MarktSpiegel-Umfrage ++ Bayern-SPD kritisiert Grenzschutz als verfassungswidriges ,,Prestigeobjekt"
UPDATE 3: Herrmann: Bayerns Grenzpolizei arbeitet weiter wie bisher

Ein Beamter der bayerischen Grenzpolizei steht am Grenzübergang Kirchdorf. 
 | Foto: Lino Mirgeler/dpa/Archivbild
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  • Ein Beamter der bayerischen Grenzpolizei steht am Grenzübergang Kirchdorf.
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UPDATE 3: 28. August 2020, 13.05 Uhr

München (dpa/nf) - Trotz des Urteils des Verfassungsgerichtshofs sieht Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) keine Probleme für die weitere Arbeit der bayerischen Grenzpolizei. «Im Kern ändert das an der Arbeit der Grenzpolizei nichts. Wir können in dem vollen Umfang, wie wir das in den letzten zwei Jahren getan haben, weiterarbeiten», sagte er am Freitag in München. Wie bisher bleibe die unmittelbare Grenzkontrolle Aufgabe des Bundes.

Herrmann betonte, dass die vom Gericht zuvor für nichtig erklärte Vorschrift im Artikel 29 des Polizeiaufgabengesetzes nicht für die Einführung der Grenzpolizei vor zwei Jahren neu geschaffen worden sei, vielmehr handele es sich um eine «alte Vorschrift, die schon seit Jahrzehnten besteht». Dass dies nun beanstandet worden sei, liege an einer Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts, die erst nach Beschluss des Gesetzes ergangen sei.

Herrmann lobte ausdrücklich die Arbeit der Grenzpolizei als Erfolg, in den vergangenen beiden Jahren seien 67 000 Straftaten, Verkehrsdelikte und weitere Fahndungen von ihr bearbeitet worden. Derzeit würden rund 700 Mitarbeiter in der Schleierfahndung eingesetzt. «Wir werden den Aufbau von insgesamt tausend Beamtinnen und Beamten in den nächsten drei Jahren konsequent fortsetzen. Wir sind davon überzeugt, die Grenzpolizei ist gut und wichtig und richtig», sagte er.

Für Herrmann, die Staatsregierung und auch die CSU-Landtagsfraktion sei das Entscheidende, dass das Gericht die grundsätzliche Einrichtung der Grenzpolizei als verfassungsgemäß eingestuft habe. Damit sei der «Frontalangriff der Grünen» gescheitert.

Zuvor hatte sich SPD-Innenexperte Stefan Schuster kritisch geäußert: ,,Ich begrüße die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes. Für die Sicherung der Grenzen ist nun mal nach dem Grundgesetz die Bundespolizei zuständig. In politischer Hinsicht muss jetzt schnell zur Tagesordnung übergegangen werden, damit es eine effiziente und effektive Ausgestaltung der bayerischen Fahndungsdienste und Behörden gibt. Die Polizei im Freistaat kann sich nun wieder auf ihre Hauptaufgaben konzentrieren und muss sich nicht mit verfassungswidrigen Prestigeprojekten von Ministerpräsident Söder und Innenminister Herrmann herumschlagen."

Schon in der Vergangenheit äußerte der SPD-Innenexperte wiederholt Kritik an den Praktiken und den Aufgaben der bayerischen Grenzpolizei. In mehreren Berichten des Innenausschusses wurde bereits festgestellt, dass die Grenzpolizei kaum grenzpolizeiliche Aufgaben wahrnehme. Die eingesetzten Beamtinnen und Beamten konzentrieren sich auf die Schleierfahndung, die sie so auch schon vor Gründung der Grenzpolizei wahrgenommen haben, erklärt der innenpolitische Sprecher der BayernSPD-Landtagsfraktion und ergänzt: ,,Ich bin froh, dass dem bayerischen Sonderweg nun endlich Einhalt geboten wird!"

