Proteste gegen Energiepolitik der Regierung
Warum Linke und Rechte getrennt auf die Straße gehen wollen

Linken-Chefin Janine Wissler präsentiert ein Plakat für die Kampagne «Menschen entlasten. Preise deckeln. Übergewinne besteuern». 


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BERLIN (Verena Schmitt-Roschmann und Jörg Ratzsch, dpa) - Für ihren «heißen Herbst» holt die Linke wieder die Kochtöpfe zum Trommeln aus dem Schrank. Überall in Deutschland will die Partei lautstark gegen die Energiepolitik der Regierung mobilisieren, wie Parteichefin Janine Wissler ankündigte. Eine ähnliche Protestwelle plant auch die AfD. Auch sie nutzt das Schlagwort «heißer Herbst», auch einige Forderungen ähneln sich. Wird sich da etwas mischen oder gibt es eine scharfe Abgrenzung?

Definitiv Distanz, betont die Linke. Man werde nirgends mit der AfD gemeinsame Sache machen, sagte Wissler. «Wir sind uns der Gefahr von rechts bewusst, aber wir sind der Meinung, dass wir gerade diese Proteste, diesen Unmut nicht den Rechten überlassen dürfen.» Immerhin sei die Linke die Partei der sozialen Gerechtigkeit. Ihre Kampagne heißt: «Menschen entlasten. Preise deckeln. Übergewinne besteuern». Am 5. September soll es in Leipzig mit einer Montagsdemo losgehen. Für den 17. September plant die Linke einen bundesweiten Aktionstag.

Konkret fordert die Partei, Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen monatlich 125 Euro zu zahlen plus weitere 50 Euro für jede weitere Person in Haushalt. Zudem sollen unter anderem die Gasumlage gestoppt und das 9-Euro-Ticket fortgesetzt werden. Zur Finanzierung soll eine Übergewinnsteuer kommen, von der sich Wissler bis zu 100 Milliarden Euro erhofft.

AfD: «Unser Land zuerst!»

Für die AfD wollen die Parteivorsitzenden Tino Chrupalla und Alice Weidel nächste Woche eine eigene Kampagne vorstellen. Das Motto: «Heißer Herbst, statt kalte Füße!» ergänzt um den den Slogan «Unser Land zuerst!» Der Spruch erinnert an die politische Leitlinie von Donald Trump: «America first».

Abgrenzungsprobleme zur Linken sieht Chrupalla nicht. Man habe in der Krise ganz andere Lösungsvorschläge, meint der AfD-Chef. So halte die Linke an den Sanktionen gegen Russland fest. Die AfD ist dafür, diese aufzuheben. Man werde sich nicht Demonstrationen von anderen Gruppierungen anschließen. «Wir haben es nicht nötig, dass wir mit den Linken oder mit den Freien Sachsen auf die Straße gehen», hatte Chrupalla kürzlich gesagt.

«Und dass die Linke ausgerechnet nun zu Montagsdemos aufruft, das hat ja schon an sich 'ne komische Note», so der AfD-Chef. Bei Montagsdemonstrationen waren in der DDR während der friedlichen Revolution 1989 Menschen gegen die SED-Führung auf die Straße gegangen. Aus der SED ging später die PDS und daraus dann die Linkspartei hervor.

Beide Seiten sind sich also offiziell spinnefeind und setzen auch unterschiedliche Akzente. Doch ohne ihnen zu nahe zu treten: Es ist auch klar erkennbar, dass beide Oppositionsparteien bei schwachen Umfragewerten ein Mobilisierungsthema suchen. Die Linke hat zudem das Problem, dass es immer auch eine Art Linke in der Linken gibt, die ihr eigenes Süppchen kocht.

Unterschiedliche Positionen bei der Linken

Dazu zählt die frühere Fraktionschefin Sahra Wagenknecht, die der Bundesregierung einen «Wirtschaftskrieg» gegen Moskau vorwirft, «der uns mehr schadet als Russland». Und auch der frühere Parteichef Klaus Ernst, inzwischen Energieexperte, setzt deutlich andere Akzente als die Parteispitze. «Die Energiesanktionen gegen Russland erweisen sich als schwerer Fehler!», schrieb er kürzlich in der «Berliner Zeitung».

Immer wieder bringt Ernst ins Gespräch, die von der Bundesregierung gestoppte Gasleitung Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland doch noch zu nutzen. «Wir werden noch längere Zeit fossile Energie zu vernünftigen Preisen brauchen», schrieb er. Man solle sich mit Russland einigen. «Das würde einem möglichen heißen Herbst und einem kalten Winter ein wenig entgegenwirken – und der Ukraine nicht schaden!» Linken-Chefin Wissler sieht das offiziell ganz anders und ist ausdrücklich gegen die Nutzung von Nord Stream 2.

Chrupalla spricht von «Wirtschaftskrieg» gegen Russland

AfD-Chef Chrupalla hingegen bedient sich ähnlicher Argumentationsmuster. Wenn Chrupalla von Krieg spricht, dann meist nicht von Moskaus Krieg gegen die Ukraine, sondern ebenfalls von einem «Wirtschaftskrieg» der Bundesregierung gegen Russland. Co-Chefin Weidel zeigt aufs Grundgesetz: Die Regierung solle sich der darin festgeschriebenen Kernaufgabe widmen, den Nutzen des deutschen Volkes zu mehren und Schaden von ihm abzuwenden.

Auch die AfD argumentiert gegen Sanktionen, auch sie, weil diese ihrer Ansicht nach Deutschland mehr schaden als Russland. Und auch die AfD will Nord Stream 2 in Betrieb nehmen. «Günstiges Gas in rauen Mengen gibt es nur mit der AfD», twitterte Chrupalla kürzlich. Abgrenzung tragen also beide Seiten kräftig nach außen - es dürfte beide aber Mühe kosten, Ziele und Rhetorik im Protestherbst immer trennscharf zu halten.

Linken-Chefin Janine Wissler präsentiert ein Plakat für die Kampagne «Menschen entlasten. Preise deckeln. Übergewinne besteuern». 


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Der AfD-Bundesvorsitzende Tino Chrupalla. Die AfD ist dafür, die Sanktionen gegen Russland aufzuheben.  | Foto: Michael Matthey/dpa
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Victor Schlampp aus Schwabach

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