Streit um "spritfressende" Dienstwagen geht weiter
Grüne und FDP haben unterschiedliche Meinungen, SPD schweigt
BERLIN (dpa) - Es geht um teuere und "spritfressende" Dienstwägen, angebliche Steuerprivilegien, Energiewende und Vorbildcharakter. Politikerinnen und Politiker sind in ihren Meinungen gespalten. Ein scheinbar unendliches Thema geht in die nächste Runde
Von Andreas Hoenig und Theresa Münch, dpa
Für Christian Lindner ähnelt es einem Klassenkampf: «Linkes Framing» sei es, wenn Koalitionspartner von einem Dienstwagenprivileg sprächen, sagte der Bundesfinanzminister neulich. Eine manipulative Wortwahl, die bei den Menschen das Gefühl erzeugen solle, etwas gehe nicht mit rechten Dingen zu. Tatsächlich haben vor allem die Grünen Bauchschmerzen mit der pauschalen Besteuerung von Dienstwagen, die sie in vielen Fällen für Spritfresser halten. Lindner kann dagegen kein Privileg erkennen, er spricht von einer Steuer-Vereinfachung.
Grünen schlagen Kompromiss vor
So weit, so bekannt. Jetzt aber haben die Grünen als Kompromiss vorgeschlagen, die pauschale Besteuerung stärker an den CO2-Ausstoß des Fahrzeugs zu koppeln - und so Zusatzeinnahmen zu generieren, mit denen etwa ein Nachfolger für das 9-Euro-Ticket bezahlt werden könnte. Der koalitionsinterne Streit um die Dienstwagen ist seitdem neu entbrannt. So sehr, dass man im Wirtschaftsministerium betont, es gebe keinen «Deal» der zuständigen Minister, dass die umstrittene Regelung bestehen bleibe. Zuvor hatte das «Handelsblatt» von einer solchen Absprache zwischen Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Finanzminister Lindner und Verkehrsminister Volker Wissing (beide FDP) berichtet. Worum genau gestritten wird:
Wie sehen die steuerlichen Regelungen aktuell aus?
Wer seinen Firmenwagen auch privat nutzt, hat einen sogenannten geldwerten Vorteil, der versteuert werden muss. Wer kein Fahrtenbuch führen will, kann die sogenannte Ein-Prozent-Regel nutzen. Für jeden Monat setzt man dabei ein Prozent des Bruttolistenpreises des Fahrzeugs an. Fährt man einen Dienstwagen mit Listenpreis 50.000 Euro, beträgt der geldwerte Vorteil damit 500 Euro pro Monat. Auf diesen Betrag zahlt man dann Steuern.
Steuerlich bessergestellt werden Elektroautos: Bei reinen Elektrofahrzeugen, die nicht teurer als 60.000 Euro sind, müssen nur 0,25 Prozent des Bruttolistenpreises angesetzt werden. Für teurere Elektroautos und Plug-in-Hybride sind es 0,5 Prozent. Unternehmen können den Kauf von Dienstwagen zudem von der Steuer absetzen.
Warum gibt es Kritik daran?
Das Umweltbundesamt sieht in der Regelung eine umweltschädliche Subvention. Der tatsächliche geldwerte Vorteil sei vielfach höher als ein Prozent, heißt es in einer Analyse. Zumal das Tanken oft der Arbeitgeber bezahlt. Die steuerlichen Vergünstigungen für Dienstwagen verringerten zudem den Anreiz, öffentliche Verkehrsmittel zu verwenden, so das Umweltbundesamt. Bezogen auf 2018 und die damals geltende Regelung ergebe sich eine Subventionierung von mindestens 3,1 Milliarden Euro. Dieses Geld würden die Grünen lieber zur Finanzierung eines günstigen Nahverkehrstickets nutzen.