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UPDATE 2: 28. August 2020, 12.19 Uhr

REGION (pm/nf) - Bayerns Innenminister Joachim Herrmann sieht sich im heutigen Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs zur Bayerischen Grenzpolizei im Grundsatz bestätigt: ,,Für uns bestanden von vorneherein keine Zweifel, dass die Errichtung unserer Grenzpolizei verfassungsrechtlich einwandfrei ist."

Der Verfassungsgerichtshof hat damit den Artikel 5 POG und damit die Einrichtung der Bayerischen Grenzpolizei ausdrücklich bestätigt. Herrmann hofft, dass damit die ständige Stimmungsmache der Grünen gegen die Arbeit der Grenzpolizei aufhört. ,,Unsere bayerischen Grenzpolizistinnen und Grenzpolizisten sind höchst erfolgreich und sorgen für deutlich mehr Sicherheit", betonte der Innenminister. In den zwei Jahren seit der Gründung am 1. Juli 2018 bearbeitete die bayerische Grenzpolizei im Rahmen der Schleierfahndung sowie im Rahmen der Unterstützung des Bundes bei Grenzkontrollen mehr als 67.000 Straftaten, Verkehrsdelikte, Fahndungstreffer und weitere Vorgänge wie Ordnungswidrigkeiten (Stand 30. Juni 2020). Erst in den vergangenen Tagen gelang den Grenzfahndern im Bereich Kempten, Lindau und Raubling die Beschlagnahme von insgesamt rund 95 Kilogramm Heroin und Kokain.

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UPDATE 28. August 2020:


MÜNCHEN (dpa) - Die vor zwei Jahren wiedereingeführte bayerische Grenzpolizei verstößt mit ihrer Arbeit teilweise gegen die Verfassung. Das teilte der bayerische Verfassungsgerichtshof am Freitag bei der Urteilsverkündung in München mit. Die Befugnisse des Artikels 29 im Polizeiaufgabengesetz verstoßen demnach in Teilen gegen das Rechtsstaatsprinzip. Die generelle Wiedereinführung der Grenzpolizei beanstandeten die Richter aber nicht.

CSU-Chef Markus Söder hatte die 1998 aufgelöste Grenzpolizei nach seiner ersten Wahl zum Ministerpräsidenten wieder ins Leben gerufen. Sie war eines von vielen Prestigeprojekten, mit denen er der kriselnden CSU nach der Flüchtlingskrise neuen Boden unter den Füßen verschaffen wollte. Sein Plan war einfach: Die gerade in Grenznähe infolge der Zuwanderung vielerorts verunsicherten Bayern sollten ein neues Gefühl der Sicherheit erfahren und damit auch resistent werden gegen die rechtspopulistische AfD, die bei Wahlen immer mit der Angst vor Flüchtlingen auf Stimmenfang geht.

Die Landtags-Grünen halten die Grenzpolizei für verfassungswidrig, weil für den Schutz der deutschen Außengrenze allein die Bundespolizei zuständig sei. Nach vielen parlamentarischen Auseinandersetzungen entschieden sie sich für den Gang vor Bayerns oberstes Gericht.

Tatsächlich lief die Zusammenarbeit zwischen den bayerischen Grenzpolizisten und ihren Bundeskollegen bisher geräuschlos und unproblematisch. Für die Grünen ging es bei der Klärung aber um eine «verfassungsrechtliche Herzensangelegenheit», wie es der Landtagsabgeordnete Jürgen Mistol nannte. Aus Sicht von CSU und Staatsregierung ist die Arbeit der Beamten durch eine Rechtsvereinbarung mit dem Bund gedeckt. Da die Bundespolizei weiter federführend agiere, würden deren Kompetenzen nicht verletzt, so die Argumentation.

