Jobmesse für Geflüchtete: Ist das die Lösung?
Fachkräftemangel und hohe Zuwanderung ins Gleichgewicht bringen
Von Matthias Arnold, Irena Güttel und Michael Donhauser, dpa
BERLIN (dpa) - Angesichts der steigenden Zahl Geflüchteter in Deutschland nehmen die Debatten rund um Unterbringung, Abschiebung und Integration wieder an Fahrt auf. Im Fokus steht das Bemühen, sogenannte irreguläre Migration zu verhindern.
Dabei fordern Branchen mit hohem Fach- und Arbeitskräftemangel schon seit Jahren mehr und leichtere Zuwanderung aus dem Ausland. Bei Asylbewerbern äußern sie sich deutlich zurückhaltender, obwohl viele Fachleute hier ein großes Potenzial sehen. Und so soll eine Jobmesse in Berlin am 4. Oktober Geflüchtete mit Arbeitgebern in Kontakt bringen.
Die Haltung der Arbeitgeber
«Wir dürfen die Zuwanderung von Arbeits- und Fachkräften nicht mit der irregulären Migration vermischen», sagte jüngst der Chef der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Rainer Dulger, der Deutschen Presse-Agentur. «Bei der irregulären Migration erwartet die Bevölkerung - und mit ihr wir Arbeitgeber - ein entschlossenes Vorgehen auf nationaler und europäischer Ebene.»
Ähnlich äußerte sich der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Oliver Zander. «Einerseits braucht die Wirtschaft Fachkräfte aus dem Ausland», sagte er der «Neuen Osnabrücker Zeitung» («NOZ»). «Andererseits droht ein Übermaß an Migration die Akzeptanz für Einwanderung zu zerstören.»
Entwicklung Flüchtlingszahlen
Die Zahlen geflüchteter Menschen in Deutschland nehmen wieder deutlich zu. Von Januar bis August dieses Jahres wurden dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zufolge fast 204.500 Asylanträge erstmals gestellt. Das waren fast so viele Erstanträge wie im gesamten vergangenen Jahr (rund 217.800) und deutlich mehr als im Gesamtjahr 2021 (rund 122.000). Kommunen und auch große Städte wie Berlin suchen händeringend zusätzliche Unterkünfte.
Vom Niveau der Jahre 2015 und 2016 sind die Geflüchtetenzahlen aber noch weit entfernt. Die drei größten Gruppen bilden Menschen aus Syrien, Afghanistan und der Türkei. Ukrainer werden nicht erfasst. Sie benötigen keinen Aufenthaltstitel in Deutschland.
Integration in den Arbeitsmarkt
Die Arbeitslosenquote liegt bei Asylsuchenden bei fast 30 Prozent, bei Ukraine-Flüchtlingen sogar bei über 50 Prozent, wie aus Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervorgeht. Dennoch waren im Juni 2023 rund 57.000 Asylbewerber mehr in Beschäftigung als noch ein Jahr zuvor.
Einer aktuellen IAB-Studie zufolge sind die Erwerbstätigenquoten der Geflüchteten unmittelbar nach der Ankunft gering, steigen in den Jahren danach aber zügig an. «So belaufen sich die Erwerbstätigenquoten im ersten Jahr nach dem Zuzug auf 7 Prozent, steigen sechs Jahre nach dem Zuzug auf 54 Prozent und auf 62 Prozent sieben Jahre nach dem Zuzug.» Das gilt demnach auch für diejenigen, die in den Jahren 2015 und 2016 nach Deutschland kamen.
«Das ist zwar weniger als in der deutschen Bevölkerung mit rund 75 Prozent, aber diese Arbeitskräfte tragen bereits erheblich zur gesamtwirtschaftlichen Produktion bei», sagte der Integrationsforscher der Humboldt-Universität Berlin, Herbert Brücker, der dpa. Ausgeschöpft sei das Potenzial aber noch lange nicht. «Insbesondere bei den geflüchteten Frauen sind die Erwerbstätigenquoten noch niedrig.»
Vielfältige Hürden
«Für geflüchtete Menschen liegen die Hürden bei der Aufenthaltserlaubnis, dem Integrationskurs (Sprachkurs) und der Arbeitserlaubnis definitiv höher als bei angeworbenen Fachkräften», heißt es von der IG Metall. Für neu ankommende Asylbewerber besteht zudem für mindestens drei Monate ein Arbeitsverbot in Deutschland.
Nachholbedarf sehen die Gewerkschaften bei der Anerkennung vorhandener Qualifikationen. Diese würden «nicht hinreichend genutzt», sagt Verdi-Bundesvorständin Rebecca Liebig. «Vielmehr erfährt vielfach die schnelle (und regelmäßig nicht nachhaltige) Vermittlung in prekäre Beschäftigungs- und Einkommensbedingungen Vorzug.» Die Beschäftigten in den Behörden müssten laut der IG Metall besser geschult werden, vorhandene Qualifikationen zu erkennen und die richtigen Weiterbildungsmaßnahmen für die Menschen auszuwählen.
Abhilfe durch neues Gesetz?
Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz hat die Bundesregierung das Potenzial nicht gezielt angeworbener Fachkräfte in den Blick genommen - etwa mit der sogenannten Chancenkarte. Je nach Sprachkenntnissen, Berufserfahrung, Alter und Deutschland-Bezug können arbeitswillige Ausländer Punkte bekommen, die sie zu der Karte berechtigen. Sie dient für ein Jahr als Aufenthaltserlaubnis. Wer sie hat, kann in Deutschland auf Arbeitssuche gehen.
Zudem gibt es für Asylsuchende mit dem sogenannten Spurwechsel nun die Möglichkeit, aus dem Asylverfahren in die Erwerbsmigration zu wechseln. Er gilt für Menschen, die bis zum 29. März dieses Jahres einen Asylantrag gestellt haben. «Er ist also nur für Personen möglich, die von dieser Regelung noch nichts wussten, als sie nach Deutschland gekommen sind», sagte HU-Professor Brücker jüngst dem Mediendienst Integration. Verdi hält die Regelung hingegen für «unzureichend» und bezeichnet sie als «Spurwechsel light».
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