Die «Wirtschaftsweise» Veronika Grimm spricht sich ebenfalls für eine Abschaffung der Pauschalbesteuerung aus. «Das würde dem Staat zusätzliche Mittel bescheren, ungefähr im Rahmen von drei Milliarden Euro», sagte sie dem Bayerischen Rundfunk. Damit könne der Staat Fahrpreise senken und den Nahverkehr attraktiver machen. Der ökologische Verkehrsclub Deutschland hält die pauschale Besteuerung ebenfalls für veraltet und spricht von einem enormen Steuerprivileg. «Es profitieren davon vor allem Besserverdienende. Ein Dienstwagen ist viel günstiger, als wenn man ihn sich privat kaufen würde», sagt Experte Michael Müller-Görnert.
Was sagen die Befürworter der Pauschalbesteuerung?
Finanzminister Lindner verweist auf Studien und Rechtsprechung, nach denen die pauschale Besteuerung keinen Steuervorteil mit sich bringe. Es handele sich vor allem um eine steuerliche Vereinfachung, die es den Nutzerinnen und Nutzern erspare, ein Fahrtenbuch zu führen. Würde die Regelung abgeschafft, kämen für den Staat keine nennenswerten Mehreinnahmen raus.
Was schlagen die Grünen vor?
Die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Katharina Dröge, hat vorgeschlagen, die steuerliche Behandlung an die Emissionen zu koppeln. Das könne Anreize zum Klimaschutz und Energiesparen setzen. «Das heißt: Je umweltfreundlicher ein Dienstwagen ist, desto besser wirkt sich das für Unternehmen und Mitarbeitende aus», sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Lindner reagierte prompt und betonte: Die Klimawirkung werde ja bereits berücksichtigt, denn Hybrid- und Elektroautos würden gefördert. Damit kämen klimafreundliche Fahrzeuge in die Flotte als Neuwagen, die später günstigere Gebrauchtwagen seien. Die SPD hält sich in dem Streit der restlichen Koalitionspartner bisher auffallend zurück.
Was bedeutet das alles für die Automobilbranche?
Befürworter der bisherigen Regelung weisen auf die große Bedeutung für die deutsche Automobilindustrie hin. Firmen- und Dienstwagen würden zu großen Teilen in Deutschland produziert, sagt der Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer. Damit verbunden sei eine erhebliche Wertschöpfung bei Zulieferern und Autobauern in Deutschland. Dies gilt insbesondere für die Mittelklasse, obere Mittelklasse und die Oberklasse.
Firmenwagen sind dem Verband der Automobilindustrie VDA zufolge für die deutschen Hersteller sehr wichtig. Der deutsche Marktanteil habe bei Dienstwagen im vergangenen Jahr 82 Prozent betragen, im Gesamtmarkt dagegen nur 68 Prozent. Etwas mehr als jeder dritte neu zugelassene Pkw war im vergangenen Jahr ein Dienstwagen. Dabei gilt: Je teurer ein Auto, desto höher ist der Anteil der Firmenwagen.
Ein Teil davon sind die dicken Schlitten der Vorstände. Dienstwagen, die - Tankkarte inklusive - eher als Gehaltsbestandteile zu verstehen sind. Doch mehr als 48 Prozent der neu zugelassenen Firmenwagen waren laut VDA auch Kleinst- und Kleinwagen, Mini-Vans und Fahrzeuge aus der Kompakt- und Mittelklasse. Darunter fallen dann zum Beispiel auch Autos für den Pflegedienst oder den Außendienstmitarbeiter.
Der E-Anteil bei Dienstwagen sei 2021 mit 29 Prozent im Vergleich zum Gesamtmarkt (26 Prozent) überdurchschnittlich hoch gewesen. «Weil es für Unternehmen und Mitarbeiter attraktiv ist, regelmäßig neue Fahrzeuge zu bestellen, gehen diese wenige Jahre später als Gebrauchtwagen in den Markt», so VDA-Präsidentin Hildegard Müller. «Gerade auf dem Weg in die Elektromobilität wäre es ein großer Fehler an der Dienstwagensteuer zu drehen.»
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