Bayern geht mit der Grenzpolizei einen umstrittenen Sonderweg. Sie war bereits 1948 eingeführt und unter anderem für die Kontrollen an Grenzübergängen und Flughäfen in Bayern eingesetzt worden. 50 Jahre später, nach dem Wegfall der Grenzkontrollen zur ehemaligen DDR, der Aufhebung der Kontrollen an der Grenze zu Österreich und der Aufweichung der Grenzsituation nach Tschechien wurde sie aufgelöst. Zum 1. August 2018 wurde sie dann im Zuge der Diskussion um Zuwanderung von Flüchtlingen wieder eingeführt.

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MÜNCHEN (dpa) - Es ist eine der Gretchenfragen im Dauerstreit zwischen Grünen und CSU in Bayern wie im Bund: Darf der Freistaat eine eigene Grenzpolizei aufbieten, die gemeinsam mit der Bundespolizei die Grenzen gegen Kriminelle und unerlaubt Einreisende schützt? Rund zwei Jahre nach der von der CSU im Alleingang beschlossenen Wiedereinführung der Polizeieinheit kommt es heute an Bayerns höchstem Gericht zur Entscheidung.

Der Verfassungsgerichtshof will dann urteilen, ob die Klage und damit die Dauerkritik der Grünen-Landtagsfraktion berechtigt ist. Sollte das Gericht der Klage stattgeben, wäre es eine herbe Niederlage für die CSU und ganz besonders für ihren Parteichef Markus Söder.

Denn Söder war es, der die 1998 aufgelöste Grenzpolizei nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten ins Leben zurückrief. Sie war eines von vielen Prestigeprojekten, mit denen Söder der kriselnden CSU nach der Flüchtlingskrise neuen Boden unter den Füßen verschaffen wollte. Sein Plan war einfach: Die gerade in Grenznähe infolge der Zuwanderung vielerorts verunsicherten Bayern sollten ein neues Gefühl der Sicherheit erfahren - und damit auch resistent werden gegen die AfD, die bei Wahlen mit der Angst vor Flüchtlingen auf Stimmenfang geht.

Tatsächlich läuft die Zusammenarbeit zwischen den bayerischen Grenzpolizisten und ihren primär zuständigen Bundeskollegen seit jeher geräuschlos und unproblematisch. Immer wieder präsentiert die Staatsregierung unter zustimmendem Kopfnicken der Bundespolizei und nicht ohne Stolz Zahlen zu aufgegriffenen Kriminellen infolge der Schleierfahndung. Diese hatte es allerdings auch vor der Grenzpolizei bereits gegeben, nur unter anderem Namen.

Die Grünen sehen in der Klärung eine «verfassungsrechtliche Herzensangelegenheit», wie es der Landtagsabgeordnete Jürgen Mistol nennt. Da laut Verfassung der Bund für die Grenzsicherung in Deutschland zuständig ist, sehen sie in der Einführung einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip. Tatsächlich ist Bayern das einzige Bundesland, das eine Grenzpolizei hat.

Aus Sicht von CSU und Staatsregierung ist die Arbeit der Beamten durch eine Rechtsvereinbarung mit dem Bund gedeckt. Da die Bundespolizei weiter federführend agiere, würden deren Kompetenzen nicht verletzt, so die Argumentation.

Wie das Gericht die Sache einschätzt, dazu hat Präsident Peter Küspert bei den bisherigen Beratungen keine Aussagen gemacht. Sollte er der Argumentation der Grünen zustimmen, hätte dies viele Folgen. Nicht nur für die 1.000 Beamten, die bis 2023 für die Einheit eingeplant sind.

Darf der Freistaat eine eigene Grenzpolizei aufbieten, die gemeinsam mit der Bundespolizei die Grenzen gegen Kriminelle und unerlaubt Einreisende schützt?
Ein Beamter der bayerischen Grenzpolizei steht am Grenzübergang Kirchdorf. 
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Joachim Herrmann (CSU), Innenminister von Bayern.  | Foto: Sven Hoppe/dpa/Archivbild
Autor:

Nicole Fuchsbauer aus Nürnberg

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