesnetzagentur haben sich die Chancen spürbar verbessert, dass Deutschland ohne Gasengpässe durch den Winter kommt. «Eine Gasmangellage in diesem Winter wird zunehmend unwahrscheinlich», prognostizierte die Behörde kürzlich. Bei einer Gasmangellage müsste etwa die Gasversorgung für Firmen rationiert werden. Viele Unternehmen müssten ihre Produktion dann wohl drosseln mit Folgen für die Wirtschaftsentwicklung.
Was unternimmt die Bundesregierung in der Krise?
Von einem «Doppelwumms» sprach Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei der Vorstellung des milliardenschweren Entlastungspaketes, mit dem die Ampel-Koalition die Folgen der gestiegenen Energiepreise für Verbraucher und Unternehmen abfedern will. Dazu zählen Unternehmenshilfen sowie die Energiepreisebremsen ab März für private Haushalte sowie kleine und mittlere Firmen. Für Januar und Februar 2023 ist eine rückwirkende Entlastung geplant. Zudem mussten Gas- und Fernwärmekunden im Dezember 2022 keinen Abschlag zahlen. Diese Kosten übernimmt der Bund. Volkswirte gehen davon aus, dass die Preisbremsen die Inflation in diesem Jahr dämpfen werden.
Wie ist die Lage am Bau?
Deutlich gestiegene Hypothekenzinsen und hohe Baukosten dämpfen die Nachfrage. Der jahrelange Bauboom, der die Konjunktur stützte, geht absehbar zu Ende. Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ist das Bauvolumen 2022 erstmals seit vielen Jahren inflationsbereinigt gesunken. Vor allem im Wohnungsbau springen Auftraggeber und Investoren ab. «Der Gegenwind wird immer stärker. Insbesondere der Wohnungsbau ist fast zum Erliegen gekommen», sagte Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer der Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, unlängst. Mehr als die Hälfte der in der Baubranche tätigen Unternehmen erwartet einer Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zufolge einen Umsatzrückgang im laufenden Jahr.
Wie geht es dem Export?
Jahrzehntelang profitierte die Exportnation Deutschland von der Globalisierung. Das Modell: Billige Energie und Vorleistungsgüter importieren, hochwertige Produkte exportieren. Doch seit geraumer Zeit nimmt der Gegenwind zu. «Eine stark abgekühlte Konjunktur, insbesondere in den wichtigen Absatzmärkten EU und China [...] lässt die Exportumsätze passend zum milden Winter abschmelzen», erläuterte der Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Volker Treier. Hinzu kommen gestörte Lieferketten seit der Corona-Krise. Zuletzt verbesserte sich einer Ifo-Umfrage zufolge zwar die Versorgung der deutschen Industrie mit Vorprodukten und Materialien. Wirtschaftsverbände befürchten allerdings erneuten Druck auf die Lieferketten wegen der massive Corona-Welle, die derzeit durch China rollt.
Autor:Uwe Müller aus Nürnberg |
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