Wenn Klimaschützer um ihr Leben fürchten müssen
Auch Europa hat seine dunklen Seiten
QUITO (dpa) - Wenn es um den Abbau von Rohstoffen geht, machen Regierungen auch vor Menschenleben nicht Halt. Aktuell ist beispielsweise Brasilien in den Schlagzeilen. Aber auch in Europa gibt es Grund zur Kritik. Hier geht es um den geplanten Kupferabbau in Norwegen.
Die Hüter der Wälder leben gefährlich: Zwar gelten die indigenen Völker im Kampf gegen den Klimawandel als wichtige Verbündete, aber intensive Landwirtschaft, illegaler Bergbau und riesige Energieprojekte rücken die Urvölker ins Fadenkreuz von Großkonzernen und Kriminellen. Immer wieder werden indigene Aktivisten in Lateinamerika ermordet, wenn sie Widerstand gegen wirtschaftliche Aktivitäten in ihren traditionellen Siedlungsgebieten leisten.
Jeden zweiten Tag ein Mord
"Wenn wir das Töten der indigenen Umweltschützer nicht stoppen, wird es nicht gelingen, den Regenwald und damit das Klima zu schützen", sagte der Hauptgeschäftsführer des katholischen Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Pater Michael Heinz, anlässlich des Internationalen Tags der indigenen Völker. "Dieses Töten der indigenen Waldschützer muss enden."
Im vergangenen Jahr wurde in der Region durchschnittlich jeden zweiten Tag ein indigener Aktivist getötet. Seit 2014 kamen in Lateinamerika nach Angaben von Adveniat 600 indigene Umweltschützer gewaltsam ums Leben. Viele indigene Organisationen in der Region sehen eine wachsende Gefahr für Leib und Leben ihrer Mitglieder.
Mindestens 5000 indigene Völker
Auf der ganzen Welt zählen sich nach Angaben der Gesellschaft für bedrohte Völker über 370 Millionen Menschen zu insgesamt mindestens 5000 indigenen Völkern. Im Kampf gegen Klimawandel und Umweltzerstörung spielen die Urvölker eine Schlüsselrolle. Laut einer Studie der Welternährungsorganisation (FAO) schützen Indigene ihre Ländereien besonders gut vor Abholzung und Zerstörung. "Die fundamentale Rolle der indigenen Völker ist es, als Hüter der Wälder den Reichtum der Natur zu schützen», sagte Tuntiak Katan von Volk der Shuar in Ecuador der Deutschen Presse-Agentur. "Das ist unsere Lebensweise. Wir sind Teil der Natur und die Natur ist Teil von uns."
Wochenlange Proteste in Brasilien
In Brasilien versucht die rechte Regierung von Präsident Jair Bolsonaro derzeit allerdings, den Indigenen ihre Ländereien mit rechtlichen Mitteln streitig zu machen. Die Abgeordnetenkammer billigte vor wenigen Tagen ein Gesetz, nach dem Landbesetzer künftig legale Eigentumstitel für geraubte Gebiete erhalten können. Wochenlang protestierten Indigene vor dem Kongress in Brasília gegen die Initiative, die nun in den Senat geht. "Es ist sehr wichtig, dass die Gesellschaft klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass Landraub ein Verbrechen ist und nicht legalisiert werden darf", hieß es in einer Stellungnahme der Umweltschutzorganisation WWF.
Der Staat belohne die Diebe nun auch noch, indem er das gestohlene Land legalisiere, kritisierte der indigene Dachverband Apib in Brasilien. "Wenn sie unsere Territorien besetzen, hat das nicht nur große Auswirkungen auf das Land, sondern auch auf unsere Kultur", sagte Marcia Wayna Kambeba vom Volk der Omágua im brasilianischen Bundesstaat Pará. "Ich fürchte, dieses Gesetz wird einen Prozess der Auslöschung im Amazonasgebiet auslösen."
Deutschland und Norwegen mitschuldig?
Über die globalen Lieferketten sind auch Unternehmen und Konsumenten in Deutschland für die Lage der Indigenen in Lateinamerika mitverantwortlich. Im April ratifizierte der Bundestag das Übereinkommen 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Die Konvention regelt die Anhörung und Einbindung indigener Völker bei wirtschaftlichen Projekten in ihren Siedlungsgebieten.
"Obwohl die Bundesregierung kurz vor Ende der Legislaturperiode mit der Ratifizierung der ILO-Konvention 169 und der Verabschiedung des Lieferkettengesetzes positive Zeichen gesetzt hat, gibt es selbst für die Indigenen Europas wenig Lichtblicke", sagte Yvonne Bangert von der Gesellschaft für bedrohte Völker. So gerät derzeit beispielsweise die Lebensgrundlage der Sami in Norwegen in Gefahr, weil in ihrem Siedlungsgebiet Kupfer abgebaut werden soll.
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